Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigungskosten?

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Der Fall:

Die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann beauftragten mit Vertrag vom 24. Juli 2002 einen Landschaftsingenieur, den Beklagten zu 5, mit der Planung der Freianlagen und der Überwachung ihrer Herstellung sowie mit weiterem Vertrag vom 16./20. April 2004 unter Einbeziehung der VOB/B (2002) einen Fachhandwerker, den Beklagten zu 1, mit der Ausführung der Naturstein-, Fliesen- und Abdichtungsarbeiten im Innen- und Außenbereich des Objekts. Zwei Streithelfer (Architekten) waren mit der Gebäudeplanung betraut. Die Errichtung des viergeschossigen Einfamilienhauses wurde ab dem Jahr 2003 aufgenommen.

Der Erstbeklagte ließ die Natursteinplatten (Römischer Travertin) durch einen Nachunternehmer verlegen. Nach Abnahme zahlte die Klägerin die im Jahr 2005 erstellte Schlussrechnung des Erstbeklagten. Im Jahr 2007 zeigten sich erste – sich in der Folgezeit schnell verstärkende – Mängel der Natursteinarbeiten (Risse und Ablösungen der Platten, Kalk- und Salzausspülungen, Farb- und Putzabplatzungen, starke Durchfeuchtungen des Putzes).

Die Klägerin hat den Erstbeklagten unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 25 % wegen Planungsfehlern auf Leistung von Vorschuss in Höhe von 91.792,58 € zuzüglich Zinsen für die Durchführung der Mängelbeseitigung in Anspruch genommen. Zugleich hat sie gegenüber dem Beklagten zu 5 Schadenersatz in Höhe von 122.390,11 € nebst Zinsen – in Höhe von 91.792,58 € als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1 – geltend gemacht. Dazu hat sie die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten zu 1 und 5 hinsichtlich aller weiteren, anlässlich der Mängelbeseitigung entstehenden Schäden begehrt. Das Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2015 – 10 O 265/09, hat der Klage stattgegeben.

Während des von den Beklagten zu 1 und 5 eingeleiteten Berufungsverfahrens veräußerte die Klägerin am 17. August 2015 das Objekt. Folglich hat sie die Vorschussklage gegen den Beklagten zu 1 auf Leistung von Schadenersatz in Höhe von 75 % der fiktiven Mängelbeseitigungskosten umgestellt; den Feststellungsantrag haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Entscheidung:

Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2017 – I-5 U 30/15) hat das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als es die Umsatzsteuer auf die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht zuerkannt hat. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen hat es die Beklagten zu 1 und 5 gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 77.429,21 € nebst Zinsen, den Beklagten zu 5 zur Zahlung von weiteren 25.809,74 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zugleich hat das Gericht die Revision zur Schadenshöhe zugelassen wegen der Frage, wie der Schaden zu bemessen sei, wenn der Besteller auf die Beseitigung des Werkmangels verzichte.

In seiner hierauf erfolgten Grundsatzentscheidung hat sich der Bundesgerichtshof von der Schadensersatzberechnung auf Grundlage der fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht verabschiedet: Denn nach seiner bisherigen Rechtsprechung durfte der Besteller, auch wenn er die Mängel nicht beseitigen ließ, den Ersatz der Mängelbeseitigungskosten verlangen, dies als sog. „kleiner Schadenersatz“ (Schadenersatz anstelle der Leistung) gemäß §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB. Nicht mehr hinnehmen wollte der Bundesgerichtshof das bei dieser Verfahrensweise häufig ungerechte Ergebnis, dass die Mangelbeseitigungskosten häufig deutlich höher ausfallen konnten als der Werklohn. Bei der Abrechnung des Schadens auf Grundlage der fiktiven Kosten einer Mangelbeseitigung musste sich der Besteller lediglich die anteilige Umsatzsteuer abziehen lassen, da diese ohne Ausführung der Arbeiten nicht anfiel. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun aufgegeben.

Stattdessen kann der Besteller, der die Sache ohne Durchführung einer Mangelbeseitigung behält, künftig nur noch Schadensersatz verlangen in Höhe des Minderwerts, folglich in der Höhe der Differenz des Wertes der Sache ohne Mangel im Vergleich zum Wert der Sache mit Mangel.

Weiter kann künftig der Besteller, der den Mangel nicht beseitigen lässt und die Sache veräußert Schadenersatz verlangen in Höhe des konkreten (!) Mindererlöses, folglich in Höhe des Geldbetrags, den der Besteller beim Verkauf aufgrund des Mangels nicht realisieren konnte.

Zulassen will der Bundesgerichtshof auch eine Schadensbemessung durch Schätzung des Minderwertes des Werkes, dies durch Vergleich des Wertes des Werkes mit Mangel und des Werks ohne Mangel (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB). Bei der Schätzung nach § 287 ZPO hat das Gericht als Korrektiv die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen.

Die Abkehr von der Ersatzfähigkeit der fiktiven Mängelbeseitigungskosten begründet der Bundesgerichtshof mit dem Bedürfnis, einer Überkompensation entgegenzuwirken.

Anmerkung:

Nach dem Schadensrecht soll der Geschädigte im Rahmen des Schadensersatzes entschädigt werden; Zweck dieses Ersatzanspruchs ist aber keinesfalls eine Bereicherung des Geschädigten. Diese unbillige Folge ist aber häufig eingetreten, wenn ein Besteller die Sache nicht reparieren lässt, sondern diese, gegebenenfalls mit einer geringfügigen Reduzierung der Benutzbarkeit, weiter verwendet.

 (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – Az.: VII ZR 46/17)


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