Das neue niedersächsische Polizeigesetz – massive Einschränkung der Freiheitsrechte?

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Anfang Mai 2018 legten die Fraktionen von CDU und SPD im niedersächsischen Landtag einen Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung – umgangssprachlich vor allem auch als Polizeigesetz bezeichnet – vor. Dabei wurde der ursprüngliche Gesetzesentwurf aus dem Januar dieses Jahres noch einmal überarbeitet und einige Änderungen angefügt. Zentrales Anliegen des Reformgesetzes soll es sein, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu erweitern und somit einer terroristischen Gefährdung effektiver entgegenwirken zu können. Die Änderungen umfassen unter anderem die Überwachung des Online-Verkehrs, die Festsetzung mutmaßlicher terroristischer Gefährder im sogenannten Durchsetzungs- und Präventivgewahrsam, die Wohnraumüberwachung und die Anordnung einer Fußfessel ohne richterliche Entscheidung. Verabschiedet werden soll das Gesetz im November 2018.

Die wohl massivsten geplanten Änderungen lesen Sie nachfolgend:

Elektronische Aufenthaltsüberwachung - § 17 c NPOG-E

Nach dem neuen § 17c NPOG-E soll die Polizei eine Person dazu verpflichten können, eine elektronische Fußfessel zu tragen, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass diese Person innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine terroristische Straftat oder eine schwere organisierte Gewaltstraftat begehen wird oder das Verhalten dieser Person die Annahme eines solchen Verdachts begründet.

Barbara Thiel, Datenschutzbeauftragte für Niedersachsen, sieht durch die Anordnung zum Tragen einer elektronischen Fußfessel die Freiheitsrechte der Betroffenen bedroht. Sie habe den Eindruck, „dass alle verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Stärkung der inneren Sicherheit auf Biegen und Brechen ausgeschöpft werden sollen, ohne dabei die Freiheitsrechte angemessen zu berücksichtigen“. Darüber hinaus sieht sie nicht genügend Anhaltspunkte für entsprechende Überwachungsmaßnahmen. Wenn Personen auf einen bloßen Verdacht hin dazu verpflichtet werden könnten, eine elektronische Fußfessel tragen zu müssen, ohne dass handfeste Beweise für die konkrete Gefahr einer terroristischen Straftat vorlägen, dann sind die Freiheitsrechte der Bürger zweifelsohne zu stark eingeschränkt. Zwingend erforderlich dürfte daher eine Einschränkung des Wirkungskreises der Norm sein, um einen Missbrauch der Befugnisse wirksam eindämmen zu können.

Gewahrsam - § 18 I Nr. 3 NPOG-E

Weiter könnten die Verwaltungsbehörden und die Polizei nach dem neuen § 18 Abs. 1 Nr. 3 NPOG-E eine Person bis zu 74 Tage in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist, um Anordnungen wie etwa Platzverweise, Aufenthaltsverbote, Meldeauflagen oder Kontaktverbote durchzusetzen.

In Expertenkreisen stößt diese Regelung auf harsche Kritik. So sei nicht ersichtlich, wie eine solch drastische Erhöhung zustande komme. Vielmehr mache es den Anschein, als sei die Zahl 74 geradezu willkürlich gewählt worden. Festzuhalten bleibt, dass grundsätzlich die Möglichkeit einer Ingewahrsamsnahme von verdächtigten Person zwar zwingend notwendig ist, um eine Durchsetzung von entsprechenden Anordnungen und Verpflichtungen gewährleisten zu können. Jedoch erscheint die Erhöhung von 10 auf 74 Tage eher zufällig, auch die diesbezüglich Begründung ist nur unzureichend und kann deshalb nicht überzeugen.

Verdeckter Eingriff in informationstechnische Systeme - § 33 d NPOG-E

Zusätzlich soll die Polizei nach dem neuen § 33 d NPOG-E mittels eines sogenannten „Trojaners“ auf dem Computer einer verdächtigten Person Daten erheben können, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person vorliegt. Eine solche Maßnahme soll auch zulässig sein, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine Schädigung der genannten Rechtsgüter eintritt oder das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer solchen Schädigung begründet.

Auf wenig Gegenliebe stößt dieses Vorhaben bei der Opposition: So merkt der Grünen-Abgeordnete Belit Onay an, dass das Problem der Ermittler in der Vergangenheit nicht der Mangel an Daten gewesen sei, sondern das Ziehen der richtigen Schlüsse aus dem vorhandenen Material. „Mit dem neuen Polizeigesetz werden die Bürgerrechte verramscht.“, so Onay. Auch auf Seiten der FDP regt sich Unverständnis. So führt der Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen an, dass eine mangelnde Kommunikation und ein mangelnder Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden ein wesentlich gravierenderes Problem darstelle, als fehlende Datenerhebungsmöglichkeiten.

Es kann bei verständiger Betrachtung kein Zweifel daran bestehen, dass die Datenerhebung bei verdächtigen Personen eine ungemein drastische Maßnahme darstellt, mit der man Gefahr läuft, die Privatsphäre unschuldiger Personen bei Missbrauch der Befugnisse massiv zu beeinträchtigen. Um dies zu vermeiden, wäre eine Konkretisierung der Voraussetzungen für eine solche Maßnahme wünschenswert und notwendig. Andernfalls sind völlig unbescholtene Bürger der permanenten Gefahr ausgesetzt, Opfer von Datenmissbräuchen zu werden.

Fazit

Spätestens seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche am 19.12.2016, als Anis Amri einen Sattelzug in eine Menschenmenge steuerte, ist der Terror auch in Deutschland spürbar angekommen. Um dieser Gefährdung wirksam entgegenwirken zu können, werden die Polizeigesetze der Länder verschärft und die Befugnisse der Ordnungsbehörden erweitert. Dies ist auf den ersten Blick begrüßenswert und nachvollziehbar. Jedoch müssen die Gesetze so ausgestaltet werden, dass die Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten sowie ein Missbrauch der Befugnisse ausgeschlossen sind. Es stellt sich weiterhin die Frage, wie weit ein Staat überhaupt gehen darf, um eine umfassende innere Sicherheit gewährleisten zu können, ohne dabei Gefahr zu laufen, zu einem reinen Überwachungsstaat zu mutieren. Erforderlich ist vor allem eine Konkretisierung der gesetzlichen Tatbestände, um jeglichen Missbrauch von Befugnissen ausschließen zu können. Mit einem Schnellschuss der Politik als Reflex auf öffentliche Empörungsstürme ist langfristig niemandem gedient.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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