Die beamtenrechtliche Konkurrentenstreitigkeit - Ein Überblick

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Gegenstand der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage ist die Situation, dass von mehreren Bewerbern einer der abgelehnten Bewerber mit der Ablehnung nicht einverstanden ist. Aus anwaltlicher Sicht ist dabei zu unterscheiden, ob die vakante Stelle bereits mit dem angenommenen Konkurrenten besetzt oder ob die Einsetzung des Konkurrenten erst angekündigt wurde.

Der Beamte hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung. Der Beamte hat aber Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung um eine Beförderungsstelle ermessensfehlerfrei entscheidet und von verwaltungsinternen Richtlinien nicht abgewichen wird. Wichtig ist, dass hier aus Art. 33 Abs. 2 GG ein sog. Bewerberverfahrensanspruch abgeleitet wird.

I. Stelle ist bereits mit einem Konkurrenten besetzt worden

Ist die Stelle bereits mit einem Konkurrenten besetzt worden, kommen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten für den abgelehnten Bewerber in Betracht. 

1. Verpflichtungsklage auf Ernennung des abgelehnten Bewerbers

Eine Verpflichtungsklage auf Ernennung des abgelehnten Bewerbers ist unzulässig. Nach der vollzogenen Ernennung des Konkurrenten ist das Erreichen des begehrten Ziels nicht mehr möglich. Es ist keine verfügbare Stelle mehr vorhanden. Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

2. Anfechtungsklage gegen die Ernennung des Konkurrenten

Die Verpflichtungsklage könnte wiederum zulässig werden, wenn die Anfechtung der Ernennung des Konkurrenten erfolgreich wäre. Denn dann wäre die Planstelle wieder frei und damit das Erreichen des begehrten Ziels möglich. Eine solche Klage scheitert vorwiegend schon an der fehlenden Klagebefugnis, spätestens jedoch im Rechtsschutzbedürfnis. Bis zum Jahr 2010 ging die Rechtsprechung des BVerwG davon aus, dass die Ernennung kein VA mit Drittwirkung darstellt, so dass der Unterlegene sie gar nicht angreifen kann. Begründet wurde dies u. a. mit dem aus Art. 33 Abs. 5 GG abgeleiteten Grundsatzes der Ämterstabilität. Der Anfechtung der Ernennung des rechtswidrig bevorzugten Bewerbers steht die Rechtsbeständigkeit erfolgter Ernennungen entgegen; die Aufhebungsgründe für beamtenrechtliche Ernennungen in den §§ 10 ff. BBG, §§ 8 ff. BeamtStG sind abschließend. Dies wird untermauert durch den Vertrauensschutz und das Persönlichkeitsrecht des Mitbewerbers und kann als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. d. Art. 33 Abs. 5 GG verstanden werden. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass nicht die Ernennung des Mitbewerbers, sondern die Stellenbesetzung, die davon zu unterscheiden ist, erst die Belastung auslöst. Die Stellenbesetzung stellt jedoch im Verhältnis zum Konkurrenten keine Regelung dar.

Wichtig! Das BVerwG hat die Ämterstabilität aber in einem Urteil (Urt. v. 04.11.2010 - 2 C 16.09) deutlich eingeschränkt, aber nicht gänzlich aufgehoben. In dieser Entscheidung stellt das BVerwG erstmals klar, dass eine Ernennung doch ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung ist, der in die Rechte des unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift. Eine Anfechtungsklage gegen eine Ernennung ist zumindest im Fall einer sog. vorsätzlichen Rechtsschutzvereitelung durch den Dienstherrn möglich.

„... Der Kläger kann die Ernennung des Beigeladenen anfechten, weil sie in seine Rechte eingreift. Die Ernennung eines nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählten Bewerbers für ein Amt stellt einen Verwaltungsakt dar, der darauf gerichtet ist, unmittelbare Rechtswirkungen für die durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber zu entfalten. ..." [...] Darüber hinaus ist die Ernennung nach ihrem Regelungsgehalt auf unmittelbare Rechtswirkungen für diejenigen Bewerber gerichtet, die sich erfolglos um die Verleihung des Amtes beworben haben. Die Ernennung greift in deren Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG ein, weil sie in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang mit der Entscheidung des Dienstherrn über die Bewerberauswahl steht und deren rechtliches Schicksal teilt. Die Ernennung des ausgewählten Bewerbers ist Ziel und Abschluss des Auswahlverfahrens. ..."

