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Der Grad der Behinderung (GdB) und die davon abhängigen Nachteilsausgleiche

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Grad der Behinderung (GdB)

Der Grad der Behinderung (GdB) ist eine Maßeinheit, um auszudrücken, wie sehr ein Mensch durch körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist. Der GdB sagt folglich nicht unmittelbar etwas über die Erwerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt aus!

Antrag notwendig

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung stellt die zuständige Behörde (z. B. Versorgungsamt o. Amt für Soziales, je nach Bundesland) den GdB fest. Der GdB kann rückwirkend festgestellt werden, wenn ein besonderes Interesse an der rückwirkenden Feststellung besteht, z. B. steuerrechtliche Vorteile.

Schwerbehinderung/Schwerbehindertenausweis

Ab einem GdB von 50 gilt man als schwerbehindert und erhält einen entsprechenden Ausweis. Je nach Höhe des GdB können vielfältige Vorteile bzw. bestimmte Sozialleistungen in Anspruch genommen werden – dazu unten mehr.

„Gleichstellung“ bringt Vorteile im Arbeitsrecht

Menschen mit einem GdB von wenigstens 30 können bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung mit Schwerbehinderten stellen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Ab einem GdB von 30 kann man somit z. B. einen besonderen Kündigungsschutz erlangen oder eine besondere Berücksichtigung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen erreichen.

Ermittlung des Grades der Behinderung

Zu berücksichtigen sind sämtliche Funktionsbeeinträchtigungen, die länger als sechs Monate anhalten. Für jedes beeinträchtigte Funktionssystem des Körpers ist ein sogenannter Einzel-GdB zu bestimmen. Um eine einheitliche Beurteilung zu gewährleisten, wurden „versorgungsmedizinische Grundsätze“ aufgestellt, die sich in Anlage 2 zur Versorgungsmedizinverordnung finden.

Aus sämtlichen Einzel-GdB wird sodann ein Gesamt-GdB gebildet. Es erfolgt allerdings keine einfache Addition der Einzel-GdB, sondern der höchste Einzel-GdB wird für weitere Funktionsbeeinträchtigungen „angemessen“ erhöht, um in der Gesamtschau der Einschränkung bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gerecht zu werden.

Häufig bestehen hier zwischen den ärztlichen Diensten der Behörden und den Menschen mit Behinderung bzw. deren behandelnden Ärzten unterschiedliche Einschätzungen. Hier sollte nicht vorschnell klein beigegeben werden, Rechtsbehelfsverfahren führen häufig zu einem höheren GdB.

Feststellung durch Verwaltungsakt – Rechtsbehelfe

Der Gesamt-GdB wird durch einen Verwaltungsakt bekannt gegeben (die zugrundliegenden Einzel-GdB, die eigentlich mitzuteilen sind, werden durch die Behörde oftmals nicht aufgeführt und sind erst im Rahmen einer Akteneinsicht herauszufinden).

Gegen diesen Verwaltungsakt hat der Betroffene das Rechtsmittel des Widerspruchs, einzulegen innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe bei der erlassenden Behörde. 

Die Beauftragung eines spezialisierten Anwalts, der zunächst fristwahrend Widerspruch einlegt und Einsicht in die Verwaltungsakte nimmt, um den Widerspruch dann fachgerecht mit zielführenden Verweisen auf ärztliche Befunde und die Grundsätze der Versorgungsmedizinverordnung zu begründen, ist ratsam.

Sollte so nicht bereits eine Abhilfe im Widerspruchsverfahren erreicht werden können, kann gegen den Widerspruchsbescheid sodann innerhalb eines Monats Klage zum Sozialgericht erhoben werden. Das Gericht kann in einem solchen Verfahren schließlich einen gerichtlichen, neutralen Sachverständigen bestellen, um medizinische Details auf- und endgültig zu klären.

