Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags: Das müssen Sie wissen!

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Einrede des nicht erfüllten Vertrages
anwalt.de-Redaktion

Sie haben eine Ware bestellt und warten immer noch auf die Lieferung? Den Kaufpreis sollen Sie aber in voller Höhe zahlen? Dann verweigern Sie die Kaufpreiszahlung, bis Sie die Ware in Händen halten!  

Denn im deutschen Recht gilt die Maxime: ohne Leistung keine Gegenleistung. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ist Ihr Mittel zur Durchsetzung dieser Maxime. Sie ist ein Leistungsverweigerungsrecht und eine wirkungsvolle Waffe gegen nicht leistende Vertragspartner.  

Bei welchen Verträgen gilt die Einrede des nicht erfüllten Vertrags? 

Das Recht, Ihre Leistung zu verweigern, wenn die Gegenleistung ausbleibt, haben Sie nur im Rahmen von Verträgen, die gegenseitige Verpflichtungen beinhalten. Das bedeutet konkret, dass die Leistung eines Vertragspartners im Austausch gegen die Leistung des anderen Vertragspartners erbracht werden muss. Man spricht daher auch von Leistung und Gegenleistung oder gegenseitigem Vertrag.  

Typische gegenseitige Verträge sind unter anderem folgende: 

  • Kaufvertrag: Der Verkäufer übergibt und verschafft das Eigentum an der mangelfreien Ware, der Käufer zahlt hierfür den Kaufpreis und nimmt die Ware an sich. 

  • Werkvertrag: Der Unternehmer schuldet einen Werkerfolg, der Besteller schuldet die Vergütung; hierzu zählt zum Beispiel auch der Bauvertrag. 

  • Pauschalreisevertrag: Der Reiseveranstalter verschafft dem Reisenden eine Pauschalreise, der Reisende hat im Gegenzug den Reisepreis zu zahlen. 

  • Dienstvertrag: Der Dienstverpflichtete, zum Beispiel der Arbeitnehmer, muss seine Dienste erbringen, während der Dienstberechtigte, zum Beispiel der Arbeitgeber, die Vergütung hierfür zahlen muss. 

  • Mietvertrag: Der Vermieter überlässt und erhält die Mietsache im vertragsgemäßen Zustand, zum Beispiel eine Wohnung, und der Mieter entrichtet dafür die Miete. 

Synallagma: Das Gegenseitigkeitsverhältnis der Leistungen 

Leistung und Gegenleistung müssen außerdem zwingend voneinander abhängig sein. Man spricht von einem Synallagma. Es gibt auch solche Leistungspflichten von Vertragsparteien, die nicht voneinander abhängig sind, wie zum Beispiel die Rückgabepflicht des Mieters. Hierzu gibt es keine synallagmatische Gegenleistungspflicht des Vermieters. Hingegen stehen die Überlassung der Mietsache durch den Vermieter und die Zahlung der Miete durch den Mieter im Gegenseitigkeitsverhältnis.  

Wenn also eine Leistung nicht bewirkt wird, also die Mietwohnung nicht überlassen wird, kann die andere Leistung, also die Zahlung der Miete, verweigert werden. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags steht dem Mieter zu. Wenn der Mieter jedoch die Mietwohnung nicht zurückgibt, also einfach in der Wohnung bleibt und dem Vermieter den Zugang verweigert, kann der Vermieter die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nicht geltend machen, da es keine Gegenleistung seinerseits für die Rückgabe der Wohnung durch den Mieter gibt. 

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Keine Vorleistungspflicht 

Ihre Leistung können Sie nur dann verweigern, wenn Sie nicht zur Vorleistung verpflichtet sind. Eine Vorleistungspflicht kann entweder durch Gesetz oder durch eine Vereinbarung zwischen Ihnen und Ihrem Vertragspartner gegeben sein. Ein Beispiel für eine Vorleistungspflicht ist die Abschlagszahlung bei umfangreichen Werkverträgen: Wenn ein Unternehmer Ihnen eine neue Heizungsanlage einbauen oder eine Terrasse nebst Wintergarten erbauen soll, müssen Sie zumeist in Vorleistung gehen und Abschlagszahlungen leisten. Sobald Sie aber zu einer Vorleistung verpflichtet sind, können Sie schlechterdings die Zahlung mit dem Hinweis auf die noch nicht erfolgte Gegenleistung nicht verweigern. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags steht Ihnen also nicht zu.  

Hierzu zählt im Übrigen auch, dass die Gegenleistung fällig ist. Wenn Ihr Vertragspartner seine Leistung mangels Fälligkeit gar nicht erbringen muss, weil Sie zum Beispiel vorleistungspflichtig sind, können Sie keine Einrede erheben und Ihre Leistung verweigern.  

Eigene Leistung 

Sie müssen zumindest bereit dazu sein, Ihre Leistung zu erfüllen, um die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend zu machen. Wenn Sie vorhaben, sich vom Vertrag zu lösen, zum Beispiel durch Rücktritt vom Vertrag, können Sie nicht die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben.  