(BVerwG, Urt. v. 04.11.2010 - 2 C 16.09)

Der Grundsatz der Ämterstabilität steht der Aufhebung einer Ernennung gerade dann nicht entgegen, wenn ein herkömmlicher gesetzlicher Rücknahmetatbestand erfüllt ist. Diese Tatbestände erfassen vor allem Fallgestaltungen, in denen der Gesetzgeber die Aufrechterhaltung der Ernennung als unerträglich ansieht. Der Grundsatz der Ämterstabilität wird also nicht aufgegeben.

Vielmehr ist die grundsätzliche Unanfechtbarkeit der Ernennung mit Art. 33 Abs. 2 und 19 Abs. 4 S. 1 GG vereinbar, wenn der unterlegene Konkurrent seinen Bewerbungsverfahrensanspruch vor der Ernennung in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend gemacht hat. Das bedeutet letztlich für die Praxis, dass der unterlegene Bewerber die drohende Ernennung im einstweiligen Verfahren nach § 123 VwGO verhindern kann. Dies setzt voraus, dass der Bewerber auch über die ablehnende Entscheidung im Rahmen des Auswahlverfahrens auch durch den Dienstherrn informiert worden ist. Der Dienstherr darf erst dann den ausgewählten Bewerber ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz keine Aussicht auf Erfolg hat. Ein Hauptsacheverfahren ist insoweit entbehrlich, da das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernimmt. Eine summarische Prüfung durch die Verwaltungsgerichte verbietet sich hier, d.h. es findet eine umfassende tatsächliche rechtliche Prüfung der Bewerberauswahl unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten statt. Der einstweilige Rechtsschutz orientiert sich daher vom Prüfungsumfang am Hauptsacheverfahren.

Damit Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG im Bewerberverfahren angemessen berücksichtigt werden, sind folgende Punkte durch den Dienstherrn zu beachten:

  • die rechtzeitige Mitteilung der Auswahlentscheidung vor der Ernennung
  • ein angemessener Zeitraum, damit der unterlegene Bewerber das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einleiten kann
  • nach Abschluss des Anordnungsverfahrens vor dem OVG ein angemessenes Abwarten, um den unterlegenen Bewerbern Gelegenheit zu geben, das BVerfG anzurufen und ggf. dort eine einstweilige Anordnung (§ 32 BVerfGG) zu erwirken.

Verstößt der Dienstherr also gegen eine der vorbenannten Punkte, so muss der effektive Rechtsschutz nach der Ernennung letztlich erneuert werden. Ein Berufen auf die Ämterstabilität ist dann nicht mehr möglich.

Prozessual bedeutet dies, dass nach der Ernennung effektiver Rechtsschutz (nur) durch die Anfechtungsklage in Betracht kommt. Verstößt die Ernennung gegen das Recht des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG, so ist die Ernennung für die Zukunft aufzuheben.

Es bleibt also nach wie vor beim Grundsatz der Ämterstabilität. Auch die Notwendigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes vor der Ernennung hat ebenfalls Bestand. Nach einer Ernennung kann aber Anfechtungsklage erfolgreich durchgeführt werden, wenn dem Dienstherren eine vorsätzliche Rechtsschutzvereitelung vorzuwerfen ist.

Die Dienstherren sollten also Vorsicht walten lassen, Ernennungen vorzunehmen, bevor der unterlegene Bewerber nicht die Möglichkeit hatte vor dem BVerfG eine einstweilige Anordnung zu erwirken. Das BVerwG nimmt dabei lange Wartezeiten, die ggf. zu neuen dienstlichen Beurteilungen führen, im Interesse des Rechtsschutzes des unterlegenen Bewerbers, hin.

