BAB 45, Münzenberg, km 193.300, Ri. Dortmund – Geschwindigkeitsmessung verfassungswidrig?

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Bereits im ersten Teil unseres Beitrags „Zu Unrecht geblitzt: BAB 45, Münzenberg – 60er-Beschränkung unwirksam – km 193.300 – Ri. Dortmund“ haben wir ausgeführt, dass aus unserer Sicht die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit missverständlich beschildert und deswegen nicht wirksam ist. 

In diesem zweiten und zugleich letzten Teil des Beitrags erläutern wir, warum nach hiesiger Meinung die am Parkplatz „Stauferburg“ zwischen Wölfersheim und Münzenberg durchgeführten Messungen in technischer Hinsicht zu beanstanden und wegen Verletzung von Verfassungsrechten der Verkehrsteilnehmer nicht verwertbar sind. 

Sonder-Problem: Messung wegen verfassungswidriger Datenlöschung unverwertbar?

Das hier eingesetzte Laser-Messgerät XV 3 weist ebenso wie auch Konkurrenz-Produkte (z. B. Poliscan Speed und TraffiStar S 350) die Besonderheit auf, dass auf Veranlassung der Gerätehersteller nur ein Bruchteil der bei der Messung generierten Daten gespeichert bleibt. 

Die Rohmessdaten, die eine weitgehende Überprüfung der Richtigkeit der Messung ermöglichen würden, werden hingegen ohne rechtlich zu billigenden Grund gelöscht. Selbst spezialisierten Sachverständigen ist damit eine Prüfung der Messwertbildung nicht mehr möglich.

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat in einem bahnbrechenden Urteil vom 05.07.2019 (Az. Lv 7/17) dazu ausgeführt, dass eben diese Praxis mit der dortigen Landesverfassung nicht in Einklang steht, weil sie eine effektive Verteidigung des geblitzten Verkehrsteilnehmers unmöglich macht und ihn in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt. 

Im Saarland darf daher diese seit Jahren bundesweit vorherrschende und von uns ebenso lange bekämpfte Praxis nicht mehr aufrechterhalten werden und bis zur Umstellung der Geräte müssen unzählige laufende Bußgeldverfahren eingestellt werden. 

Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem gesonderten Beitrag: „Paukenschlag des Verfassungsgerichts gegen Blitzer – beste Verteidigungschancen“.

Zwar entfaltet das Urteil des Verfassungsgerichts bindende Wirkung nur für die Behörden und Gerichte des Saarlandes. Die Argumentation der dortigen Verfassungsrichter lässt sich aus unserer Sicht aber zwanglos und in vollem Umfang auch auf das hier betroffene Bundesland Rheinland-Pfalz übertragen, denn die maßgeblichen Grundsätze sind in der hiesigen Landesverfassung die gleichen wie im Saarland. 

Wir halten somit die in Münzenberg durchgeführten Messungen für verfassungswidrig und versuchen daher zu bewirken, dass auch die hier geführten Verfahren wegen einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren eingestellt werden – zur Not durch Anrufung des Verfassungsgerichts des Landes Rheinland-Pfalz.

Bußgeldstelle verweigert zu Unrecht Datenherausgabe und gewährt diese erst auf rechtlichen Druck hin

Auffallend ist aus Sicht des Verteidigers auch, dass das Regierungspräsidium Kassel grundsätzlich erst einmal nach anwaltlichem Akteneinsichtsgesuch alles Mögliche sendet, nicht aber die für unsere Arbeit so maßgeblichen digitalen Messdaten, obwohl unter anderem diese und sogar mit Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung angefordert werden. 

Erst wenn wir an unsere vorangegangene Forderung erinnern und die Erhebung von Dienstaufsichtsbeschwerden ankündigen, erhalten wir endlich die Daten. Völlig zu Unrecht werden somit von der Bußgeldbehörde selbst die wenigen noch vorhandenen digitalen Daten zurückbehalten und nur auf rechtlichen Druck „im zweiten Anlauf“ übersandt.

Technische Überprüfung der Messungen im Einzelfall

Soweit möglich, ist dann stets zu prüfen, ob denn die Messung im Einzelfall korrekt durchgeführt wurde und überhaupt einen zutreffenden Geschwindigkeitswert für den jeweiligen Verkehrsteilnehmer ermittelt haben kann.

Nicht abschließend geklärt ist in diesem Zusammenhang, ob das Messgerät im Verfahren der Zulassungsprüfung auf elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) geprüft wurde. Zusammen mit namhaften öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen sind wir der Auffassung, dass eben dies nicht (vollständig) erfolgt ist und damit die Prüfung im Zuge der Bauartzulassung unvollständig war. 

Bislang ist somit nicht belegt, dass Magnetfelder mit energietechnischen Frequenzen keine Auswirkungen auf die Messwertbildung haben, weshalb das in das Gerät gesetzte Vertrauen auf die Richtigkeit der damit gewonnenen Messwerte unangebracht und das „Gütesiegel“ des standardisierten Messverfahrens nicht gerechtfertigt ist.

Daneben gibt es noch eine ganze Reihe denkbarer Verteidigungsansätze, die aus Platzgründen hier nur (unvollständig) angerissen werden können:

  • Nicht nachgewiesene Eichung
  • Fehlende Ausbildungsnachweise des Bedien- und Auswertepersonals
  • Fehlerhafter Umgang mit Kabeln und Aufbewahrungsbehältnissen

Empfehlung: Alle Messungen vom anwaltlichen Experten prüfen lassen

Wer auf der BAB 45 bei Münzenberg geblitzt wurde, hat somit nicht nur die Möglichkeit, mit Hilfe eines darauf spezialisierten Anwalts diverse technische Aspekte der Messung anzugreifen und diese als verfassungswidrig darzustellen. 

Daneben sollte immer die hier festzustellende Besonderheit der unklaren Beschilderungssituation (siehe dazu den ersten Teil unseres Beitrags) ausdiskutiert werden. Die Kosten der Verteidigung und eines etwaigen Gutachtens werden von der Rechtsschutzversicherung übernommen. 

Dr. Sven Hufnagel

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Rechtsanwalt Dr. Hufnagel führt bundesweit seit mehr als 15 Jahren Verteidigungen in Bußgeldsachen gerade wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen durch und hat die hier betroffene Messstelle bereits dutzendfach überprüft. Im Focus-Spezial wurde er in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ gelistet.

Weitere Infos: www.fahrverbot-rechtsanwalt.de und www.anwalt-strafrecht.com


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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