Es gibt nichts was es nicht gibt - per Sitzstreik zur Gehaltserhöhung

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Es gibt nichts was es nicht gibt. Das dachten sich sicher auch die Richter des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein, als sie den Fall einer sitzstreikenden leitenden Angelstellten zu entscheiden hatten (3 Sa 354/14).

Die Arbeitnehmerin war seit über 20 Jahren in einem Unternehmen beschäftigt. Seit Anfang 2014 hatte sie die Stellung der Leiterin eines Zustellstützpunktes inne. Aufgrund dieser Position wurde sie von dem Arbeitgeber in die Entgeltgruppe 9 eingruppiert. Hiermit war sie definitiv nicht einverstanden. Bezüglich der Eingruppierung folgten unzählige Gespräche der Arbeitnehmerin mit ihren Vorgesetzten. Die Leiterin des Zustellstützpunktes verlangte einen außertariflichen Arbeitsvertrag für ihre Tätigkeit. Die Vorgesetzten teilten der Mitarbeiterin immer wieder mit, dass sie einen solchen Vertrag nicht erhalten werde, zuletzt im April 2014. Sie gab sich damit aber nicht zufrieden, sondern forderte an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Mai erneut eine Vertragsänderung. Der Arbeitgeber wies sie dann ausdrücklich darauf hin, dass er diese Frage nicht mehr weiter mit der Mitarbeiterin erörtern werde. Dies sei nicht diskutabel. Daraufhin erklärte die Mitarbeiterin, dass sie mit sofortiger Wirkung als Leiterin zurücktrete.

Der Arbeitgeber wertete das als Arbeitsverweigerung und er erklärte ihr, dass „Zurücktreten“ nicht möglich sei. Sie soll bitte unverzüglich ihre Arbeit als Leiterin des Zustellstützpunktes weiter verrichten. Die hartnäckige Arbeitnehmerin hatte daraufhin nichts Besseres zu tun, als erneut eine Vertragsänderung auf einen außertariflichen Vertrag zu fordern. Wiederum lehnte die Führungskraft der Mitarbeiterin dies ab. Der Vorgesetzte erklärte das Gespräch für beendet. Dies sah jedoch die Mitarbeiterin offensichtlich nicht so, denn sie erklärte, dass sie nicht weggehe, bevor sie nicht den außertariflichen Arbeitsvertrag erhalten habe. Daraufhin versuchten der Niederlassungsleiter und zwei weitere Führungskräfte die Frau dazu zu bewegen, das Zimmer und auch das Haus zu verlassen. Sie blieb sitzen. Man drohte der Frau sogar mit der Polizei. Man bot ihr sogar an, zu ihrer Unterstützung ihren Ehemann und den Betriebsrat herbeizurufen. Diese Unterstützung schlug sie aus. Auch auf den Hinweis hin, dass sie sich ggf. strafbar mache, und den Arbeitsvertrag massiv verletze sowie eine Kündigung riskiere, blieb sie sitzen. Die dann herbeigerufene Polizei konnte sie nach einer Stunde guten Zuredens bewegen, das Haus zu verlassen.

Das reichte der Frau aber nicht. Am nächsten Tag schickte sie in einem großen Verteiler eine E-Mail mit dem Inhalt „Wer solche Vorgesetzten hat, braucht keine Feinde mehr“. Der Arbeitgeber war nun sichtlich besorgt um das psychische Wohl seiner Mitarbeiterin und schlug ihr vor, sich einmal entsprechend untersuchen zu lassen. Dies schlug sie empört aus. Dem Arbeitgeber reichte es dann, er kündigte außerordentlich bzw. hilfsweise ordentlich das Arbeitsverhältnis.

Die Richter hatten nun über beide Formen der Kündigung zu entscheiden. Sie gaben dem Arbeitgeber insoweit Recht, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Vorgänge ordentlich gekündigt werden konnte. Die Mitarbeiterin hat nach Ansicht der Richter einen massiven Pflichtverstoß begangen. Weil der Fall so gravierend sei, war für die Richter auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Die Richter begründeten den massiven Pflichtverstoß insbesondere damit, dass zu erkennen war, dass es der Arbeitnehmerin ausschließlich um ihre eigenen Interessen gegangen sei. Sie hatte keinen Anspruch auf Abschluss eines außertariflichen Arbeitsvertrags und sie hätte einen solchen Anspruch, wenn es ihn denn überhaupt gegeben hätte, nicht mittels Sitzstreik durchsetzen dürfen. Obwohl der Arbeitgeber über Stunden versucht habe, die Arbeitnehmerin zur Vernunft zu bringen, blieb sie bei ihrer abwegigen Meinung. Die Krönung des Ganzen sei dann die publikumswirksame E-Mail vom Folgetag. Damit ist das Fass endgültig übergelaufen. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Leiterin des Zustellstützpunktes als Vorgesetzte eine Vorbildfunktion habe und ihr an den Tag gelegtes Verhalten in dieser Situation in keinster Weise angemessen war.

Jörg Wohlfeil

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Gießen


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