Fahrverbot: mögliche Verteidigungsstrategien!

  • 3 Minuten Lesezeit

Ein Beitrag von Michael Böhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Konstanz

Die Verhängung eines Fahrverbotes kann für Betroffene, die auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind, erhebliche Folgen haben, etwa wenn Kinder oder betagte Familienmitglieder befördert werden müssen, kein ÖPNV existiert und der Weg zur Arbeit nur mit dem Auto zurückgelegt werden kann. Für Berufskraftfahrer oder Selbstständige kann ein Fahrverbot sogar existenzgefährdend werden.

§ 25 Abs. 1 StVG sieht bei unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangenen Ordnungswidrigkeit (am häufigsten Geschwindigkeitsüberschreitungen, Rotlichtverstöße oder zu wenig Abstand) die Verhängung eines Fahrverbotes vor.

Wer einen Bußgeldbescheid erhalten hat, in dem ein Fahrverbot enthalten hat, muss sich beeilen und innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen bzw. diesen Schritt von einem auf das Bußgeldrecht spezialisierten Rechtsanwalt als Verteidiger vornehmen lassen; dies hat den Vorteil, dass gleichzeitig eine umfassende Akteneinsicht beantragt werden kann. Es empfiehlt sich übrigens, den Verteidiger bereits nach Erhalt des Anhörungsbogens zu beauftragen, um möglichst früh gegenüber der Bußgeldbehörde tätig werden zu können.

Kein „Pulver verschießen“: Fahrverbot dogmatisch korrekt angreifen!

1) Kann der Tatbestand tatsächlich nachgewiesen werden?

An erster Stelle ist der Tatbestand zu attackieren, also das Messergebnis anzuzweifeln (Sachverständigengutachten einholen!) und die Beschilderung zu überprüfen (gerade bei Baustellen mitunter fehlerhaft), vgl. etwa Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 08.11.2018, Az. 3 Ss (Owi) 190/18. Zudem sind beispielsweise die Lichtbilder darauf in Augenschein zu nehmen, ob der Fahrer identifiziert werden kann.

2) Ist der Erfolgsunwert vorhanden?

Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob sich der sog. Erfolgsunwert realisiert hat, also ob die Gfährlichkeit des Handelns auch wirklich objektiv gesteigert war, was nicht zwingend ist, wenn zwar eine Ampel bei Rot passiert worden ist, jedoch keine Personen in der Nähe waren (Fall vor dem Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03.02.2014, Az. 3 Ws (B) 15/14). Der Erfolgsunwert fehlt auch, wenn den Gefährdeten ein nicht unerhebliches Mitverschulden trifft.

3) Ist auch der Handlungsunwert gegeben?

Schließlich muss der sog. Handlungsunwert, der immer zusammen mit dem Erfolgsunwert vorliegen muss, hinzukommen. Dies ist der Fall, wenn ein leichtsinniges und nachlässiges Verhalten vorzuwerfen ist, allerdings nicht bei einem Augenblicksversagen (vgl. z. B. Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2009, Az. 2 (6) SsBs 1558/09 zum Mitzieheffekt bei Ampeln) oder einem Irrtum.

4) Ist das Fahrverbot erforderlich?

Die Erforderlichkeit liegt nur dann vor, wenn allein das Fahrverbot geeignet ist, den gesetzlich gewünschten Zweck zu erreichen. Wenn aber etwa seit dem Verstoß bereits sehr viel Zeit vergangen ist (Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken, Beschluss vom 06.05.2014, Az. Ss (B) 82/12), kann die lange Verfahrensdauer (ab 2 Jahren) dazu führen, dass die Erforderlichkeit nicht mehr bejaht werden kann und das Fahrverbot wegfällt. 

5) Ist die Anordnung des Fahrverbotes angemessen?

Gerichte und Behörden müssen bei der Entscheidung über die Anordnung eines Fahrverbots immer den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten und für den jeweiligen Einzelfall prüfen, ob die Maßnahme angemessen ist und nicht etwa Härten beruflicher oder privater Natur vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (vgl. Beschluss vom 02.11.2015, Az. 3 (5) SsBs 575/15) sind von Seiten des Gerichts die Anforderungen, ab wann von einer besonderen Härte auszugehen ist, mitzuteilen. 

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass dann von einer Unverhältnismäßigkeit auszugehen ist, wenn das Fahrverbot die wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen ernsthaft gefährdet, obwohl er sämtliche ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Folgen eines Fahrverbotes abzumildern (z. B. Einstellung eines Fahrers). An diesem Punkt ist auf die Umstände im jeweiligen Einzelfall abzustellen.

6) Absehen vom Fahrverbot: der Rettungsanker?

Gemäß § 4 Abs. 4 BKatV soll das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden, sofern von der Anordnung eines Fahrverbotes ausnahmsweise abgesehen wird. 

Dieses „Abkaufen“ des drohenden Fahrverbotes ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen möglich. Wer insbesondere als „Ersttäter“ geständig ist und seine Einsicht nachweist, kann in den Genuss dieser Möglichkeit kommen – ob dies gelingt, ist von Ort zu Ort verschieden, da der jeweilige Richter dies nach seinem Ermessen entscheidet. Sofern er davon ausgeht, dass das erhöhte Bußgeld als „Denkzettel“ für den Betroffenen ausreicht, wird er vom Fahrverbot absehen.

Wie dargestellt existieren verschiedene Ansätze für eine erfolgreiche Verteidigung gegen das Fahrverbot, weshalb dessen Anordnung nicht ohne Überprüfung hingenommen werden sollte.

Als erfahrener Verteidiger in Bußgeldsachen habe ich schon zahlreiche Fahrverbote abgewendet. Ich unterstütze auch Sie gerne!


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Michael Böhler

Beiträge zum Thema