Unabhängig davon, muss (!) der abgelehnte Bewerber auch nach dem Urt. v. 04.11.2010 - 2 C 16.09 alles ihm rechtlich Zulässige und Zumutbare unternehmen, um die Beförderung des Konkurrenten zu stoppen und den Vollzug der fehlerhaften Auswahlentscheidung zu unterbinden (Entscheidung des OVG Lüneburg v. 17.03.2010- 5 ME 91 / 11)

3. Schadensersatzanspruch des abgelehnten Bewerbers

Aufgrund der fehlenden Erfolgsaussichten der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kommt für den unterlegenen Bewerber nur die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs in Betracht. Mögliche Anspruchsgrundlagen sind:

  • §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 i. V. m. dem Beamtenverhältnis (= verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis)
  • §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 (cic) i. V. m. dem Beamtenverhältnis (= verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis)
  • § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Beachten Sie, dass für diesen Anspruch die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Problematisch ist im gerichtlichen Verfahren wiederum die Darlegung der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden.

Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die folgenden:

  • Der Dienstherr hat das Prinzip der Bestenauslese verletzt (Verstoß gegen Art. 33 II GG / Art. 19 IV GG).
  • Der Dienstherr hat dabei schuldhaft gehandelt.
  • Bei rechtmäßiger Auswahl unter den Beamten wäre der abgelehnte Beamte wahrscheinlich befördert worden.
  • Der Beamte hat alles ihm Zumutbare getan, um das rechtswidrige Vorgehen des Dienstherren zu verhindern

Schwierig zu beantworten ist die Frage, ob der abgelehnte Bewerber bei rechtmäßiger Auswahl unter den Beamten wahrscheinlich befördert worden wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil v. 26.01.12 - 2 A7.09 dazu u. a. wie folgt ausgeführt:

Erforderlich ist ein adäquat kausaler Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem Schaden, d.h. der Nichtbeförderung. Ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, hängt von allen Umständen des konkreten Falles ab. Das Gericht hat demgemäß den hypothetischen Kausalverlauf zu ermitteln, den das Auswahlverfahren ohne den Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG voraussichtlich genommen hätte. Es muss beurteilen, welchem Bewerber der Dienstherr den Vorzug gegeben hätte, wenn er eine rechtmäßige Alternative verfolgt hätte."

(BVerwG, Urt. v. 26.01.12 - 2 A7.09)

Zur Beurteilung des hypothetischen Kausalverlaufes ist somit nicht nur der in dem jeweiligen Verfahren isoliert gerügte Rechtsverstoß zu betrachten, sondern das Beförderungsauswahlverfahren und seine Konsequenzen insgesamt.

II. Stelle ist noch frei, die Besetzung lediglich angekündigt

Ist die Stelle noch nicht durch den Konkurrenten besetzt worden, hat eine Ernennung also noch nicht stattgefunden, sollte zur Verhinderung vollendeter Tatsachen ein Eilverfahren nach § 123 VwGO durchgeführt werden.

Auch wenn das BVerwG die Ämterstabilität in der o.a. Entscheidung zur vorsätzlichen Rechtsschutzvereitelung eingeschränkt hat, bleibt es im Regelfall dabei, dass ein effektiver Rechtsschutz nur im Vorwege als Kombination von vorläufigem und vorbeugendem Rechtsschutz möglich ist (so hat das OVG NDS (Beschl. v. 08.06.11 - 5 ME 91/11) klargestellt, dass auch nach der o.a. BVerwG-Entscheidung der Rechtsschutz im Regelfall weiterhin über § 123 VwGO und nicht über § 80 a VwGO läuft.

Da der Bewerber durch die (rechtswidrige) Ernennung des Konkurrenten erhebliche Nachteile erleiden kann, hat der vorläufige Rechtsschutz gem. § 123 Abs. 1 VwGO hier eine ganz außerordentliche Bedeutung. Das BVerfG hat die Pflicht des Staates statuiert, den abgelehnten Bewerber rechtzeitig über seine Ablehnung zu informieren, damit dieser noch vor der Ernennung seines Konkurrenten Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.09.1989 - 2 BvR 1576/88). Nach der Rechtsprechung des BVerwG handelt es sich bei dieser Mitteilung um einen VA. Im Rahmen des § 123 Abs. 1 VwGO ist von dem Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen, dass die Auswahlentscheidung rechtswidrig ist. Es ist gerade nicht erforderlich, dass der Beamte glaubhaft macht, bei fehlerfreier Auswahl sei sein eigener Erfolg überwiegend wahrscheinlich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.09.2002 - 2 BvR 857/02).

Der abgelehnte Bewerber sollte sich also frühzeitig über mögliche rechtliche Schritte informieren, um seinen Bewerberverfahrensanspruch ggf. gerichtlich überprüfen zu lassen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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