Arzthaftung: Vergleich mit Abfindung bei grobem Behandlungsfehler 510.000 €

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Inkomplette Querschnittslähmung - 510.000 € Abfindung nach grobem Behandlungsfehler


(Vergleich nach Beschluss LG Bielefeld vom 16.10.2020 - 4 O 336/16)

Weil eine Rheuma Klinik aus Bad Oeynhausen einen Krankheitsschub meiner unter einer Autoimmunerkrankung leidenden Mandantin für einen grippalen Infekt hielt, sitzt meine Mandantin nun dauerhaft im Rollstuhl. Für die aus dem Kreis Herford stammende Patientin habe ich gegen die Klinik vor dem Bielefelder Landgericht Klage erhoben. Außerhalb der Verhandlung einigten sich die Parteien nun auf eine Zahlung von 510.000 Euro.

Ende 2013 hatte meine Mandantin, die an der Erkrankung einer Misch-Kollagenose litt, ein Medikament (Quensil) in Abstimmung mit den Medizinern der beklagten Klinik abgesetzt. Bei der Grunderkrankung einer Kollagenose handelt es sich um eine uneinheitliche Gruppe einer Autoimmunerkrankung, welche vornehmlich die Bindegewebe und Blutgefäße schädigen und somit den gesamten Körper betreffen kann. Insofern ist eine ärztliche Abstimmung zur Medikationsanpassung im Bedarfsfall notwendig und hier auch erfolgt.

Nach zunächst üblicher ambulanter Vorstellung wurde meine Mandantin Anfang 2014  in der beklagten Klinik stationär aufgenommen, um sich medikamentös neu einstellen zu lassen. Kurz darauf bekam sie hohes Fieber, ferner kam es am 24. Januar 2014 zu einem Harnverhalt und weiteren beginnenden auch neurologischen Symptomen. Erst  als sich die neurologischen Beschwerden am darauf folgenden Tag noch verstärkten, wurde sie in die Neurologie des Klinikums Minden verlegt.

Das zentrale Nervensystem war nun betroffen, die Nervenbahnen entzündet. Trotz einer in Minden sofort eingeleiteten Kortisontherapie ist die 37-Jährige seither querschnittsgelähmt und wird dauerhaft im Rollstuhl sitzen müssen.

In Minden diagnostizierten die Ärzte einen Systemischen Lupus Erythematodes (SLE), eine zu den Kollagenosen zählende Erkrankung. Die tragischen Konsequenzen waren nach dem Klagevorwurf und einem außergerichtlich den ärztlichen Behandlungsfehler bestätigenden  Gutachterbescheid der Gutachterkommission  der Ärztekammer Westfalen-Lippe zu verhindern gewesen, hätte die Rheumaklinik das hohe Fieber und die weiteren Symptome nicht missinterpretiert und die notwendigen weiteren Befunderhebungen veranlasst.

Die verantwortliche Medizinerin der Beklagten hielt dem Klagevorbringen entgegen, die Patientin hätte im Januar 2014 eher unspezifische Symptome aufgewiesen, welche einen grippalen Infekt als Ursache nahegelegt hätten. Die seinerzeitige Behandlung sei nach dortiger Auffassung unter Einhaltung der gebotenen ärztlichen Sorgfaltspflicht sachgemäß gewesen.

In Zustimmung der mit der Klage für meine Mandantin erhobenen Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeldzahlung bestätigte der gerichtlich durch die 4. Kammer des Bielefelder Landgerichts bestellte Sachverständige Prof. Dr. Torsten Witte, Direktor der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Da die Patientin kurz zuvor ihr Medikament abgesetzt hatte, hätte danach die behandelnde Fachmedizinerin selbstredend und zwingend an einen Kollagenoseschub mit hohen Risiken für neurologische Folgeverletzungen denken müssen. Dies allerspätestens als es am 24. Januar zu einem Harnverhalt kam und weiteren von der Patientin geschilderten Symptomen kam.

In solchen Fällen sei bis zu sechs Wochen nach dem Absetzen der Medikation ein Krankheitsschub inklusive Fieber zu erwarten: "Vor diesem Hintergrund wäre ein Lupus-Schub die 1-A-Differenzialdiagnose gewesen." In Minden war ein erniedrigter C3-Wert bei der Patientin gemessen und letztlich die Diagnose Systemischer Lupus Erythematodes (SLE) gestellt worden. Bei einem grippalen Infekt, so der Gutachter weiter, steige der C3-Wert hingegen an. Darüber hinaus seien 40 Grad Fieber "für einen grippalen Infekt auch sehr unwahrscheinlich. Das mehrfache Erbrechen auf die Gabe eines Antibiotikums zurückzuführen, ist nicht ausreichend."

Außerhalb der Verhandlung schlossen die Parteien nun einen den Rechtsstreit abschließenden Vergleich, wonach die beklagte Rheumaklinik 510.000 Euro an meine Mandantin zahlt.

Diese Summe ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Schwere ärztlichen Fehlverhaltens und der massiven Folgen für die Patientin angemessen, um die erheblichen Lebenseinbußen durch den erlittenen Dauerschaden einer nun inkompletten Querschnittslähmung ab TH 10 dem Versuch in Geldersatz nach auszugleichen. Die Schadensfolgen sind für meine noch jüngere Mandantin letztlich immens. Mit dieser Summe ist ihr nun die Möglichkeit eröffnet, notwendige Maßnahmen zu einem behindertengerechten Leben und zur Absicherung treffen zu können.


Für die Übernahme Ihres Mandats im Medizin-, Versicherungs- und Sozialversicherungsrecht stehe ich Ihnen mit meinem Kanzleiteam gerne zur Verfügung.

 



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