Coronavirus: Arbeitsrechtliche Auswirkungen

  • 6 Minuten Lesezeit

Aus gegebenem Anlass wollen wir im Folgenden einige aktuelle arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus beantworten.

Gefahrenabwehr

Gibt es im Unternehmen keinen Fall einer infizierten Person, ändert sich am täglichen Arbeitsablauf nichts. Es gibt mithin keinen Grund, den Betrieb zu schließen und die Mitarbeiter vorsorglich nach Hause zu schicken. Auch die Mitarbeiter sind nicht von ihrer Arbeitspflicht befreit, sie müssen zur Arbeit erscheinen. Ein allgemeines Recht des Arbeitnehmers, bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie COVID-19 der Arbeit fernzubleiben, gibt es nicht. Für das Eingreifen eines Leistungsverweigerungsrechts wäre es erforderlich, dass ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit ist z. B. dann gegeben, wenn die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Das bloße Husten von Kollegen ohne weiteren objektiv begründeten Verdacht oder Anhaltspunkte für eine Gefahr wird dafür wohl nicht ausreichen. Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall zur Arbeit erscheinen, ein Leistungsverweigerungsrecht steht ihm nicht zu.

Der Arbeitgeber hat nach Arbeitsschutzgesetz grundsätzlich die Verpflichtung, die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit für seine Beschäftigten am Arbeitsplatz zu beurteilen (sog. Gefährdungsbeurteilung) und Maßnahmen hieraus abzuleiten.

Darüber hinaus trifft den Arbeitgeber grundsätzlich eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern. Folgende Vorsichtsmaßnahmen sollten daher ergriffen werden:

Der Arbeitgeber sollte sich möglichst auf dem Laufenden halten, z. B. die Informationen des Robert-Koch-Instituts verfolgen. Sollte es wichtige aktuelle Meldungen geben, müssen diese an die Mitarbeiter weitergeben werden. Die Arbeitnehmer sollten über die Entstehung und Symptome der Infektion aufgeklärt werden.

Bei Dienstreisen sollten die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes beachtet werden. Dienstreisen in gefährdete Gegenden sollten abgesagt oder verschoben werden. Den Mitarbeitern müsste davon abgeraten werden, Privatreisen in solche Gebiete zu unternehmen.

Auch müsste den Arbeitnehmern aufgegeben werden, dem Arbeitgeber mitzuteilen, wenn sie innerhalb der letzten 14 Tage Kontakt hatten mit infizierten Personen oder Personen, die mit infizierten Personen in Kontakt waren oder entgegen den Warnungen in einer gefährdeten Gegend waren.

Als weitere Vorsichtsmaßnahme sollten im Betrieb verschärfte Hygienemaßnahmen eingeführt werden. Als da wären

- Mitarbeiter zum häufigen, gründlichen Händewaschen animieren,

- Desinfektionsmittel in Toiletten und Büro-/Arbeitsräumen bereitstellen,

- körperlichen Kontakt zu Mitarbeitern untersagen, z. B. keine Begrüßung per Handschlag.

Inwieweit Mund- und Nasenschutz genutzt werden muss, ist medizinisch umstritten. Der Arbeitgeber wird solche deshalb nur in besonderen Fällen, wie beispielsweise bei medizinischem Personal, zur Verfügung stellen müssen.

Abwesenheit Arbeitnehmer wegen Kinderbetreuung

Welche Rechte haben Arbeitnehmer, wenn Kitas, Kindergarten und Schulen wegen Corona geschlossen haben?

Die Kinderbetreuung ist Sache des Arbeitnehmers, die in Absprache mit dem Arbeitgeber zu Hause zu gewährleisten ist.

Ist bei der Schließung der Kita/Schule unter Berücksichtigung des Alters der Kinder eine Betreuung erforderlich, so müssen die Eltern zunächst alles Zumutbare unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen (z. B. Betreuung des Kindes durch Großeltern, anderes Elternteil). Kann die erforderliche Kinderbetreuung auch dann nicht sichergestellt werden, dürfte in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen. Die Leistungserfüllung dürfte unzumutbar sein (§ 275 Abs. 3 BGB), der Arbeitnehmer wird von der Pflicht der Arbeitsleistung frei; es ist dann nicht zwingend erforderlich, Urlaub zu nehmen.

Zu beachten ist jedoch, dass bei einem Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus persönlichen Verhinderungsgründen nur unter engen Voraussetzungen ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bestehen kann. Ein solcher Entgeltanspruch kann sich aus § 616 BGB für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ergeben. § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz entnimmt die herrschende Meinung, dass ein Zeitraum von fünf bis zu zehn Tagen als eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Sinne des § 616 Satz 1 BGB anzusehen ist. Die Vorschrift wird allerdings so verstanden, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur besteht, wenn (und nicht „soweit“) der Arbeitnehmer vorübergehend verhindert ist (vgl. Krause in HWK, 8. Auflage 2018, § 616 BGB, Rn. 37). Wird z. B. die Schließung des Kindergartens sogleich für zwei Wochen erklärt, besteht überhaupt kein Anspruch nach § 616 BGB. Zwar darf der Arbeitnehmer, wenn eine anderweitige Betreuung des Kindes tatsächlich nicht gewährleistet werden kann, auch für einen längeren Zeit-raum der Arbeit fernbleiben, er hat aber dann keinen Anspruch auf weitere Entgeltzahlung.

