Ermittlungsverfahren wegen Nachstellung (§ 238 StGB) ? Einstellung des Verfahrens möglich!

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Einer beschuldigten Person wurde vorgeworfen, innerhalb bestimmter Zeiträume mehrfach bewusst den Kontakt zu einer Person (mutmaßlich geschädigte Person) gesucht zu haben, obwohl diese Person vorgab, keinen Kontakt zu der beschuldigten Person haben zu wollen. Die Kontaktaufnahme geschah mutmaßlich durch zahlreiche E-Mails und Briefe. Zudem sollte die beschuldigte Person mit den Kontaktdaten der mutmaßlich geschädigten Person Accounts auf Internet-Portalen erstellt haben, sodass die mutmaßlich geschädigte Person von fremden dritten Personen angeschrieben wurde.

Ein sogenannter hinreichender Tatverdacht, also die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass es in einer Hauptverhandlung zu einer Verurteilung der beschuldigten Person gekommen sein würde, bestand nach Aktenlage bezüglich der oben genannten Tatvorwürfe nicht. Der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) erfordert nämlich die Verwirklichung von insbesondere zwei sogenannten Tatbestandsmerkmalen. Es handelt sich dabei um das Tatbestandsmerkmal der „Beharrlichkeit" und das der „Unbefugtheit". 

Zunächst bestand schon kein hinreichender Tatverdacht, dass die Anmeldung auf den entsprechenden Portalen tatsächlich durch die beschuldigte Person erfolgte. Es kann in solchen Fällen regelmäßig nicht als fernliegend ausgeschlossen werden, dass jemand anderes für die Anmeldung unter dem Namen der mutmaßlich geschädigten Person verantwortlich war. Im Zweifel erfolgt dann eine Entscheidung zu Gunsten der beschuldigten Person ("Im Zweifel für den Angeklagten.").


Im Übrigen wurde insofern weder das Tatbestandsmerkmal der "Beharrlichkeit" noch das der "Unbefugtheit" durch die beschuldigte Person verwirklicht.

Eine beharrliche Nachstellungshandlung setzt die wiederholte Begehung voraus, welche die Missachtung des entgegenstehenden Willens des Opfers aus gesteigerter Gleichgültigkeit zum Ausdruck bringt und daher zukünftige Belästigungen naheliegend erscheinen lässt. Demnach muss dem Täter der entgegenstehende Wille des Opfers bekannt sein. 

Das Tatbestandsmerkmal der Unbefugtheit ist nicht erfüllt, wenn die Kontaktaufnahme aus einem berechtigten Grund erfolgt.

Im konkreten Fall stand die mutmaßlich geschädigte Person in den mutmaßlichen Tatzeiträumen weiterhin in Kontakt mit einer engen Bezugsperson der beschuldigten Person und reagierte zudem auch mehrmals auf Kontaktversuche der beschuldigten Person. Ein entgegenstehender Wille der mutmaßlich geschädigten Person war der beschuldigten Person aus diesem Grund nicht nachweisbar bewusst.

Außerdem fehlte es in dem Zeitraum der Tatvorwürfe an der Unbefugtheit, da die beschuldigte Person ein berechtigtes Interesse an den Kontaktaufnahmen hatte. Die beschuldigte Person hatte noch Gegenstände bei der mutmaßlich geschädigten Person, die sie von ihr herausverlangen durfte.


Aus den vorgenannten Gründen wurde das Ermittlungsverfahren gegen die beschuldigte Person bezogen auf die oben genannten Zeiträume wegen mangelnden hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt.


M I L E S - L A W.DE-TIPP:

Sollte gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Nachstellung geführt werden, ist der wichtigste Rat wie immer der, vor einer ggf. zu erfolgenden Äußerung gegenüber den Beamten des Polizeidienstes bzw. gegenüber der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Akten zu nehmen, die dem Gericht vorliegen bzw. im Falle der Anklageerhebung vorzulegen wären, sowie etwaig amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. Nur so erreichen Sie "Waffengleichheit" im Verhältnis zu den sonstigen Beteiligten des Verfahrens.

Das vollständige Akteneinsichtsrecht steht laut Strafprozessordnung ausschließlich dem Rechtsanwalt zu.

Ein weiterer wichtiger Rat folgt aus dem oben Dargelegten. 

Sofern Sie aus berechtigten Gründen Kontakt zu der mutmaßlich geschädigten Person gesucht haben, oder man Ihnen einen etwaigen entgegenstehenden Willen der mutmaßlich geschädigten Person in Bezug auf etwaige Kontaktaufnahmen durch Sie nicht nachweisen kann, ist das Ermittlungsverfahren gegen Sie einzustellen. Der Strafverteidiger hat darauf hinzuwirken.

Ist Ihnen hingegen der entgegenstehende Wille einer Person, zu der Sie Kontakt suchen bekannt und besteht auch kein berechtigter Grund zur Kontaktaufnahme, ist Ihnen jedenfalls zur Vermeidung der Einleitung/Ausweitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Sie wegen Nachstellung (§ 238 StGB) dringend von einer (weiteren) Kontaktaufnahme abzuraten.

Die Nachstellung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Rechtsanwalt Faris HUSSAIN



TELEFON: 07851/64 307 63

E-MAIL: HUSSAIN@MILES-LAW.DE


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