Die Ausschlussfrist im Arbeitsrecht als Stolperstein

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Die Ausgangslage ist denkbar einfach. Arbeitgeber oder auch Arbeitnehmer glauben noch Ansprüche gegenüber dem jeweils anderen zu haben. Auf Arbeitgeberseite sind dies häufig Schadensersatzansprüche, Rückgabeansprüche oder Rückerstattungsansprüche. Auf Arbeitnehmerseite sind dies meist rückständige Lohnansprüche, Ansprüche auf Überstundenabgeltung oder Urlaubsabgeltung, nicht selten auch ein Anspruch auf Zeugniserteilung oder Zeugnisberichtigung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Wie das aber so oft im Leben ist. Nichts ist so dringend, dass es nicht auch aufgeschoben werden könnte, zumal man doch Besseres zu tun hat als in einem bestehenden Arbeitsverhältnis auf Konfrontation zu gehen.

Und so vergeht Woche um Woche und Monat um Monat. Irgendwann aber scheint die Zeit reif zu sein, nun doch endlich seine „überfälligen“ Ansprüche einzufordern. Da aber nichts eindeutig ist, was eindeutig zu sein scheint, soll zuvor ein Anwalt die Rechtslage verbindlich prüfen.

Der macht das auch und kommt – nachdem er sich von Ihnen den Sachverhalt hat schildern lassen und er den Arbeitsvertrag durchgesehen hat – zu einem überraschend schnellen, aber auch niederschmetternden Ergebnis. Ihr Anspruch ist verfallen! Auf gut Deutsch: Der Anspruch mag vielleicht bestanden haben. Jetzt aber besteht er nicht mehr, denn er ist erloschen.

Was hat es damit auf sich?

Fast alle Tarifverträge und sehr viele Arbeitsverträge enthalten sog. Ausschlussklauseln (auch Verfallklauseln genannt). Danach sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist ab Fälligkeit (in Arbeitsverträgen müssen das mindestens 3 Monate sein) gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend zu machen. Geschieht dies nicht, ist der Anspruch unweigerlich verfallen, also erloschen.

Das Motiv, das dahinter steckt, ist leicht nachvollziehbar. Offene Ansprüche sollen zeitnah gegenüber der anderen Vertragspartei kommuniziert und geltend gemacht werden. Keine Vertragspartei soll nach langer Zeit noch mit Ansprüchen konfrontiert werden, die ihr nicht mehr präsent sind. Damit verbindet sich auch die Hoffnung, in einem Arbeitsverhältnis zeitnah klare Verhältnisse zu schaffen und Rechtsklarheit zu haben. Übrigens: Mit Verjährung hat das nichts zu tun; das ist ein anderes Thema.

In der Praxis finden sich zwei Arten von Ausschlussfristen, nämlich die einstufige und die zweistufige Ausschlussfrist.

Eine einstufige Ausschlussfrist könnte so oder so ähnlich formuliert sein:

„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen.“

Bei der einstufigen Ausschlussfrist genügt zur Fristwahrung die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der anderen Seite durch ein einfaches Schreiben, ein Telefax oder (zwischenzeitlich von der Rechtsprechung anerkannt) auch durch eine E-Mail. Wichtig dabei ist aber, dass das Schreiben der anderen Seite noch innerhalb der Ausschlussfrist zugeht. Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, empfiehlt es sich, mit der Geltendmachung nicht allzu lange zuzuwarten und ein entsprechendes Schreiben gegen Zustellnachweis (z.B. Einschreiben, Bote, Empfangsbestätigung etc.) zu übergeben oder übergeben zu lassen. Damit haben Sie den Pflock erst einmal eingeschlagen und können sich beruhigt zurücklehnen.

Komplizierter wird es bei der zweistufigen Ausschlussfrist. Der erste Schritt ist wie bei der einstufigen Ausschlussfrist. Der Anspruch muss also innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber der anderen Seite geltend gemacht werden. Allerdings können Sie sich danach nicht beruhigt zurücklehnen. Reagiert nämlich die andere Seite nicht oder lehnt sie Ihren geltend gemachten Anspruch ab, so müssen Sie erneut aktiv werden. Tarifverträge oder Arbeitsverträge mit zweistufigen Ausschlussfristen sehen nämlich vor, dass Sie dann Ihren Anspruch innerhalb einer weiteren Frist (in Arbeitsverträgen mindestens drei Monate) gerichtlich geltend machen, also bei Gericht einklagen müssen. Zur Fristwahrung genügt es, dass die Klage innerhalb der Frist bei Gericht eingereicht ist. Wird die Frist in der zweiten Stufe versäumt, gilt auch hier: Der Anspruch ist verfallen und damit erloschen.

Das Vertrackte bei zweistufigen Ausschlussfristen ist ihre tückische Formulierung. So ist ein Großteil für die zweite Stufe so oder so ähnlich formuliert:

„Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Ablehnungserklärung oder nach Ablauf der Erklärungsfrist gerichtlich geltend gemacht wird.“

Warum tückisch? Bei flüchtiger Lektüre/Überlegung könnte man meinen, dass sich an das Fristende in der ersten Stufe der Beginn der Frist in der zweiten Stufe anschließt, beispielsweise also erst nach Ablauf der ersten 3-Monatsfrist die zweite 3-Monatsfrist anschließt. Das aber ist nach dem Wortlaut der Regelung falsch. Tatsächlich beginnt die zweite Frist bereits nach Zugang der Ablehnungserklärung oder nach Ablauf der Erklärungsfrist. Wenn Sie also einen Anspruch schon sehr frühzeitig in der ersten Stufe geltend machen, müssen Sie das Rechnen anfangen, um den Beginn der Frist in der zweiten Stufe zu ermitteln. Die gerichtliche Geltendmachung verlagert sich damit zeitlich nach vorne.

Selbstverständlich können Sie von Anfang an Ihren Anspruch gerichtlich geltend machen. Geschieht dies noch innerhalb der Frist der ersten Stufe, sind damit automatisch die Fristen beider Stufen gewahrt. Nach neuerer Rechtsprechung genügt es dann zur Fristwahrung sogar, wenn die Klage rechtzeitig bei Gericht eingeht.

In der arbeitsrechtlichen Praxis rankt sich um die Ausschlussfrist eine Vielzahl von Fragen. Welche Ansprüche genau sind von der Ausschlussfrist erfasst? Was gilt, wenn ein Arbeitsvertrag auf die Geltung eines Tarifvertrages verweist? Wann ist ein Anspruch fällig? Was passiert, wenn eine Verfallklausel teilweise unwirksam ist? Wer kann sich auf die Unwirksamkeit berufen, wer muss sich an der Frist festhalten lassen? Wie konkret muss ein Anspruch geltend gemacht werden?

Egal ob Sie Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind. Wenn Sie glauben, Ansprüche/Forderungen gegenüber der anderen Seite zu haben, so denken Sie zu allererst an etwaige Ausschlussfristen und zögern Sie nicht allzu lange mit der Geltendmachung Ihrer Ansprüche.

Gerhard Greiner

Rechtsanwalt


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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