Das Adhäsionsverfahren: Geltendmachung von Schadensersatz im Strafverfahren gegen den Verursacher

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Wer nach einem tätlichen Angriff oder auf andere strafbare Weise verletzt wurde, kann gegen den Täter Ersatz von Schmerzensgeld und sonstigen Schadenspositionen verlangen. Häufig geschieht dies auf direktem zivilrechtlichen Weg, indem das Opfer selbst oder mit anwaltlicher Hilfe zunächst den Peiniger anschreibt und zum Schadensersatz auffordert. Notwendigenfalls folgt dem eine Klage vor dem Zivilgericht, wenn die außergerichtlichen Bemühungen nicht erfolgreich verlaufen sind.

Dabei gibt es mit dem sogenannten Adhäsionsverfahren einen „eleganteren“ Weg, um seine Ansprüche auf Schadensersatz gerichtlich feststellen zu lassen: Das Opfer kann sich dem Strafverfahren gegen den Täter anschließen und zusätzlich einen gesonderten Antrag stellen, mit dem die geforderten Ersatzansprüche geltend gemacht werden.


I.) Verfahrensablauf

Da dieser Antrag etwa den Anforderungen an eine zivilgerichtliche Klageschrift gerecht werden muss (§ 404 Abs.1 StPO), ist es in der Regel dringend zu empfehlen, einen kompetenten Anwalt hiermit zu beauftragen.

Im Falle einer Verurteilung des Angeklagten wegen der ihm vorgeworfenen Tat(en) ergeht zugleich auch ein Urteil über die geltend gemachten Schadensersatzansprüche. Wünschenswert ist, dass direkt ein vom Angeklagten zu zahlender Betrag ausgeurteilt wird (§ 406 Abs.1 S.1 StPO). Möglich ist aber auch, dass nur ein sogenanntes Grundurteil ergeht, mit dem die Verpflichtung des Angeklagten zur grundsätzlichen Schadensersatzzahlung ausgesprochen wird, bei dem aber die Höhe der zu tätigenden Zahlung noch offen bleibt, beispielsweise, weil noch nicht hinreichende Informationen über den Heilbehandlungsverlauf des Opfers bekannt sind (§ 406 Abs.1 S.2 StPO).

Denkbar ist daneben gleichermaßen, dass sich Täter und Opfer im Adhäsionsverfahren durch Vergleich einvernehmlich verständigen (§ 405 StPO). Die Chancen eben hierauf stehen oft relativ gut, offenbart sich doch mit einer solchen gütlichen Einigung ein Argument für die Verteidigung des Angeklagten, dass dieser Bereitschaft zeigte, seine Tat finanziell wiedergutzumachen.

Mit derartigen Vollstreckungstiteln (Urteil oder gerichtlich protokollierter Vergleich) kann notfalls die gerichtliche Zwangsvollstreckung in die Wege geleitet werden, sofern der Angeklagte seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen sollte (§ 406b StPO).

Ein solches Adhäsionsverfahren kann im Zusammenhang mit einem ebenfalls beantragten Nebenklagebeitritt stehen, was bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch anzuraten ist, es kann aber auch isoliert durchgeführt werden.

Das Verfahren ist allerdings nur gegen erwachsene Täter zu führen. Gegen einen zur Tatzeit Jugendlichen (14 bis einschließlich 17 Jahre) ist es über § 81 JGG ausgeschlossen.


II.) Vor- und Nachteile

Der entscheidende Vorteil dieses Verfahrens, welches noch immer in der Praxis ein Schattendasein fristet und zum Teil gar unbekannt ist, liegt freilich darin, dass nicht erst auf den Ausgang des Strafverfahrens gewartet und im Anschluss daran noch ein Zivilprozess geführt werden muss, was in Anbetracht der Überlastung der Gerichte ein sehr langwieriges Unterfangen sein kann.

Neben diesem zeitlichen Vorteil ist freilich auch die psychische Belastung des Opfers deutlich reduziert, schließlich muss dieses nicht immer und immer wieder an die oft traumatisierenden Ereignisse denken und dazu mehrfach aussagen. Vor allem Opfern von Gewalt- und Sexualdelikten ist diese Vorgehensweise zur Vermeidung einer sogenannten „zweiten Opfer-Werdung“ (Sekundär-Viktimisierung) zu empfehlen. Unseres Erachtens handelt es sich gerade deswegen bei dem Adhäsionsverfahren um ein ganz wesentliches Instrument des gerichtlichen Opferschutzes.