Sie dürfen sich zudem nicht in Verzug befinden. Wenn Sie Ihre Leistung längst hätten erbringen müssen, können Sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nicht erheben, weil die Gegenleistung noch nicht erbracht wurde: Wenn Sie also beispielsweise als Vermieter auf die Mietzahlung durch Ihren Mieter warten, können Sie Ihre Leistung, also das Zurverfügungstellen der Mietwohnung, nicht verweigern, wenn Sie sie noch gar nicht erbracht haben.  

Nichterfüllung der Gegenleistung 

Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ist selbstredend nur dann möglich, wenn der Vertrag tatsächlich nicht erfüllt wurde, die Gegenleistung zu Ihrer Leistung also noch nicht erbracht wurde. Wenn Sie also eine Ware bestellt haben, und Ihr Vertragspartner hat sie Ihnen geliefert, können Sie Ihre Leistung nicht mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags verweigern, denn Ihr Vertragspartner hat seine Leistung bereits erfüllt. Es gibt also keinen nicht erfüllten Vertrag mehr.  

Nur wenn die Gegenleistung zu Ihrer Leistung tatsächlich ausbleibt, können Sie Ihre Leistung verweigern. Nur dann dürfen Sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend machen. 

Wie machen Sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend? 

Das Leistungsverweigerungsrecht steht Ihnen zu, ob Sie es nun geltend machen oder nicht. Allerdings spricht das Gesetz davon, dass Sie die Ihnen obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern können (§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie müssen sie also nicht verweigern, Sie können es aber. Insofern sollten Sie zunächst Ihrem Vertragspartner gegenüber kundtun, dass Sie die Zahlung verweigern, bis er seine Leistung Ihnen gegenüber erbracht hat. Sie haben mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags also ein Druckmittel zur Hand, um Ihren Vertragspartner zur Erbringung seiner Leistung zu bewegen.  

Wenn Ihr Vertragspartner bereits auf Ihre Leistung klagt, also zum Beispiel Klage auf Kaufpreiszahlung vor einem Gericht erhoben hat, müssen Sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben, also zumindest die außerprozessual erhobene Einrede in den Prozess einführen oder das Erbringen der Gegenleistung bestreiten. Sie müssen sich also auf Ihr Leistungsverweigerungsrecht berufen, denn ob es Ihnen zusteht, wird nicht von Amts wegen überprüft.  

Wenn Sie verklagt werden, sollten Sie sich einen Rechtsanwalt nehmen, um bestmöglich vertreten zu sein. Den passenden Anwalt für Zivilrecht finden Sie bei uns. 

Was sind die Folgen der Einrede des nicht erfüllten Vertrags?

Die Folge Ihres Leistungsverweigerungsrechts ist, dass Sie mit Ihrer Leistung nicht in Verzug geraten. Ihre Leistung wird nicht fällig, solange die Gegenleistung nicht erfolgt ist. Hierzu ist es übrigens nicht vonnöten, dass Sie die Einrede auch explizit geltend machen. Das bloße Vorliegen der Voraussetzungen für Ihr Leistungsverweigerungsrecht genügt, um dessen Folgen auszulösen – also wie oben beschrieben ein gegenseitiger Vertrag mit synallagmatischen Leistungsverpflichtungen, Ihre Bereitschaft, Ihre Leistung zu erbringen, und die Nichterfüllung seiner Leistung durch Ihren Vertragspartner sowie der Mangel an einer Vorleistungspflicht Ihrerseits.  

Das bedeutet konkret: Ihre Leistung, zum Beispiel die Kaufpreiszahlung, müssen Sie nicht erbringen, bis Sie die Gegenleistung erhalten haben, also zum Beispiel die bestellte Ware bei Ihnen angekommen ist. Sie geraten nicht in Verzug mit Ihrer Leistung, bis Ihr Vertragspartner seine Leistung erbringt. 

Wenn Ihr Vertragspartner bereits Klage gegen Sie erhoben hat, werden Sie, wenn Sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend machen, zur Leistung Zug um Zug verurteilt. Das heißt, dass Ihr Vertragspartner erst seine Leistung erbringen muss. Erst danach müssen Sie Ihre erbringen.  

Lassen Sie sich am besten anwaltlich beraten, wenn bei Ihrem Vertrag die Gegenleistung ausbleibt. Auf anwalt.de haben wir den richtigen Anwalt für Zivilrecht für Sie.  

(ANZ) 

FAQ 

Kann ich die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend machen, wenn der Verkäufer mir eine mangelhafte Sache geliefert hat?

Ja. Auch dann, wenn der Verkäufer Ihnen die Ware bereits geliefert hat, können Sie die Gegenleistung, nämlich die Kaufpreiszahlung, verweigern, bis der Verkäufer nacherfüllt, also eine mangelfreie Ware liefert.

Foto(s): ©AdobeStock/Valerii Honcharuk

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