Emirates – Personalabbau angekündigt

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Im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung soll die Geschäftsführung die Belegschaft informiert haben, dass allein die Belegschaft in Deutschland um ein Drittel reduziert werden soll. 

Ein Personalabbau dieser Größe würde vorheriger Verhandlungen mit dem bei der Airline eingerichteten Betriebsrat bedürfen, weil für den Ausspruch von Kündigungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz zunächst das Verhandeln eines Interessenausgleichs vorgeschrieben ist.

Der Betriebsrat soll insoweit eine Zeitschiene von acht Monaten bekannt gegeben haben, vier Monate für den Informationsaustausch mit der Arbeitgeberseite und weitere vier Monate für das Verhandeln eines Interessenausgleichs und Sozialplans. Mit Letzterem sollen die negativen Auswirkungen einer Kündigung ausgeglichen werden.

Ich beantworte hier die wichtigsten sich zunächst aufdrängenden Fragen, die sich für Arbeitnehmer ergeben:

Ist der vom Betriebsrat skizzierte Zeitplan realistisch?

Eine diesbezügliche Einschätzungen können wir nur aufgrund unserer Erfahrungen hinsichtlich vieler Verhandlungen mit Betriebsräten und Unternehmen abgeben und gehen davon aus, dass sich die Emirates ein dergleichen langes Hinauszögern der Verhandlungen nicht gefallen lassen wird.

Da wir bei vielen eine Personalmaßnahme betreffenden Verhandlungen Arbeitgeber vertreten haben, kennen wir die Möglichkeiten, Druck auf den Betriebsrat auszuüben.

Wir gehen davon aus, dass die Verhandlungen vor Ablauf von acht Monaten zu einem Abschluss kommen werden, insbesondere dann, wenn die Arbeitgeberseite, wie auch immer, die Existenz des Unternehmens glaubhaft macht. Für eine konkrete Einschätzung ist die Informationslage aktuell aber viel zu ungenau.

Welche Auswirkungen hätte ein Sozialplan?

Auch hier kann derzeit nur gemutmaßt werden: bei derart großen Personalmaßnahmen ist es durchaus üblich, einen Sozialplan zu verhandeln , der neben der Zahlung einer Abfindung auch die Einrichtung einer Transfergesellschaft vorsieht.

Was ist eine Transfergesellschaft? 

Transfergesellschaften werden von hierauf spezialisierten Dienstleistern durchgeführt. Sie übernehmen die vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit von dem Unternehmen, dem früheren Arbeitgeber. In dieser Zeit wird der Dienstleister selbst zum Arbeitgeber des Arbeitnehmers. Dabei schließen die Transfergesellschaft und der Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsvertrag auf Zeit. Nach Ablauf dieses Arbeitsvertrages „rutscht“ der Arbeitnehmer in den Arbeitslosengeldbezug.

Für den Arbeitnehmer ist es wichtig, zu wissen, dass er zum Eintritt in Transfergesellschaft nicht gezwungen werden kann. Vielmehr wird zwischen dem alten Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer und der Transfergesellschaft ein sogenannter Drei-Parteien-Vertrag (auch dreiseitiger Vertrag genannt) geschlossen, der die Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses beinhaltet. Zur Wirksamkeit dieses Vertrages müssen alle drei Parteien unterzeichnen. Nur so wird auch hinsichtlich der Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses die durch Gesetz vorgesehene Schriftform eingehalten. Kurzum: Ohne Unterschrift des Arbeitnehmers keine Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses und auch kein Eintritt in die Transfergesellschaft.

In der Transfergesellschaft erhält der Arbeitnehmer eine Vergütung, die sich in der Regel der Höhe nach zwischen den alten Bezügen und dem Arbeitslosengeld befindet. Dieses Entgelt setzt sich aus dem von der Agentur für Arbeit gezahlten Transferkurzarbeitergeld und den durch den alten Arbeitgeber eingezahlten Aufstockungsbeträgen zusammen.

Was passiert, wenn man sich gegen eine solche Transfergesellschaft entscheidet?

Entscheidet sich ein Mitarbeiter gegen die Transfergesellschaft, droht die Kündigung.

Was muss ich nach Zugang einer Kündigung beachten?

