Firmengründung in der Türkei – Limited oder Aktiengesellschaft

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1. Allgemeines

Die Firmengründung in der Türkei ist nach dem Direktinvestitionsgesetz vom Jahre 2003 für ausländische Investoren mit der Neufassung des türkischen Handelsgesetzbuches vom 1. Juli 2012 weiter vereinfacht worden.

Seit 2002 wächst die türkische Wirtschaft stetig und überdurchschnittlich, wodurch sich die Kaufkraft der überwiegend jungen Bevölkerung erheblich erhöht. Die Größe des lokalen türkischen Marktes mit seinen etwa 81 Millionen Einwohnern und 10.540 USD BIP pro Einwohner (Stand 2018) ist somit für ausländische Investoren und Exporteure von herausragender Bedeutung. Nicht zuletzt spielen auch die Lohnkosten- und Arbeitszeitvorteile, für die Wahl der Türkei als Standort, eine erhebliche Rolle. Trotz Turbulenzen in der Politik und Wirtschaft seit 2014 bietet das Land für viele europäische Unternehmen erhebliche Wettbewerbsvorteile im Weltmarkt. 

In der Praxis stellen die beliebtesten Gesellschaftsformen türkische Aktiengesellschaften (Anonim Şirket) und türkische GmbHs (Limited Şirket) dar. Aus diesem Grund beschränken sich unsere Erläuterungen im Folgenden auf diese zwei Gesellschaftsformen.

2. GmbH in der Türkei (Limited Şirket)

Für die Gründung einer GmbH (Limited) in der Türkei ist wie bei Aktiengesellschaft (Anonim Şirket) mindestens eine natürliche oder juristische Person als Gesellschafter erforderlich und ausreichend.

Das Mindeststammkapital der türkischen GmbH (Limited) beträgt 10.000 TRY (ca. 1.600,00 EUR, 09.11.2018). Die türkische GmbH (Limited) haftet ihren Gläubigern gegenüber mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Die einzelnen Gesellschafter haften der Gesellschaft gegenüber lediglich mit ihrer Einlage jedoch für öffentliche Schulden und Abgaben der Gesellschaft mit ihrem persönlichen Vermögen (insbesondere Steuer- und Sozialversicherungsschulden). Dieser Aspekt stellt insbesondere für Gesellschafter einen wesentlichen Nachteil dar, welche sich nicht in der Geschäftsführung befinden. Eine solche Durchgriffshaftung für Gesellschafter existiert bei Aktiengesellschaft gar nicht, was die Aktiengesellschaft attraktiver macht. 

25 % des Stammkapitals müssen vor der Gesellschaftsgründung auf einer Bank hinterlegt werden. Der Rest kann innerhalb von 2 Jahren eingezahlt werden. 

Die türkische GmbH (Limited) besitzt mindestens 2 Organe: Die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsführer. Die Gesellschafterversammlung darf auch außerhalb des Geschäftssitzes stattfinden und sogar im Umlaufverfahren Beschlüsse fassen.

Die Rechtsfähigkeit erlangt die Gesellschaft mit der Eintragung ins Handelsregister. Der Gesellschaftsvertrag muss schriftlich abgeschlossen und beim Handelsregister beglaubigt werden. Ihr Inhalt unterliegt gesetzlich vorgegebenen Mindestanforderungen, wie beispielsweise Angaben über die Gesellschafter, deren Vor- und Familiennamen, Wohnsitz und Staatsangehörigkeit. Die Gründer können für die Erledigung aller anfallenden Gründungsformalitäten einen Anwalt beauftragen, sodass Sie sich wegen den Gründungsformalitäten nicht persönlich in die Türkei kommen müssen. 

Die Gründung erfolgt innerhalb von 2 – 3 Werktagen nach der Antragstellung beim Handelsregister. Die Amtsgebühren und Kosten der Gründung betragen sich je nach Gesellschafteranzahl, Länge des Gesellschaftsvertrags und Anzahl der zu übersetzenden Unterlagen um ca. 600 EUR.

Wesentliche Nachteile der türkischen Limitedgesellschaft im Vergleich zur türkischen Aktiengesellschaft stellen die Durchgriffshaftung für Gesellschafter wegen öffentlichen Schulden und steuerliche Nachteile sowie bürokratische Formalitäten wie Pflicht der notariellen Beurkundung des Anteilskaufvertrags beim Anteilsverkauf dar. Insoweit ist die Gründung einer türkischen Limitedgesellschaft nur in bestimmten Ausnahmefällen sinnvoll. 

3. Aktiengesellschaft in der Türkei (Anonim Şirket)

Für die Gründung einer Aktiengesellschaft (Anonim Şirket) in der Türkei ist wie bei GmbH (Limited) mindestens eine natürliche oder juristische Person als Gesellschafter erforderlich und ausreichend.

Das Mindeststammkapital der Aktiengesellschaft in der Türkei beträgt 50.000 TRY (ca. 8.000 EUR, 09.11.2018). Die türkische Aktiengesellschaft haftet ihren Gläubigern gegenüber wie die türkische GmbH (Limited) nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung der Gesellschafter (Aktionäre) mit privatem Vermögen kommt im Gegensatz zur türkischen GmbH wegen öffentlicher Schulden der Gesellschaft (insbesondere Steuer- und Sozialversicherungsschulden) nicht in Betracht. Eine Haftung des Vorstands ist jedoch für solche Schulden verschuldensabhängig vorhanden, in bestimmten Bereichen sogar verschuldensunabhängig möglich. Dieses Risiko kann ggf. durch eine Versicherung abgedeckt werden.

