Aktuelle EuGH-Entscheidung zum Thema Widerruf. Stärkung der Verbraucherrechte

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Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 26.03.2020 kann man schon als Sensation bezeichnen. Es stärkt die Verbraucherrechte massiv und widerspricht der Auffassung des Bundesgerichtes (BGH). Für alle Verbraucher heißt das: Fast jeder Kreditvertrag, ob Immobilienkredit, Autokredit oder sonstiger Konsumentenkredit, ist widerrufbar.

Der sogenannte Widerrufsjoker, der zuletzt mit den Entscheidungen des BGH vom 05.11.2019, XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19 zu Autokrediten einen herben Dämpfer erfahren musste, erhält nunmehr massiv Rückenwind. Der Europäische Gerichtshof stellte sich gegen die verbraucherunfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und das zu Recht. Fast alle Kreditverträge, insbesondere neuere Kredite ab 11.06.2010, enthalten die vom EuGH beanstandete Formulierung, denn die Kreditgeber orientierten sich oftmals an dem gesetzlichen Muster, welches jedoch nach Beurteilung des EuGH fehlerhaft ist.

Bedeutung hat diese Entscheidung beispielsweise auch für Verbraucher, die Opfer des Abgas-Skandals / Dieselskandals geworden sind. Denn viele der erworbenen Autos sind auch hier finanziert worden. Hat man etwa die (umstrittene) Frist zu einem Vorgehen gegen den Autohändler wegen Verjährung verpasst oder wollte sich nicht dem Prozessrisiko der Verjährung aussetzen, bleibt jetzt die Möglichkeit sich durch Widerruf vom Kraftfahrzeug zu trennen.

Das Urteil dürfte die Rechtsprechung weiter beschäftigen. Denn der beanstandete Passus findet sich in fast allen Widerrufsbelehrungen von Krediten. Dort heißt es nämlich regelmäßig, dass der Verbraucher seinen Kredit innerhalb einer Frist widerrufen kann, die mit Abschluss des Vertrages und Erhalt der Pflichtangaben beginnt. Den Verweis auf die Pflichtangaben hat der EuGH nunmehr als unzureichend beurteilt. Denn in den Widerrufsbelehrungen wird auf eine Rechtsvorschrift verwiesen, welche wiederum auf weitere Rechtsvorschriften verweist ("Kaskadenverweis"). Dadurch ist es dem Verbraucher aber nicht möglich zu erkennen, um welche Angaben es sich dabei handelt. Widerrufsbelehrungen müssen aber eindeutig und einfach verständlich sein!

Der Entscheidung des EuGH lag der Widerruf eines Immobiliendarlehens zugrunde. Das mit dem Fall befasste Landgericht Saarbrücken legte diesen Fall dem EuGH vor. Es bat um die Prüfung, ob die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung den Richtlinien über Verbraucherkreditverträge entsprach. Dies wurde letztlich verneint. Der Bundesgerichtshof hatte vormals entgegen der Auffassung des EuGH entschieden und dem Verbraucher die Kompetenz zur Ermittlung der notwendigen Pflichtangaben abverlangt und sich bei der Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung auf die Gesetzlichkeitsfiktion zurückgezogen. 

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass das Muster, welches der deutsche Gesetzgeber für Widerrufsinformationen ab dem 11. Juni 2010 zur Verfügung stellte, nicht geeignet ist, um Verbraucher klar und verständlich über sein Widerrufsrecht zu informieren. Im Anschluss daran erfolgten bereits einige OLG Entscheidungen, die die Gesetzlichkeitsfiktion in Frage stellten. Der BGH indessen macht in einem jüngsten Beschluss deutlich, dass er an der Gesetzlichkeitsfiktion bei Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung festhalten wird (BGH, Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 198/19). Wie sich die Rechtsprechung entwickeln wird, bleibt zunächst abzuwarten. 

Doch damit die die EuGH-Entscheidung keineswegs nur von akademischen Interesse, sondern dürfte auch erhebliche praktische Auswirkungen haben. Für Sie als Verbraucher heißt das: Ihre Darlehensverträge können auch heute noch widerruflich sein, wenn Sie die sogenannte "Kaskadenverweisung" in der Widerrufsbelehrung aufweisen. Hier ist jedoch sorgfältig zu prüfen, ob zudem auch Abweichungen von dem gesetzlichen Muster bestehen. Zu beachten ist zudem, dass die Ausschlussfrist, die der Gesetzgeber zur Erklärung des Widerrufs bei Immobiliardarlehensverträgen setzte, nicht für ab dem 11. Juni 2010 geschlossenen Verträge gilt.

Rechtsfolge des Widerrufes ist die Rückabwicklung. Im Detail kommt es hier dann darauf an, für welchen Zweck das Darlehen abgeschlossen worden ist.

Gerne erläutern wir Ihnen, welche Möglichkeiten in Ihrem Falle bestehen. 



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