Cybergrooming Strafbarkeit – Strafverfahren Kindesmissbrauch

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Cybergrooming bezeichnet grundsätzlich das gezielte Ansprechen von Personen im Internet, um einen sexuellen Kontakt anzubahnen. Während der Begriff „Cybergrooming" sich im Englischen auch auf Volljährige bezieht, steht Cybergrooming im deutschen Sprachgebrauch in Beziehung zur Kontaktsuche von älteren Männern zu Kindern.

1. Cybergrooming - Strafbarkeit

Die Begrifflichkeit „Cybergrooming" ist nicht ausdrücklich im Gesetzeswortlaut des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuchs enthalten, welcher die Sexualstraftaten regelt. Gleichwohl stehen Strafverfahren wegen Cybergrooming in der Rechtsanwendungspraxis häufig in Zusammenhang mit § 176 Abs. 4 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) bzw. § 184b StGB (Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie).

Der § 176 Abs. 4 StGB lautet (auszugsweise):

(4) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

  1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt,
  2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach Absatz 1 oder Absatz 2 mit Strafe bedroht ist,
  3. auf ein Kind durch Schriften (§ 11 Abs. 3) einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll, oder
  4. auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt.

Im Rahmen der bundesweiten Strafverteidigung im Sexualstrafrecht muss der Autor immer wieder feststellen, dass häufig Unkenntnis darüber besteht, dass auch die Vornahme von sexuellen Handlungen vor einem Kind - also nicht an einem Kind - den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern gem. § 176 StGB erfüllt. Gleiches gilt für das Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder für das Einwirken mittels entsprechender Reden auf ein Kind. Gerade diese Begehungsmodalitäten kommen häufig im Internet im Zusammenhang mit Cybergrooming vor und sind als Sexualstraftat einzuordnen. Im Rahmen der Sexualstrafverteidigung bei Cybergrooming gängige Beispiele sind etwa die Vornahme von sexuellen Handlungen des Beschuldigten mittels Webcam bei gleichzeitiger Beobachtung durch ein Kind, das Auffordern des Gegenübers, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen, die Darstellung sexueller Phantasien im Chatverkehr gegenüber Kindern sowie die Versendung oder Anforderung von entsprechenden Bildern oder Videos beim kindlichen Gegenüber.

Gerade in letztgenannten Fallkonstellationen kommt auch eine Strafbarkeit gem. § 184b StGB in Betracht.

Die Vorschrift lautet hier (auszugsweise):

(1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern (§ 176 Abs. 1) zum Gegenstand haben (kinderpornographische Schriften),

  1. verbreitet,
  2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder
  3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und die kinderpornographischen Schriften ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(4) Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.

2. Cybergrooming - weitere Konsequenzen

Die Strafverteidigung im Sexualstrafrecht nimmt nach Auffassung des Autors, der in diesem Bereich bundesweit verteidigt, auch innerhalb des strafrechtlichen Gefüges eine Sonderstellung ein. Neben den eigentlichen strafrechtlichen Konsequenzen drohen häufig auch Auswirkungen im familiären bzw. im sozialen Bereich. Alleine der Tatvorwurf für sich genommen - wohlgemerkt unabhängig davon, ob zutreffend erhoben oder nicht - hat eine stigmatisierende Wirkung.

Es treten neben die eigentlichen strafrechtlichen Konsequenzen: Lange Löschungsfristen im Bundeszentralregister, teilweise Einreiseverbote für gewisse Staaten sowie die Gefahr eines Berufsverbots.

3. Cybergrooming - Einleitung des Strafverfahrens?

Strafverfahren wegen Cybergrooming bzw. des Tatvorwurfs Sexueller Missbrauch von Kindern gem. § 176 StGB bzw. Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie gem. § 184b StGB können auf die unterschiedlichste Art und Weise eingeleitet werden. Neben der gezielten Erstattung von Strafanzeigen durch die betroffenen Kinder oder deren Eltern, werden die Strafverfahren häufig auch durch Anzeigen von Forenbetreibern bzw. den Verantwortlichen eines Chat-Programms ausgelöst.

Mittlerweile finden auch sogenannte anlassunabhängige Recherchen durch Landeskriminalämter statt. Hierbei geben sich teilweise verdeckt ermittelnde Polizeibeamte als angebliche Kinder aus und warten, bis sie von erwachsenen Usern angesprochen und in eine sexualbezogene Kommunikation verwickelt werden. Diese Ermittlungen laufen größtenteils mit erheblichem organisatorischem Aufwand ab, um entsprechend beweisverwertbare Ergebnisse zu erlangen.

4. Cybergrooming - Strafverteidigung

In der Regel erfährt der Beschuldigte eines Strafverfahrens wegen „Cybergrooming" bzw. „Sexueller Missbrauch von Kindern durch das Internet" bzw. „Sexueller Missbrauch von Kindern durch Einwirken mittels Schriften" bzw. „Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie" erstmals im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme, bei welcher Computer, externe Festplatten sowie Speichermedien beschlagnahmt werden davon, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt wird.

Regelmäßig wird der Strafverteidiger umfassende Akteneinsicht beantragen, womit zunächst die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit im Hinblick auf die bereits getroffenen strafprozessualen Maßnahmen vorgenommen werden kann. Durch die Akteneinsicht erhält der Strafverteidiger auch Kenntnis von dem Auswertebericht bzw. der vollständigen Beweislage.

Bei entsprechender Fachkenntnis steht dem Strafverteidiger im Sexualstrafrecht ein umfassendes Instrumentarien an strafprozessualen Möglichkeiten zur Verfügung, um eine effektive Strafverteidigung zu gestalten. Absolute Diskretion ist hierbei Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Verfahrensgestaltung.

Sofern der Tatvorwurf unzutreffend erhoben wurde besteht die Zielsetzung im Rahmen der Strafverteidigung darin, bereits im Ermittlungsverfahren (und ohne öffentliche Hauptverhandlung) eine Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts zu erreichen.

Sollte der Tatvorwurf zutreffend erhoben worden sein, liegt das Bestreben häufig in „Schadensbegrenzung". Bei entsprechender Verteidigungstaktik und Verteidigungsstrategie sind im Sexualstrafrecht auch in schwierigen und schwierigsten Fallkonstellationen zufriedenstellende Ergebnisse zu erreichen. Umgekehrt kann die Wahl des falschen Verteidigungsmittels geradezu katastrophale Konsequenzen verursachen.

Fachkenntnis und Erfahrung im Umgang mit solchen Strafverfahren sind daher der Schlüssel für eine effektive Strafverteidigung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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