Zudem kann der Anspruch aus § 616 BGB durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen sein.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten in Fällen einer unklaren Betreuungssituation idealerweise einvernehmliche Lösungen finden, etwa durch Inanspruchnahme von Erholungsurlaub oder dem Abbau von Überstunden (soweit vorhanden). Möglicherweise kommt auch Arbeit im Homeoffice in Betracht.

Nimmt der Arbeitnehmer Urlaub, benötigt er hierzu das Einvernehmen des Arbeitgebers. In diesem Fall erhält der Arbeitnehmer Urlaubsentgelt.

Anordnung von Urlaub

Die einseitige Anordnung von Betriebsurlaub durch den Arbeitgeber ist zwar grundsätzlich möglich, jedoch ist im konkreten Fall fraglich, ob der Urlaub ausreichend rechtzeitig angekündigt wurde. Der Zeitraum ist nicht klar geregelt, in normalen Fällen wird eine Ankündigungsfrist von ca. 6 Monaten angenommen.

Der Betriebsurlaub darf nicht den gesamten Jahresurlaub des Arbeitnehmers umfassen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer älteren Rechtsprechung Betriebsurlaub, der 3/5 des Jahresurlaubs ausmacht, gebilligt. Mindestens zwei Wochen frei verfügbaren Urlaubs sollten übrigbleiben. Betriebsurlaub ist normaler Urlaub. Die Tage werden also auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers angerechnet.

Ob in der besonderen Situation des Coronavirus dringende betriebliche Erfordernisse einen kurzfristig angeordneten Betriebsurlaub rechtfertigen, wurde bislang nicht gerichtlich entschieden. Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte versucht werden, mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Lösung zu erzielen.

Quarantäne

Wenn der Staat Menschen wegen des Coronavirus unter Quarantäne nimmt, gibt es für den Ausfall von Arbeitslohn oder von Umsatz bei Selbständigen eine Entschädigung. Wenn Angestellte wegen Corona-Verdachts in Quarantäne kommen, zahlt der Arbeitgeber das Gehalt weiter. Für diese Gehaltsfortzahlung oder für den Fall, dass infolge der Quarantäne der gesamte Betrieb eingestellt werden muss, erhält der Arbeitgeber eine Entschädigung.

Anspruch auf Entschädigung haben nach dem Infektionsschutzgesetz also sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Voraussetzung für Entschädigungsansprüche ist das Verbot der Erwerbstätigkeit oder die Anordnung von Quarantäne aus infektionsschutzrechtlichen Gründen.

Wie hoch die Entschädigung ausfällt, richtet sich bei Selbstständigen nach ihrem Verdienstausfall. Grundlage ist der Steuerbescheid. Angestellte haben in den ersten sechs Wochen Anspruch auf die Höhe des Nettogehaltes, danach auf Krankengeld.

Kurzarbeit

Wenn aus bestimmten Gründen die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend gekürzt wird, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten. Diese Leistung soll den Verdienstausfall teilweise ausgleichen. Ziel ist es, dass Beschäftigte nicht gekündigt werden, sondern im Betrieb bleiben können.

Unternehmen, die aufgrund der weltweiten Krankheitsfälle durch das Coronavirus Kurzarbeit anordnen und es dadurch bei ihren Beschäftigten zu Entgeltausfällen kommt, können Kurzarbeitergeld beantragen. Wenn man aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie Kurzarbeitergeld beantragen möchte, muss die Kurzarbeit zuvor bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet werden. Die Voraussetzungen für konjunkturelle Kurzarbeit, ein vorübergehender erheblicher Arbeitsausfall, der auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, dürften bei erheblichen Einschränkungen wegen des Coronavirus gegeben sein.

Anordnung von Überstunden

Arbeitnehmer sind grundsätzlich nur dann zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn sich dies aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag ergibt. Es kann jedoch auch eine Nebenpflicht zur Leistung von Überstunden bestehen, wenn durch die geforderten Überstunden ein sonst dem Arbeitgeber drohender Schaden, der auf andere Weise nicht abgewendet werden kann, vermieden wird. Dies könnte auch dann der Fall sein, wenn es beispielsweise aufgrund von Corona-Erkrankungen zu erheblichen Personalausfällen kommt.

Besteht keine arbeits- oder kollektivvertragliche Bestimmung über die Bezahlung der Überstunden, kann der Arbeitnehmer grundsätzlich gem. § 612 BGB die Grundvergütung für die Überstunden verlangen. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden und jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.

Rechtsanwalt Veit J. Rößger

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Rechtsanwälte Zeilinger Rosenschon Fiebig Rößger in Regensburg


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Veit Rößger

Beiträge zum Thema