Beurteilungen im Beamtenrecht und Eignungsprognose

  • 3 Minuten Lesezeit

Dienstliche Beurteilungen spielen in der Praxis eine erhebliche Rolle weil sie einerseits Grundlage für Stellenbesetzungen/Beförderungen sind. Andererseits haben die Beurteiler einen durchaus großen Handlungsspielraum, der aber nicht grenzenlos ist. Dies zeigt sich immer wieder in den einzelnen Gerichtsentscheidungen.

Mit seinem neuen Urteil vom 07.04.2022 (1 B 3026/20) hat der Verwaltungsgerichtshof Hessen entschieden, dass eine ordnungsgemäße dienstliche Beurteilung eine Eignungsprognose beinhalten muss.

Im zugrundeliegenden Fall ging der Antragssteller gegen eine beabsichtigte Beförderung des Beigeladenen des Antragsgegners vor.

Sowohl Antragsteller als auch Beigeladener arbeiten für das Land Hessen. Die ausgestellte Beurteilung des Antragstellers erhielt 11 von 13 möglichen Punkten, wohingegen die des Beigeladenen 12 erreichte. Das Auswahlverfahren wurde zugunsten des Beigeladenen entschieden, wogegen der Antragsteller rechtlichen Schutz begehrte.

Laut dem vorgehenden Verwaltungsgericht bestehe zwischen den Konkurrenten ein annähernder Gleichstand. Aus diesem Grund sei die auswählende Stelle nicht berechtigt gewesen, den Beigeladenen ohne Ausschärfung auszuwählen.

Hier seien seien die Punktzahlen der Bewerber beide in derselben Bewertungsstufe, sodass ein Gleichstand bestehe. Darüber hinaus fehle es der Gesamtbeurteilung des Antragstellers an einer Eignungsprognose für die angestrebte Stelle. Seine Beurteilung beziehe sich lediglich auf sein bisher ausgeübtes Amt.

Der Antragsgegner erhob dagegen Beschwerde. Diese wurde nun vom Hessischen VGH als unbegründet zurückgewiesen.

Gemäß der Bestenauslese nach Art. 33 II GG muss die Möglichkeit bestehen, dass der Antragsteller bei nicht fehlerhafter Durchführung des Auswahlverfahrens erwählt worden wäre.

Für die fehlerfreie Durchführung des Auswahlverfahrens müssen unter anderem die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber ausreichend aktuell und vergleichbar sein. Entsteht nun bei einem solchen Qualifikationsvergleich ein Gleichstand, muss auf das Gesamturteil sowie die Ausschärfung eingegangen werden. Diese sollen dazu führen, dass das Ermessen des Dienstherrn „weitere Erkenntnisquellen“ liefert, die  zur Bestenauslese führen. Erst nachdem auch in diesen Punkten ein Gleichstand entstanden ist, darf der Dienstherr weiterführende Hilfskriterien heranziehen.

Entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass ein ungefährer Gleichstand der Bewerber nicht bestanden habe. Somit durfte die auswählende Stelle sich ohne näheres Eingehen auf die Ausschärfung für den Beigeladenen entscheiden.

Wann dienstliche Beurteilungen als „im Wesentlichen gleich“ angesehen dürfen, sei vom Einzelfall – insbesondere „von den jeweiligen Beurteilungsvorgaben und deren Handhabung in der Verwaltungspraxis“ – abhängig. Der auswählenden Stelle komme dabei ein Beurteilungsspielraum zu. Mit der Entscheidung die Beurteilungen als nicht „im Wesentlichen gleich“ anzusehen, habe sie diesen Spielraum eingehalten.

Denn sie habe nicht aufgrund der Beurteilungsrichtlinien von einem qualifikatorischen Gleichstand ausgehen müssen. Selbst wenn beide Beurteilungen die Bewertungsstufe IV erreichen, habe „der Dienstherr nicht verbindlich festgelegt, Beurteilungen derselben Bewertungsstufe – unabhängig von der Gesamtpunktzahl – als „im Wesentlichen gleich“ anzusehen.“ Für einen solchen Fall müsse den Richtlinien entnommen werden können, dass nur die Bewertungsstufe, nicht aber die Punktzahl relevant für den Gleichstand sei. Dies sei allerdings nicht gegeben. Im Gegenteil schrieben die Richtlinien der Gesamtpunktzahl eine hohe Relevanz zu.

Somit sei nachvollziehbar, dass die auswählende Stelle sich für den Bewerber mit einer höheren Punktzahl entschieden habe.

Dennoch war das Auswahlverfahren fehlerhaft, da es den vorgelegten dienstlichen Beurteilungen  an Eignungsprognosen, welche die Geeignetheit der Bewerber für das angestrebte Amt beinhalten, fehle.

Wird eine Beurteilung für die Bewerbung auf ein bestimmtes Amt erstellt, sei § 40 II S.2 HLVO so auszulegen, dass die Beurteilung „eine Aussage zur Eignung für das angestrebte Amt enthalten muss“; eine Eignungsprognose über Eignung, Befähigung und Leistung sei somit unumgänglich.

Sowohl die Beurteilung des Antragstellers als auch des Beigeladenen enthalten jedoch keine Eignungsprognosen für das angestrebte Amt, sodass sie nicht als Grundlage für die Auswahlentscheidung herangezogen dürfen.

Somit bestehe die Möglichkeit, dass ein Auswahlverfahren mit fehlerfreien Beurteilungen zugunsten des Antragstellers ausfallen könne.

Foto(s): Janus Galka

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dipl. Verwaltungswirt (FH), Janus Galka LL.M. Eur.

Beiträge zum Thema