Die Haftung des (Pferde-)Tierarztes unter Berücksichtigung der Besonderheiten einer Ankaufsuntersuchung

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Das Pferd steht plötzlich auf drei Beinen, hat Nasenausfluss oder einen zu operierenden Chip im Bein. Die Anzahl an potentiellen Krankheiten, Verletzungen und sonstigen Problemen, die einen Tierarztbesuch erfordern, ist hoch. Doch auch im Vorfeld des Pferdekaufes kann die Konsultation eines Tierarztes im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung erforderlich werden. Im besten Falle legt der Tierarzt z.B. einen Rivanolverband an, spritzt etwas, gibt Medikamente aus, führt gegebenenfalls eine Operation durch, sodass sich der Gesundheitszustand des Tieres augenblicklich verbessert. Doch allzu oft fällt die Behandlung, die Diagnose oder die Ankaufsuntersuchung nicht zufriedenstellend aus. Was sind nun die Voraussetzungen einer Haftung des Tierarztes?

Vertragstypen

Abhängig vom jeweiligen Inhalt des konkreten Vertrages kann dieser grundsätzlich sowohl als Dienst- als auch als Werkvertrag ausgestaltet sein. Im Grundsatz kommt der Vertrag zwischen demjenigen zustande, der den Auftrag zur Behandlung erteilt sowie dem Tierarzt bzw. der behandelnden Klinik. Im Normalfall ist der Eigentümer Auftraggeber – gesondert sind Fälle zu betrachten und zu beurteilen, in denen z.B. der Reitbeteiligte eines Pferdes den Tierarzt konsultiert.

Im Regelfall wird der Vertrag als Dienstvertrag i.S.d. § 611 BGB ausgestaltet sein, mit der Folge, dass der Tierarzt keinen entsprechenden Erfolg schuldet, sondern lediglich eine lege artis durchgeführte Behandlung. Der Tierarzt muss nach den gegenwärtigen Regeln der ärztlichen Kunst agieren und sich um einen Heilungserfolg redlich bemühen. Sofern das Tier weiterhin einen krankhaften Zustand aufweist, die Behandlung jedoch lege artis durchgeführt wurde und z.B. keine Aufklärungspflichten verletzt wurden, schuldet der Vertragspartner damit grundsätzlich auch die Zahlung des vereinbarten Honorars etc.

Der Vertrag ist dabei nicht als Behandlungsvertrag i.S.v. § 630a BGB zu klassifizieren [vgl. z.B. MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl. 2020, BGB § 631 Rn. 128]. Die §§ 630a ff. BGB sind im Hinblick auf die Informations-, Aufklärungs-, und Dokumentationspflichten auf den Menschen ausgerichtet, nicht aber auf Tiere [BT-Drs. 17/10488, S. 18]. Gleichwohl kann eine entsprechende (= analoge) Anwendung bestimmter Vorschriften in Betracht kommen [BT-Drs. 17/10488, S. 18; Jauernig/Mansel, 18. Aufl. 2021, BGB § 630a Rn. 9]. So muss z.B. eine Einwilligung (vgl. § 630d BGB) des Eigentümers bezüglich des Eingriffs am Tier vorliegen, wobei der Eigentümer vom Tierarzt ähnlich der Aufklärung in der Humanmedizin, in die Lage versetzt werden muss, unter Berücksichtigung des Tierwohls und finanzieller Aspekte, eine informierte Entscheidung hinsichtlich der Durchführung der Behandlung treffen zu können. Dabei kann sich durchaus an der Vorschrift des § 630e BGB orientiert werden. Allerdings treffen den Veterinärmediziner die Pflichten im Vergleich zum Humanmediziner in nur eingeschränkter Art und Weise [OLG Koblenz VersR 2017, 513 (513 ff.)].

Demgegenüber ist der Vertrag zwischen Eigentümer und Hufschmied in der Regel als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB zu klassifizieren, sodass der Hufschmied auch einen Erfolg schuldet – und nicht nur ein Tätigwerden lege artis; gleiches kann auch für eine einfachere Zahnbehandlung, wie z.B. dem Entfernen von Haken an den Zähnen des Pferdes, gelten. Hierbei sind die Umstände des Einzelfalls zu beachten.

Ausnahme Ankaufsuntersuchung (AKU)

Hiervon differenziert zu betrachten ist die Ankaufsuntersuchung im Vorfeld eines Pferdekaufes. Im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung schuldet der Tierarzt ein Gutachten über den Zustand der Gesundheit des Pferdes zum Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung [MAH MedR/Adolphsen, 3. Auflage 2020, § 20 Rn. 56]. Dabei ist der Tierarzt verpflichtet, die AKU und die sich ergebenden Ergebnisse zu dokumentieren. Abhängig von der Art der Ankaufsuntersuchung („große“/“kleine“ Ankaufsuntersuchung), welche derjenige festlegt, der die AKU beauftragt, ist der Umfang der Untersuchung. Dabei kann die AKU sowohl von Seiten des Verkäufers als auch von Seiten des Käufers in Auftrag gegeben werden. In Anbetracht einer potentiellen Haftung – insbesondere im Unternehmer/Verbraucher-Verhältnis – dient vielen Verkäufern die AKU als Möglichkeit, den Gesundheitszustand des Pferdes beurteilen zu lassen. Abhängig vom Umfang der AKU ist selbstredend auch die Haftung. So haftet der Tierarzt im Regelfall nicht für Mängel, welche bei bspw. einer kleinen AKU nicht erkennbar sind. Sofern sich jedoch Indizien ergeben, die eine weiterführende Untersuchung nahelegen, muss der Tierarzt hierauf hinweisen.

