Berufsunfähigkeitsversicherung: Befristung unwirksam

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Kein befristetes Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit für einen abgeschlossenen Zeitraum.



Einführung: 

In der Berufsunfähigkeitsversicherung muss der Versicherer die Leistungspflicht anerkennen, wenn der Versicherungsnehmer/die Versicherungsnehmerin* bedingungsgemäß berufsunfähig ist. Der Versicherer ist also zur Abgabe eines sog. Anerkenntnisses verpflichtet. Das Anerkenntnis erfolgt in der Regel unbefristet. Das bedeutet, dass der Versicherer so lange zahlen muss, bis die Berufsunfähigkeit wieder entfallen ist und der Versicherer das sog. Nachprüfungsverfahren durchgeführt hat. In dem Nachprüfungsverfahren muss der Berufsunfähigkeitsversicherer dann unter bestimmten formellen Voraussetzungen darlegen, dass die Berufsunfähigkeit endet. Dies muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer in einer sog. Änderungsmitteilung darstellen. Die Leistung darf dabei frühstens 3 Monate nach dem Zugang der Änderungsmitteilung eingestellt werden.


Nun hat der Berufsunfähigkeitsversicherer aber manchmal die Möglichkeit, ein befristetes Anerkenntnis abzugeben. Der Versicherer erkennt also die Berufsunfähigkeit für einen bestimmten Zeitraum an. In § 173 Abs. 2 VVG ist geregelt, dass ein Anerkenntnis nur einmal zeitlich begrenzt werden darf. Wichtig ist, dass eine Befristung des Anerkenntnis nur dann möglich ist, wenn dies in den Versicherungsbedingungen geregelt ist. Ohne eine solche Regelung darf der Versicherer ein befristetes Anerkenntnis gar nicht abgeben. Der Versicherer ist bei einem befristeten Anerkenntnis bis zum Ende gebunden. Das heißt, auch wenn sich der Gesundheitszustand in der Zeit der Befristung bessert, muss der Versicherer bis zum Ende des Anerkenntnis leisten.


Nun hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23.02.2022, Az. IV ZR 101/20, entschieden, dass der Versicherer ein befristetes Anerkenntnis nicht für einen abgeschlossenen Zeitraum abgeben darf. Aber was bedeutet das?



Die Entscheidung:

In dem entschiedenen Fall hat der Versicherungsnehmer aufgrund eines Bandscheibenvorfalles Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung im Jahr 2015 beantragt. Der Berufsunfähigkeitsversicherer hat daraufhin die Prüfung vorgenommen und ein Gutachten erstellen lassen. Noch während der Leistungsprüfung, genauer am 01.03.2016, konnte der Versicherungsnehmer seine bisherige berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen. Als das Gutachten endlich fertiggestellt war, hat der Versicherer am 25.10.2016 die Berufsunfähigkeit für den Zeitraum 01.07.2015 bis 29.02.2016 anerkannt und die Leistungen ab dem 01.03.2016 verweigert. Es wurde also ein befristetes Anerkenntnis für einen abgeschlossenen Zeitraum abgegeben.


Der Versicherungsnehmer war der Auffassung, dass er auch ab dem 01.03.2016 weiterhin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bekommen könne. Dies hat der Bundesgerichtshof grundsätzlich bejaht.


Im Wesentlichen hat der BGH dies in seiner Entscheidung vom 23.02.2022 zu dem Aktenzeichen IV ZR 101/20 damit begründet, dass der Versicherer kein befristetes Anerkenntnis für einen abgeschlossenen Zeitraum abgeben darf. Dies war in der Rechtsprechung und in der Literatur lange umstritten, wurde nun aber zu Gunsten der Versicherungsnehmer höchstrichterlich entschieden. Der Bundesgerichtshof betrachtet die Befristung als unwirksam, so dass das Anerkenntnis des Versicherers unbefristet war. Hierdurch kann der Berufsunfähigkeitsversicherer sich nur durch das Nachprüfungsverfahren und der Änderungsmitteilung lösen.  Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass mit dem befristeten Anerkenntnisse für den abgeschlossenen Zeitraum eine Änderungsmitteilung enthalten sein kann. Ob diese den formellen Anforderungen genügt, muss im Einzelfall geprüft werden.  



Praxistipp:

Sollte der Berufsunfähigkeitsversicherer die Leistung für einen befristeten Zeitraum anerkannt haben, sollten Sie als Erstes anhand der Versicherungsbedingungen überprüfen, ob der Versicherer überhaupt ein befristetes Anerkenntnis abgeben durfte. Sollte dies für den Berufsunfähigkeitsversicherer in den Bedingungen zulässig sein, sollte überprüft werden, ob das Anerkenntnis für eine abgeschlossenen Zeitraum abgegeben wurde. In diesem Fall haben Sie einen weiteren Anspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Diese Anspruch besteht auch uneingeschränkt fort, wenn mit dem Anerkenntnis keine wirksame Änderungsmitteilung verbunden war.



Bei Fragen rund um die Berufsunfähigkeitsversicherung stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Versicherungsrecht gern zur Verfügung. Zögern Sie nicht und vereinbaren Sie ein Erstgespräch, welches für Sie selbstverständlich kostenfrei ist.     



*In dem folgenden Text wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich auf alle Personen gleich welchen Geschlechts.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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