Der Widerrufsjoker - Vorfälligkeitsentschädigung und Zinsen sparen?

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Diese Ausführungen beziehen sich nur auf Darlehensverträge, die durch ein Grundpfandrecht gesichert sind.

Worum geht es?

Derzeit ist ein historisch niedriges Zinsniveau zu verzeichnen. Dieses macht es für Verbraucher attraktiv, Darlehen abzulösen und günstiger zu finanzieren. Wurde beispielsweise ein Darlehen mit einem Zinssatz i.H.v. 5,68 % p.a. effektiv aufgenommen, so kann der Darlehensnehmer hierfür heute eine Finanzierung zwischen 1,2 % bis 1,8 % effektiv p.a. erhalten.

Wenn der Darlehensnehmer jedoch ablöst, beispielsweise nach Erklärung einer wirksamen Kündigung des Darlehensvertrags, schuldet er der Bank einen Schadenersatzanspruch. Dieser Schadenersatzanspruch trägt den Namen Vorfälligkeitsentschädigung.

Diese Vorfälligkeitsentschädigung kann die Umschuldung wiederum finanziell unattraktiv machen. Daher lassen immer mehr Darlehensnehmer die Möglichkeit prüfen, aus diesen Verträgen auszusteigen, indem sie von dem sogenannten Widerrufjoker Gebrauch machen.

Wer kann denn widerrufen?

Zunächst steht das Widerrufsrecht den Darlehensnehmern zu. Es ist daher zu beachten, dass bei mehreren Darlehensnehmern jedem der Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht zusteht. Darüber hinaus gibt es eine zeitliche Begrenzung. Darlehensverträge, die vor November 2002 abgeschlossen wurden, fallen nicht in den Schutz des Widerrufsrechts. Denn erst ab November 2002 wurde das Widerrufsrecht für Verbraucher eingeführt.

Können Darlehensnehmer, die vor November 2002 einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben, gar nichts tun?

Auch hier lohnt sich eine Prüfung. Beispielsweise dann, wenn das Darlehen nicht nur prolongiert wurde, sondern in einen neuen Vertrag umfinanziert wurde. Hier muss es sich um eine sogenannte echte Abschnittsfinanzierung handeln. Das bedeutet, es dürfen nicht nur Zinssätze angepasst worden sein, sondern weitere Konditionen des Darlehens müssen verändert worden sein. Wenn es sich um einen neuen Darlehensvertrag handelt, war die Bank nach der maßgeblichen Gesetzeslage verpflichtet, neu zu belehren.

Welche Gesetzeslage ist maßgebend?

Es ist immer die gesetzliche Regelung anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags galt. Hierbei hat der Gesetzgeber leider verschiedene gesetzliche Regelungen, durch Änderungen der Informationspflichtenverordnung (BGB-InfoV), in Kraft gesetzt, die für jeweils unterschiedliche Zeiträume gelten. Der Anwalt prüft daher zunächst, wann der Darlehensvertrag abgeschlossen wurde und welche gesetzliche Regelung einschlägig ist.

Wann ist ein Widerruf erfolgreich?

Ein Widerruf ist immer dann erfolgreich, selbst wenn die Widerrufsfrist abgelaufen ist, sofern die Widerrufsbelehrung inhaltliche oder formelle Mängel hat. Es gilt der Grundsatz, dass die Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet und für den durchschnittlichen Verbraucher verständlich sein muss.

Beispielsweise ist eine Widerrufsbelehrung dann nicht deutlich gestaltet, wenn sie in den weiteren Vertragsbedingungen untergeht und die Gefahr besteht, dass sie überlesen wird. Dies kann der Fall sein, wenn die Widerrufsbelehrung nicht in einen Rahmen gesetzt ist, so wie es die gesetzliche Musterbelehrung vorgibt.

Auch muss für den Verbraucher klar erkennbar sein, wann die Widerrufsfrist beginnt und von welchen Voraussetzungen der Beginn der Widerrufsfrist abhängt.

Eine Widerrufsbelehrung kann jedoch deshalb fehlerhaft sein, weil beispielsweise Pflichtangaben im Darlehensvertrag fehlen, die das Gesetz (Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB) vorschreibt. Dies gilt jedoch nur für Darlehensverträge, die ab dem 30.07.2010 abgeschlossen wurden. Bei diesen beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn die Belehrung die gesetzlichen Vorgaben und die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erfüllt sind.

Hierzu könnte noch vielmehr geschrieben werden. Es ist ein weites Feld.

Kann mein Recht verloren gehen, kann es verwirken?

Immer wieder wenden Banken neuerdings ein, dass das Recht auf Widerruf verwirkt ist, wenn der Darlehensnehmer den Widerrufsjoker zieht. Unabhängig davon greift die Verwirkung des Widerrufsrechts nicht. Das Widerrufsrecht ist ein Verbraucherrecht und kann unbeschränkt ausgeübt werden. Es unterliegt nicht der Verwirkung. Darüber hinaus muss bei Verwirkung geprüft werden, ob das Zeit- und Umstandsmoment erfüllt ist. Auch hierzu können wir gern auf Anfrage Informationen erteilen. Jeder Fall ist ein Einzelfall.

Wie geht es nach einem Widerruf weiter?

Ist der Darlehensvertrag wirksam widerrufen, so wird er rückabgewickelt. Das ist in der Praxis jedoch nicht so einfach, da der Darlehensnehmer darauf angewiesen ist, dass die Bank die Löschungsbewilligung erteilt. Knüpft die Bank jedoch die Erteilung der Löschungsbewilligung daran, dass zunächst die Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt wird, empfehlen wir, die Vorfälligkeitsentschädigung unter Vorbehalt zu zahlen, den Vorbehalt der Bank gegenüber zu erklären und im Anschluss daran Klage auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung gegen die Bank zu erheben.

Weiterhin ist die Bank verpflichtet, dem Verbraucher Zinsen als Wertersatz für die von ihr gezogene Kapitalnutzung aus den ihr zugeflossenen Zins- und Tilgungsleistungen zu zahlen. Wird einer Bank Kapital überlassen, so besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass dieses Kapital durch die Bank genutzt wird und die Bank für diese Nutzungen Wertersatz von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz schuldet. Die Bank ist weiterhin verpflichtet, dem Verbraucher/Darlehensnehmer bereits gezahlte Zins- und Tilgungsleistungen zurückzuerstatten. Im Gegenzug dazu ist jedoch der Verbraucher bei Rückabwicklung des Vertrags verpflichtet, der Bank den Nettokreditbetrag zuzüglich marktüblicher Zinsen zurückzuzahlen.

Wir arbeiten hier mit einem Gutachter zusammen, der hinsichtlich der gegenseitig zu erstattenden Leistungen Berechnungen vornimmt.

Noch Fragen? Wir sind für Sie da.

Anwaltskanzlei Bontschev

Rechtsanwältin Kerstin Bontschev

Fachanwältin für Steuerrecht

Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht


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