Als möglicher Nachteil ist zu erwägen, dass manche „eingefleischte Strafrichter“ im Umgang mit Schmerzensgeldforderungen etwas weniger erfahren sein mögen als ihre Kollegen aus den Zivilgerichten. Mit entsprechend sorgfältiger Vorbereitung durch den Rechtsanwalt des Opfers und insbesondere die Angabe vergleichbarer Urteile anderer Gerichte, auf die sich die Forderungen stützen, sollte diese Überlegung in der Regel aber kein Hinderungsgrund sein. Im Gegenteil konnten wir schon manches Mal feststellen, dass vor dem Strafgericht Beträge zugesprochen wurden, die vor dem Zivilgericht mutmaßlich eher nicht durchsetzbar gewesen wären.

Ebenfalls muss dem Opfer, dem es häufig mehr um Gerechtigkeit und eine angemessene Bestrafung, denn um das Geld geht, vergegenwärtigt werden, dass ernsthafte Bemühungen des Täters um einen Schadensausgleich im Wege eines Vergleiches selbst dann vom Gericht zu würdigen sind und zu einer Strafmilderung führen können, wenn man am Ende keine gemeinsame Basis finden kann.


III.) Risiko und Kosten

Gänzlich ohne Risiko ist ein Adhäsionsverfahren für das Opfer nicht. Ebenso, wie auch bei einer Zivilklage, kann es zur (anteiligen) Kostenauferlegung kommen, sofern die Forderungen nicht oder zumindest nicht in der vorgestellten Höhe vom Gericht zugesprochen werden. Auch zur Eingrenzung dieses Kostenrisikos ist von einer selbstständigen Antragstellung ohne Anwaltshilfe mit Entschiedenheit abzuraten, nachdem ein juristischer Laie in der Regel nicht in der Lage sein wird, das ihm zustehende Schmerzensgeld hinreichend sicher zu bemessen.

Die Kosten für ein derartiges Verfahren werden oftmals von Rechtschutzversicherern getragen. Dadurch wird das Eigen-Risiko des Antragstellers minimiert und beschränkt sich in der Regel auf eine etwaige Selbstbeteiligung.

Bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen und hinreichenden Erfolgsaussichten gibt es die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe (§ 404 Abs.5 StPO).


IV.) Fazit

Es spricht nach alldem Vieles für die Durchführung eines Adhäsionsverfahrens, wenn ein Opfer Geldersatz für den ihm entstandenen immateriellen oder materiellen Schaden, also Schmerzensgeld und Sachschäden, haben möchte. Allerdings ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit stets im jeweiligen Einzelfall vom Rechtsanwalt des Opfers zu prüfen.

Gegebenenfalls macht es Sinn, die Antragstellung bereits im Ermittlungsverfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft anzukündigen, damit kein Strafbefehlsverfahren durchgeführt wird, weil sonst die Geltendmachung der Opferansprüche im Wege eines Adhäsionsverfahrens verschlossen wäre - es sei denn, der Angeschuldigte legt Einspruch gegen den Strafbefehl ein und es wird hierüber vor Gericht verhandelt.

Alternativ wird der Anwalt über die anderen Wege zur Geltendmachung von Schadensersatz sorgfältig beraten.


Dr. Sven Hufnagel

Dr. Sven Hufnagel und Claudia Hufnagel haben als Rechtsanwälte an den Gerichten in Aschaffenburg und sonstigen Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland bereits zahlreiche Schadensersatzforderungen für Verletzte im strafgerichtlichen Adhäsionsverfahren durchgesetzt und vertreten die Opfer – falls gewünscht und gesetzlich möglich – zugleich als Nebenkläger im Strafverfahren gegen ihre Peiniger. 

Weitere Informationen dazu, wie auch zu sonstigen Aspekten des Opferrechts finden Sie auf unserer Kanzlei-Homepage unter www.anwalt-strafrecht.com.



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