Die Rechtsfähigkeit erlangt die türkische Aktiengesellschaft mit der Eintragung ins Handelsregister. Genauso wie bei der GmbH-Gründung muss der Gesellschaftsvertrag schriftlich abgeschlossen, beim Handelsregister beglaubigt werden und unterliegt gesetzlich vorgegebenen Mindestanforderungen. Die Gründer können die Erledigung aller Gründungsformalitäten einem Anwalt übertragen. Dies geschieht durch eine notariell beglaubigte Vollmacht, wobei sie für die Gründung nicht persönlich in die Türkei kommen müssen. Das Gründungsverfahren wird nach der Eintragung in das Handelsregister und der Bekanntmachung im Handelsregisterblatt abgeschlossen.

Die Aktiengesellschaft in der Türkei besitzt nach dem Gesetz mindestens 2 Organe: Die Hauptversammlung und der Vorstand. Die Funktion des ehemaligen Aufsichtsrats wurde mit der Gesellschaftsrechtsreform aus dem Jahr 2012 nur bei bestimmten Aktiengesellschaften den unabhängigen externen Wirtschaftsprüfern (bağımsız denetçi) übertragen. Demzufolge existiert keine Wirtschaftsprüfungspflicht, wenn Aktivas der Aktiengesellschaft unter 35.000.000 TRY ist oder jährliche Umsätze unter 70.000.000 TRY ist oder nicht mehr als 175 Mitarbeiter beschäftigt (Stand 01.01.2018). So braucht man bei fast allen Neugründungen keine unabhängige Wirtschaftsprüfung, da diese Voraussetzungen oft lange nicht erreicht werden. 

Im Rahmen der Bestrebungen, den Einsatz neuer Medien zu erleichtern ist es nunmehr möglich, Hauptversammlungen mittels audio-visueller Medien online abzuhalten. Auch Vorstandsbeschlüsse können per elektronische Kommunikation gefasst, müssen jedoch nachträglich mit Originalunterschriften versehen werden. In der Praxis wird jedoch selten davon Gebrauch gemacht. 

Die Gründung der türkischen Aktiengesellschaft erfolgt innerhalb von 2 – 3 Werktagen nach der Antragstellung beim Handelsregister. Die Amtsgebühren und Kosten betragen sich je nach Gesellschafteranzahl, Länge des Gesellschaftsvertrags und Anzahl der zu übersetzenden Unterlagen ca. um 600 EUR.

Die türkische Aktiengesellschaft bietet im Vergleich zu der türkischen Limitedgesellschaft wesentliche Vorteile. Insbesondere existiert für die Gesellschafter gar keine Durchgriffshaftung wegen den öffentlichen Schulden der Gesellschaft. Darüber hinaus gibt es beim Anteilsverkauf komplette Steuerbefreiung für Spekulationsgewinne, wenn die Anteile von einer Privatperson länger als 2 Jahre gehalten und dann verkauft werden. Übrigens ist der Anteilsverkauf ohne notariellen Kaufvertrag möglich. Insoweit passt die türkische Aktiengesellschaft für kommerzielle Unternehmungen grundsätzlich besser als türkische Limitedgesellschaft. 

4. Fazit

Nach der Gesellschaftsrechtsreform in 2012 sind die nachteiligen Aspekte der türkischen Aktiengesellschaft wie Mindestgesellschafterzahl von 5 Personen und Mindestvorstandsmitgliederzahl von 3 Personen beseitigt worden. In vielen Punkten ist die Aktiengesellschaft mit Limitedgesellschaft gleichgestellt worden. 

Die Aktiengesellschaft bietet entscheidende Vorteile für Gesellschafter. Insbesondere existiert keine Durchgriffshaftung für Gesellschafter der Aktiengesellschaft wegen den öffentlichen Schulden der Gesellschaft, während die Gesellschafter einer Limitedgesellschaft mit deren Privatvermögen dem Staat gegenüber anteilig voll privat haften. 

Bei Aktiengesellschaft genießen die Gesellschafter auch beim Anteilsverkauf wichtige Vorteile. Wenn die Anteile von einer Privatperson länger als 2 Jahre gehalten wurden, gilt volle Steuerfreiheit von der Spekulationssteuer. Bei Firmen ist 75 % des Spekulationsgewinns steuerfrei. 

Ein zusätzlicher Vorteil der Aktiengesellschaft ist es, dass der Anteilsverkauf viel einfacher als bei Limitedgesellschaft ist. So können ohne die Einschaltung eines Notars können die Aktien unterschrieben und übertragen werden. Ein Anteilskaufvertrag in einfacher schriftlicher Form ohne notarielle Beurkundung ist ausreichend. 

Aus den oben erwähnten Gründen ist es in der Regel sinnvoller, sich für eine Aktiengesellschaft zu entscheiden. Nur bei Vorliegen von berechtigten Gründen im Einzelfall soll die Gründung einer türkischen GmbH (Limitedgesellschaft) überlegt werden. 

Stand: 09.11.2018

Dr. Fatih Dogan

LL.M-Freiburg

Partner | Rechtsanwalt


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