Nachteilsausgleiche nach dem Grad der Behinderung

Die Angaben sollen lediglich einen groben Überblick verschaffen, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, jedoch ohne Gewähr (Stand März  2021).

ab 20

  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG):  GdB 20 = 384,- €

ab 30/40

  • Gleichstellung mit Schwerbehinderten (s. GdB ab 50), wenn Arbeitsplatz anders nicht erlangt oder behalten werden kann (§ 2 Abs. 3 SGB IX). Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit nötig (§ 151 Abs. 2 SGB IX).
  • verbesserter Kündigungsschutz, wenn gleichgestellt (§ 168 ff SGB IX)
  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG): GdB 30 = 620,- € / GdB 40 = 860,- €

ab 50

  • gesetzlicher Status als "Schwerbehinderte/r“ (§ 2 Abs. 2 SGB IX)
  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG):  GdB 50 = 1.140,- €
  • besondere Berücksichtigung bei freien Arbeitsplätzen bei Arbeitgebern mit über 20 Arbeitsplätzen (§§ 164 ff SGB IX)
  • verbesserter Kündigungsschutz (§§ 168 ff SGB IX)
  • begleitende Hilfen im Arbeitsleben (§ 185 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX)
  • Freistellung von Mehrarbeit (§ 207 SGB IX)
  • eine Arbeitswoche Zusatzurlaub (§ 208 SGB IX)
  • um bis zu 5 Jahre vorgezogene Altersrente (§§ 37, 236a SGB VI)
  • vorgezogene Pensionierung von Beamten mit 60 bzw. 62 (§ 52 BBG)
  • bundeslandabhängige Stundenermäßigung bei Lehrern
  • Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für behinderte Menschen in Werkstätten (SGB V & SGB VI)
  • Kfz-Finanzierungshilfen für Berufstätige (§ 20 SchwbAV i.V.m. KfzHV)
  • Freibetrag von 2.100,- EUR bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung, wenn Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI vorliegt (§ 24 WohnraumförderungsG)
  • Freibetrag beim Wohngeld bei Pflegebedürftigkeit i.S.d § 14 SGB XI: 1.800 € (§ 17 Nr. 1 WoGG)
  • Werbungskosten: wahlweise kann für den Weg zur Arbeit eine Entfernungskostenpauschale von 0,30 €/Km geltend gemacht werden (max. 4.500,- €; § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG) oder die tatsächlichen Aufwendungen, wenn gleichzeitig Merkzeichen G anerkannt ist (§ 9 Abs. 2 EStG)

 ab 60

  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG):  GdB 60 = 1.440,- €
  • Ermäßigter Rundfunkbeitrag von derzeit 5,83 € bei GdB allein wegen Sehbehinderung (§ 4 RBStV)

 ab 70

  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG):  GdB 70 = 1.780,- €
  • Werbungskosten: wahlweise kann für den Weg zur Arbeit eine Entfernungskostenpauschale von 0,30 €/Km geltend gemacht werden (max. 4.500,- €; § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG) oder die tatsächlichen Aufwendungen (§ 9 Abs. 2 EStG)
  • steuerrechtlicher Absetzbetrag für Privatfahrten, wenn Merkzeichen G zuerkannt ist: 900,- € (§ 33 Abs. 2a EStG „behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale“)

 ab 80

  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG):  GdB 80 = 2.120,- €
  • ermäßigter Rundfunkbeitrag von derzeit 5,83 €, wenn keine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen möglich ist  (§ 4 RBStV)
  • Freibetrag von 4.500,- EUR bei der Einkommensermittlung  im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung, wenn Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI vorliegt (§ 24 WohnraumförderungsG)
  • steuerrechtlicher Absetzbetrag für Privatfahrten: 900,- € (§ 33 Abs. 2a EStG)

 ab 90

  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG):  GdB 90 = 2.460,- €

 ab 100

  • Steuerfreibetrag (§ 33b Abs. 3 EStG):  GdB 100 = 2.840,- €
  • Freibetrag beim Wohngeld: 1.800,- € (§ 17 Nr. 1 WoGG)
  • Freibetrag bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer in bestimmten Fällen (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG)
  • Freibetrag von 4.500,- EUR bei der Einkommensermittlung  im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung

Die Übersicht zu den Nachteilsausgleichen – und zusätzlich Angaben zu möglichen Merkzeichen und deren Vorteilen – finden Sie zum Download als PDF auf unserer Kanzleihomepage unter „Downloads/Formulare“.

Tobias Blume, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht, Berlin


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