Coaching-Vertrag kündigen? - Neues Urteil ermöglicht Ausstieg aus fast allen Verträgen ohne Kündigung

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Coaching Verträge vor allem im Verkauf und der Persönlichkeitsentwicklung haben durchaus ihre Daseinsberechtigung und sind Geschmackssache. Von Verkaufsprofis oder Persönlichkeitscoaches erfährt man, wie man seine Umsätze im Verkauf steigern kann oder seine generelle Lebenseinstellung verbessert. Wie in jeder Branche gibt es aber auch  manchmal Anbieter, die für den vereinbarten Preis nicht das halten, was sie versprechen. Falls es mal so sein sollte, gibt es nach einer neuen obergerichtlichen Entscheidung eventuell einen Ausweg, wenn der Kurs ausschließlich online erfolgte. Lesen Sie hier, worum es geht.

1. Entscheidung eines Oberlandesgerichtes ermöglicht Exit aus Coaching-Verträgen 

Eine Entscheidung eines Oberlandesgerichtes aus diesem Jahr ermöglicht es, aus fast allen Coaching-Verträgen, die ausschließlich online stattfinden, auszusteigen. Hintergrund der Entscheidung ist, dass nach Auffassung des Oberlandesgerichtes aus dem norddeutschen Raum Coaching-Verträge gesetzlichen Vorgaben unterliegen. Wenn diese nicht eingehalten sind, dann hat dies nach Auffassung des Oberlandesgerichte die Nichtigkeit des entsprechenden Vertrages zur Folge. 

Bei der Nichtigkeit eines Vertrages handelt es sich um eines der schärfsten Schwerter des Deutschen Zivilrechtes. Die Rechtsfolge einer solchen Feststellung ist, dass damit gesetzlich bestimmt grundsätzlich keinerlei Rechtsfolgen aus dem Vertrag hergeleitet werden können. Dies betrifft sowohl die Pflicht zur Leistungserbringung des Coaches - die Coaching-Dienstleistung - als auch die Pflicht zur Gegenleistung des Kunden - die Bezahlung. Es geht sogar soweit, dass im Grunde geleistete Zahlungen grundsätzlich zurückverlangt werden können. 

2. Entscheidungsgegenstand - Online-Coaching mit monatlicher Zahlung 

In dem Verfahren ging es um die Vergütung, die ein Coaching-Anbieter aufgrund eines geschlossenen Coaching-Vertrages geltend machte. Die Vergütung war im unteren vierstelligen EUR-Bereich monatlich zu zahlen und der Vertrag hatte neben einer persönlichen Unterstützung durch verschiedene Formen des Coachings auch weitere Dienstleistungen wie Unterstützung bei der Positionierung und der Generierung von sog. Leadquellen zum Gegenstand. 

Aus verschiedenen Gründen war diejenige, die den Coaching-Vertrag abgeschlossen hatte, offensichtlich mit den Leistungen nicht zufrieden, denn sie hat mit anwaltlicher Hilfe den Vertrag außergerichtlich widerrufen und die Anfechtung des Vertrages sowie die Kündigung erklärt. Daraufhin verklagte der Anbieter den die Vertragspartnerin auf Zahlung der Gebühren. 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, dass der Vertrag sittenwidrig sei, da der Preis für die angebotene Leistung das in diesem Bereich "marktübliche" um etwa das Zehnfache übersteige. Im Grunde würden solche Leistungen auch von Fernuniversitäten und Anbietern von Fernkursen zu rund einem Zehntel des vereinbarten Betrages angeboten. 

Hiergegen wandte sich der Coaching-Anbieter und argumentierte im Wesentlichen damit, dass Preise von mehreren hundert EUR pro Stunde nicht unüblich seien und das das Ausgangsgericht ohne eigene Sachkunde zur Frage der angeblich überhöhten Kosten entschieden habe. 