Während – wie dargestellt – zumeist ein Dienstvertrag vorliegt, ist der Vertrag im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung als Werkvertrag i.S.v. § 631 BGB zu betrachten, sodass der Tierarzt einen Befund in Form des AKU-Ergebnisses ohne Fehler schuldet [BGH NJW 2012, 1071 (1071 ff.); BGH NJW 1983, 2078 (2078 ff.)]. Das bedeutet, dass der Tierarzt gegenüber dem Besteller verpflichtet ist, das Gutachten, also das „Werk“, frei von Rechts- und Sachmängeln zu erstellen [MAH MedR/Adolphsen, 3. Auflage 2020, § 20 Rn. 56]. Bei fehlerhafter Durchführung der AKU seitens des Tierarztes, welche insbesondere einen Kauf zur Folge hat, kann es somit zu einer Haftung aus §§ 634 Nr. 4, 280 I BGB kommen, mit der Folge einer Haftung auf Ersatz des Schadens, den der Käufer dadurch erleidet, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat.

Insgesamt kann der Vertrag über die Ankaufsuntersuchung als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritter anzusehen sein, insbesondere wenn der Verkäufer der Auftraggeber ist. Hieraus resultierend kann auch der Käufer gegenüber dem Tierarzt, obwohl er nicht Vertragspartei der AKU ist, bei Vorliegen der strengen Voraussetzungen vertragliche Ansprüche geltend machen [detailliert zu den Voraussetzungen: MAH MedR/Adolphsen, 3. Auflage 2020, § 20 Rn. 273 ff.].

Mängel einer AKU können sich z.B. aus fehlenden Untersuchungen, welche vereinbart waren, oder auch dem Verkennen von Mängeln ergeben.

Verkäufer und Tierarzt können bei Mängeln als Gesamtschuldner i.S.v. § 421 BGB haften; die Haftung des Tierarztes ist hierbei gegenüber einer Haftung des Verkäufers nicht als nachrangig anzusehen (BGH NJW 2012, 1070 (1070 ff.)].

Pflichtverletzungen

Außerhalb von Ankaufsuntersuchungen können sich Pflichtverletzungen z.B. aus der nicht lege artis ausgeführten Behandlung, einer fehlerhaften Diagnose, der Verletzung von Aufklärungspflichten hinsichtlich verschiedener Behandlungsmöglichkeiten, - alternativen oder auch der Risiken einer Behandlung ergeben. Maßgeblich für die Art und den Umfang der Aufklärungspflichten sind insbesondere die für den Tierarzt ersichtlichen Interessen des Auftraggebers sowie dessen speziellen Wünschen – maßgeblich kann hierbei auch der materielle oder ideelle Wert des Tieres für den Auftraggeber sein [OLG München BeckRS 2020, 12; OLG München VersR 2005, 1546 (1546 f.)]. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass die bloße Pflichtverletzung noch nicht zu einem Schadensersatzanspruch führt. Vielmehr bedarf es daneben eines Schadens, eines Verschuldens sowie einer Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

Beweislastverteilung

Den zivilprozessrechtlichen Grundsätzen folgend ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der einen Anspruch geltend machen möchte. Insofern müsste der Auftraggeber zumindest bei der Tierarztbehandlung i.S.v. § 611 BGB darlegen und beweisen, dass der Tierarzt bei Durchführung der Behandlung einen Fehler, welcher zum maßgeblichen Schaden, unter Berücksichtigung der Kausalität, begangen hat. In der Humanmedizin hingegen führt ein grober Behandlungsfehler, welcher geeignet ist, einen Schaden der vorliegenden Art zu verursachen, regelmäßig zu einer Beweislastumkehr [vgl. z.B. BGH VersR 2005, 228 (228); vgl. auch § 630h Abs. 5 BGB]. Dieser Grundsatz findet gleichermaßen in der Veterinärmedizin Anwendung, sodass auch hier eine Beweislastumkehr stattfinden kann [BGH r+s 2016, 429 (431); BT-Drs. 17/10488, S. 18]. Im Rahmen einer AKU sind die werkvertraglichen Besonderheiten zu berücksichtigen.

Absicherung aus anwaltlicher Sicht

Im Interesse einer größtmöglichen Sicherheit ist die Durchführung einer großen Ankaufsuntersuchung zwingend. Auch wenn es sich um ein Pferd handelt, welches nicht im großen Sport vorgestellt werden soll, können auch Freizeitpferde Diagnosen erhalten, welche Kosten mit sich ziehen, die mit den Behandlungskosten eines Sportpferdes mithalten können. Die Ergebnisse der AKU sind im Kaufvertrag im Interesse des Käufers und des Verkäufers festzuhalten.

Abgesehen hiervon empfiehlt sich die genaue Dokumentation der durchgeführten Behandlungen, Diagnosen sowie durchgeführten Aufklärungen. Insbesondere im Vorfeld von Operationen sollte den Aufklärungen durch den Tierarzt Aufmerksamkeit geschenkt werden; potentielle Risiken sind im Zweifel abzufragen. Tierärzte sollten auf einen ausreichenden Deckungsschutz durch den Versicherer achten, insbesondere bei Umgang mit hochpreisigen Tieren.



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