Wichtig ist, dass ab dem Zugang der Kündigung die strikte 3-Wochen-Frist des Kündigungsschutzgesetzes zu laufen beginnt, binnen derer eine Kündigungsschutzklage erhoben werden muss. Wird diese Frist versäumt, wird der Arbeitnehmer nur noch schwerlich und nur in ganz besonderen Ausnahmefällen gerichtliches Gehör finden können.

Daher ist es von besonderer Bedeutung, sich zeitnah darüber Gedanken zu machen, ob man die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinnehmen möchte oder nicht.

Kann ich in eine Transfergesellschaft eintreten und trotzdem klagen?

Nein. Wer das Angebot auf Eintritt in eine Transfergesellschaft annimmt, kann die Kündigung nicht mehr gerichtlich überprüfen lassen. Mit dem Eintritt in die Transfergesellschaft löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber auf. Letztlich wird deswegen gar keine Kündigung ausgesprochen. Keine Kündigung, keine Klage.

Macht eine Klage denn überhaupt Sinn?

Das hängt zum Teil davon ab, wie der Interessenausgleich, den die Geschäftsführung mit der Personalvertretung verhandelt, „gestrickt“ ist.

Sofern der Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste verhandelt, wird es für die Arbeitnehmer schwieriger, sich gegen eine Kündigung zur Wehr zu setzen. Ein Interessenausgleich ohne Namensliste erhöht die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage.

Aber nach wie vor gilt das deutsche Arbeitsrecht! Gerade bei einem Teilpersonalabbau, wie es hier wohl geplant ist, bestehen gute Möglichkeiten, gegen eine Kündigung vorzugehen. Wenn nur ein Drittel der Belegschaft abgebaut wird, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass zwei Drittel ihren Arbeitsplatz behalten.

Insoweit muss es jedem von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer erlaubt sein, überprüfen zu lassen, warum die Wahl gerade auf ihn fiel und ob die sozialen Gesichtspunkte richtig berücksichtigt und gewertet wurden. Im Falle eines größeren Personalabbaus gehören hierzu insbesondere die Berücksichtigung sozialer Kriterien wie Alter, Betriebshörigkeit, Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung.

Jeder Arbeitnehmer, dem eine Kündigung angedroht wird, kann anhand der Kollegen, die die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie er (oder anderer Kollegen, die er während deren Krankheit oder Urlaubs vertreten hat), prüfen, ob er sozial schwächer dasteht als die, die ihre Arbeitsstelle behalten sollen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der betroffenen Mitarbeiter im Verhältnis zu diesen Kollegen älter, seit längerer Zeit im Unternehmen beschäftigt und/oder anderen Personen (auch Ehepartnern) zum Unterhalt verpflichtet ist.

Hinzu kommen noch zig formelle Fehler, die ein Arbeitgeber bei einer Massenentlassung begehen kann und deswegen die Erfolgsaussichten für eine Kündigungsschutzklage verbessern.

Stellen sich Mängel bei der Kündigung heraus, was häufig vorkommt, kann der Arbeitnehmer die Fortbeschäftigung erzwingen. Hiervon kaufen sich viele Arbeitgeber durch Zahlung einer besseren Abfindung frei.

Macht es Sinn, jetzt schon eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen?

Diese Frage muss sich jeder vermeintlich Betroffene selbst beantworten. Es spricht nichts dagegen, sich jetzt schon zu informieren und eine Mandatierung zu hinterlegen. Im Rahmen eines ersten Telefonats können einige Fragen geklärt, Missverständnisse aus der Welt geschafft und vielleicht auch schon Weichen gestellt werden.

Welche Erfahrungen hat RA Kothes bei Rechtsstreitigkeiten mit Fluggesellschaften?

Buchalik Brömmekamp berät seit jeher sowohl Unternehmen, die einen Personalabbau planen, als auch Mitarbeiter, die von einem solchen betroffen sind. Daher sind uns die Sorgen und Wünsche der betroffenen Arbeitnehmer genauso bekannt, wie die Schwierigkeiten eines Arbeitgebers, einen großen Stellenabbau formell und materiell ordnungsgemäß und letztlich wirksam zu gestalten.

Die über Jahre bei der Beratung von Unternehmen und Arbeitnehmern gesammelten Erfahrungen setzte Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kothes so auch zuletzt bei der Beratung und Vertretung einer großen Zahl von Mitarbeitern der insolventen Fluggesellschaften Air Berlin, Condor und Germania ein.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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