Erstattung nach 56 IfSG und § 616 BGB - Bleiben Arbeitgeber auf Vergütungsfortzahlung sitzen?

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Die Regelung des § 616 BGB hat eine weitreichende praktische Bedeutung, trotzdem erscheint diese Vorschrift nach meiner Erfahrung in der Praxis recht unbekannt zu sein.

Die weitreichende Bedeutung für Arbeitnehmer ist in erster Linie der vom Gesetz gewährte „Sonderurlaub“, wenn der Arbeitnehmer (hier und im Folgenden: m/w/d) für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Nach § 616 BGB verliert er dann nicht den Anspruch auf seine Vergütung (Beispiele: ein naher Angehöriger verstirbt, Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten, Ladung als Partei oder Zeuge vom Gericht und sogar unter weiteren Voraussetzungen auch bei Erkrankung des Kindes, insbesondere bei Alleinerziehenden).

Aufgrund der CoVid 19-Pandemie erlangt diese Vorschrift nunmehr zusätzliche Bedeutung. Wie allgemein bekannt sein dürfte, erhalten Arbeitnehmer, bei denen aufgrund einer behördlichen Anordnung Quarantäne (derzeit üblicherweise 14 Tage) angeordnet wird, nicht ihr Entgelt weiter nach den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetz, da sie im engeren Sinne nicht arbeitsunfähig sind, sondern nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Genauer gesagt, der Arbeitgeber zahlt direkt die Vergütung an den Arbeitnehmer weiter, hat dann aber die Möglichkeit nach der vorgenannten Vorschrift des IfSG eine Erstattung zu beantragen.

Die zuständigen Behörden tendieren jedoch häufig dazu, diese Anträge abzulehnen. In den entsprechenden Antragsformularen ist häufig die Frage aufgeführt, ob der Arbeitgeber nach § 616 BGB verpflichtet ist, die Vergütung weiter fort zu zahlen (z.B. Schleswig-Holstein - Landesamt für soziale Dienste - dort Ziffer 4; Regierung von Niederbayern, dort Ziffer 11). Die Behörden stellen sich argumentativ auf den Standpunkt, dass die 14-tägige Quarantäne noch eine unerhebliche Dauer der persönlichen Verhinderung ist, so dass der Arbeitnehmer nicht seines Vergütungsanspruchs verlustig wird. Ob eine Quarantäne von 14 Tagen nach den gesetzgeberischen Vorstellungen tatsächlich noch eine derartige nicht erhebliche Verhinderung ist, insbesondere wie sich (Arbeits-)Gerichte dazu äußern, bleibt abzuwarten. Die 14 Tage dürften gerade so an der Grenze liegen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass z.B. nach § 2 PflegeZG eine Grenze von zehn Tagen eher angemessen erscheinen dürfte.

In Anbetracht der Tatsache, dass derzeit jedoch über eine Verkürzung der Quarantäne öffentlich in Politik und Medien diskutiert wird, dürfte davon auszugehen sein, dass künftig behördlich angeordnete Quarantänen eine kürzere Dauer haben werden, somit diese Frage kaum Bedeutung mehr haben wird, mit der Folge, dass bei einer zehntägigen Quarantäne grundsätzlich die Vergütungspflicht gemäß § 616 BGB für den Arbeitgeber bestehen bleiben dürfte.

In Tarif- und auch in Arbeitsverträgen kann man jedoch die Anwendbarkeit von § 616 BGB einvernehmlich ausschließen, also abbedingen. Jedem Arbeitgeber ist also bei Neueinstellungen anzuraten, die Anwendbarkeit von § 616 BGB auszuschließen.

Die Formulierung dazu müsste mindestens lauten: „Die Vertragsparteien sind sich einig, dass § 616 BGB auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet“.

Idealerweise sollte diese (oder eine ähnliche) Formulierung nicht an versteckter Stelle in vorformulierten Arbeitsverträgen stehen, sondern klar und unmissverständlich als gesonderte Klausel dargestellt werden. Bestenfalls sollte kein vorformulierter (Standard-)Arbeitsvertrag vorgegeben werden, sondern diese Regelung individuell mit dem Arbeitnehmer ausgehandelt werden. (Gegebenenfalls kann man bei den Vertragsverhandlungen im Gegenzug anbieten, dafür einige Tage mehr Erholungsurlaub pauschal zum gesetzlichen Mindesturlaub zu gewähren).

Auf jeden Fall besteht dann arbeitgeberseits ein Argument gegenüber der Behörde wahrheitsgemäß zu behaupten, dass ein Anspruch nach § 616 BGB auf Lohnfortzahlung nicht gegeben ist.


Rechtsanwalt Auerbach

Kanzlei Matani & Kollegen  (info@ra-matani.de)



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