Das Oberlandesgericht hat sich mit dieser Frage im Ergebnis gar nicht beschäftigt, denn es meinte, dass für diese Form des Coachings gesetzliche Vorgaben in Form einer notwendigen Erlaubnis durch das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (FernUSG) existieren. Diese Erlaubnis habe die Klägerin nicht, sodass als Rechtsfolge der gesamte Vertrag als nichtig einzustufen wäre. Das besondere an dem Fall war, dass das Oberlandesgericht diese Frage bejaht hat, ohne eine Unterscheidung zwischen Verbrauchern einerseits und Unternehmern andererseits zu machen. Dies gelte - so die Auffassung des Oberlandesgerichtes - für beide gleichermaßen. 

Die Revision wurde vom Oberlandesgericht nicht zugelassen. Die Klägern kann jedoch gegen diese Entscheidung eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof innerhalb eines Monats ab Zustellung der Entscheidung einlegen. 

3. Warum ist die Entscheidung so besonders und um welche Formen des Coaching geht es? 

Die Entscheidung ist aus bemerkenswert: Die Tatsache, dass es sich bei Coachimg-Verträgen unter bestimmten Voraussetzungen um Fernunterricht handeln kann, hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2009 entschieden. Dann aber nimmt das Oberlandesgericht nach einer allerdings sorgfältigen Abwägung der Argumente an, dass dieser Schutz durch das FernUSG auch für Unternehmer gelte. Weil dies eben so ist, könne im Ergebnis die Verbrauchereigenschaft, die in diesen Verfahren zur Begründung des Widerrufsrechtes herangezogen wird, dahin stehen. 

Diese Entscheidung konsequent übertragen bedeutet, dass nahezu jeder Coaching-Vertrag eines Anbieters ohne entsprechende Erlaubnis nichtig wäre. Des einen Freud ist des anderen Leid: Auf der einen Seite kann ein unzufriedener Kunde letztlich damit versuchen, sich seiner Zahlungspflicht zu entziehen. Ob dieser Entscheidung andere Obergerichte im Hinblick auf die Anwendbarkeit auf Unternehmer folgen werden, bliebt abzuwarten. Wenn andere Gerichte dem folgen, dann dürfte dies in der Branche für erhebliche Unruhe sorgen, dann im Grunde könnte dann jeder Kunde versuchen, aus dem Vertrag auszusteigen und seine bereits gezahlten Gebühren zurückzuverlangen.

4. Praxistipp: Zufriedene Kunden reduzieren das Risiko 

Das beste Mittel eines Anbieters von Coaching-Dienstleistungen ist eine angemessene Preis-Leistungs-Struktur und ein zufriedener Kunde. Daher ist zumindest zu erwarten, dass weniger seriöse Anbieter von Coaching-Dienstleistungen wohl eher Probleme bekommen könnten. Ein zufriedener Kunde, der im Ergebnis das bekommt, was er gebucht hat und der damit auch Erfolg hat, wird kaum darüber nachdenken, einen solchen Weg zu gehen. Sollte es mal zu Unstimmigkeiten kommen, sollte man als Anbieter die Sorgen des Kunden aber ernst nehmen und versuchen, eine Lösung zu erarbeiten. 

5. Exit als letzte Option 

In den Fällen, in denen eine solche Lösung gemeinsam mit dem Coaching-Anbieter nicht mehr möglich ist, können Kunden von solchen Anbietern aber auf dieses Urteil zurückgreifen. Neben den bisher standartmäßig vorgebrachten Argumenten gegen den Zahlungsanspruch haben die Kunden nun ein weiteres Argument, um eine vermeintlich aussichtslose Situation durch mit dem Anbieter außergerichtlich zu lösen und - wenn dies nicht möglich sein sollte - in letzter Konsequenz - gerichtlich vorzugehen. 

Wenn Sie als Kunde eines Coaching-Vertrages wissen möchten, welche Optionen es für Sie gibt und ob Ihr Vertrag unter diese neue Rechtsprechung eingeordnet werden kann bzw. mit dem Fall vergleichbar ist, können Sie mich gern ansprechen. Sie können mich über das unten stehende Kontaktformular kontaktieren, Sie können mich anrufen oder Sie schreiben mir eine mail an marc.gericke@gericke-recht.de . Eine Erstbewertung ist kostenlos und dient der Abklärung einer weiteren, möglichen Vorgehensweise. 




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