Erweiterung des Wohnhauses und Nachbarzustimmung

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Die Frage, ob Nachbarn im Rahmen von Erweiterung von Bauanlagen beteiligt werden müssen beschäftigen immer häufiger die Verwaltungsgerichte. Selbst wenn Nachbarn übergangen werden, gibt es eine Klagemöglichkeit. Dennoch sollten sich Betroffen rechtzeitig beraten lassen.

Mit seinem Beschluss vom 8.10.2021 (2 Bs 192/21) hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg entschieden, dass bei einer baunachbarrechtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle das Vorhaben so zu prüfen ist, wie es sich aus dem Regelungsgehalt der Baugenehmigung ergibt. Davon kann abgesehen werden, wenn die ausgewiesene Funktion der Fläche offensichtlich nicht umsetzbar bzw. vorgeschoben wurde. Die Indizien dafür müssen allerdings deutlich sein.

Im zugrundeliegenden Fall gingen die Antragssteller – Eigentümer eines benachbarten Grundstücks – gegen eine Baugenehmigung vor, welche die Erweiterung eines Mehrfamilienhauses um ein Staffelgeschoss vorsah. Das Bestandsgebäude sollte auf Seiten der Antragssteller mit einer trapezförmigen Grenzwand bebaut und ein bestehender Lichtschacht mit einer Fläche („Lichthof II“) überdeckt werden.

Die Antragssteller fühlten sich in ihrem Zustimmungsrecht verletzt, da eine Änderung der Baugenehmigung ohne ihre Zustimmung durchgeführt wurde. Darüber hinaus rügten sie –  erfolgreich vor dem VG – die nicht eingehaltenen Mindestabstandsflächen der Grenzwand und der Fläche des „Lichthof II.“ Diese stelle faktisch eine Dachterrasse dar und müsse somit die Abstandsflächen beachten.

Gegen die Entscheidung des VG legte die Antragsgegnerin Beschwerde beim OVG ein. Dieses entschied, dass die Entscheidung abzuändern sei.

Die veränderte Baugenehmigung verstoße nicht gegen die  Zustimmungserfodernis aus § 71 II Nr. 1 i.V.m. § 6 V S.1 HS. 2 HBauO. Sowohl die Änderung  der Grenzwand als auch die der Fläche des „Lichthof II seien nicht abstandsflächenrechtlich relevant, „d.h. ohne Bedeutung für die (Neu-)Berechnung der erforderlichen Abstandsflächen [...], sodass es keiner  Zustimmung bedurfte. Zwar müssen auch Dachterrassen Mindestabstandsflächen einhalten, da „Beeinträchtigungen der Schutzgüter des Abstandsflächenrechts zum Nachteil des Nachbarn ausgehen können.“ Hier jedoch sei dem Inhalt der Baugenehmigung zu entnehmen, dass die Fläche des „Lichthof II“ keine Dachterrasse in einem solche Sinne darstelle.

In der „baunachbarrechtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle ist grundsätzlich das Vorhaben, wie es sich aus dem Regelungsgehalt der Baugenehmigung, mithin auch aus den Genehmigungsbestandteil gewordenen Bauvorlagen, ergibt“, zu prüfen. Vom Abstellen auf die Funktion einer Fläche kann allerdings abgesehen werden, wenn aus dem tieferen Inhalt der Genehmigung geschlossen werden kann, dass das Vorhaben nicht umsetzbar ist bzw. es lediglich vorgeschoben wurde, um das Genehmigungsverfahren durchzusetzen. Für diese Annahme müssen allerdings offensichtliche Anhaltspunkte gegeben sein, damit der Prüfungsgegenstand auf den hinausgehenden Inhalt der Genehmigung erweitert werden kann.

So stelle der „Lichthof II“ keine Dachterrasse dar, sondern eine Flachdachfläche. Der angegebenen Funktion nach solle die Fläche nicht weder als Dachterrasse noch dem Aufenthalt von Personen dienen. Den Bauvorlagen können darüber hinaus keine deutlichen Anhaltspunkte entnommen werden, aus denen ersichtlich wäre, dass eine abweichende Nutzung von der Flachdachfläche angestrebt gewesen sei.

Somit wurde nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstoßen und der Antrag der Antragssteller hatte keinen Erfolg.

Foto(s): Janus Galka


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