Forderungsanmeldung im polnischen Insolvenzrecht

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Jeder, der schon einmal mit einem Insolvenzverfahren zu tun hatte, weiß, dass die Beitreibung einer Forderung gegen einen Schuldner im Insolvenzverfahren durch die Anmeldung der Forderung erfolgt. Die Forderungsanmeldung spielt eine ähnliche Rolle wie eine Klage in einem Gerichtsverfahren. Eine solche Lösung erleichtert nicht nur die Geltendmachung einer Forderung gegen einen insolventen Schuldner, sondern ermöglicht es den Gläubigern auch, die Kosten eines Gerichtsverfahrens gegen einen zahlungsunfähigen Schuldner zu vermeiden. Die fristgerechte Anmeldung einer Forderung ist für den Gläubiger gebührenfrei.

Benachrichtigung der Gläubiger über das Insolvenzverfahren

Ein Gläubiger erfährt in der Regel über ein anhängiges Insolvenzverfahren und der Möglichkeit der Forderungsanmeldung von dem Insolvenzverwalter. Laut Art. 176 des polnischen Insolvenzrecht benachrichtigt der Insolvenzverwalter über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gläubiger, deren Anschriften aufgrund der Bücher des insolventen Schuldners bekannt sind, sowie den allgemein für den insolventen Schuldner zuständigen Gerichtsvollzieher. Es kommt vor, dass Gläubiger vom Insolvenzverwalter keine Auskunft über die Insolvenzeröffnung erhalten und sich des anhängigen Insolvenzverfahrens und der Möglichkeit ihre Forderungen anzumelden nicht bewusst sind. Dafür kann es viele Gründe geben. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann z.B. auf Antrag eines Gläubigers erfolgen, dann kann die Feststellung aller Gläubiger für den Insolvenzverwalter viel Zeit in Anspruch nehmen.

Kosten der verspäteten Forderungsanmeldung

Im Gegensatz zum deutschen Insolvenzrecht sind die Kosten einer verspäteten Anmeldung im polnischen Insolvenzrecht erheblich. Gemäß Artikel 235 Absatz 1 des polnischen Insolvenzrechts trägt ein Gläubiger, der nach Ablauf der Frist für die Forderungsanmeldung eine Forderung angemeldet hat, die sich aus dieser Anmeldung ergebenden Pauschalkosten des Insolvenzverfahrens, auch wenn die Verzögerung ohne sein Verschulden eingetreten ist. Die Pauschalkosten ergeben sich aus 15 % der vom Präsidenten des Statistischen Zentralamtes bekanntgegebenen durchschnittlichen Monatsvergütung im Unternehmenssektor ohne Auszahlung gewinnabhängiger Prämien im dritten Quartal des Vorjahres. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags beliefen sich die Kosten für die Forderungsanmeldung nach Ablauf der Frist auf 772,21 PLN.

Frist zur Forderungsanmeldung

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Frist für die Forderungsanmeldung gemäß Art. 51 Abs. 1 Pkt. 4 des polnischen Insolvenzrechts in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgelegt ist und 30 Tage ab dem Datum der Bekanntgabe der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Register läuft. Als das Register ist Monitor Sądowy i Gospodarczy (Gerichts- und Wirtschaftsanzeiger) zu verstehen.

Bei Zahlungsschwierigkeiten und fehlendem Kontakt mit dem polnischen Schuldner ist es notwendig, die Ankündigungen im Monitor Sądowy i Gospodarczy laufend zu überprüfen, um festzustellen, ob der Schuldner vielleicht doch insolvent ist und die Frist für die Forderungsanmeldung läuft. Die Bekanntmachungen im Monitor Sądowy i Gospodarczy spielen eine ähnliche Rolle wie die Bekanntmachungen in Deutschland auf der Website insolvenzbekanntmachungen.de.

Anforderungen an die Forderungsanmeldung

Laut Art. 236 Abs. 1 des polnischen Insolvenzrechts soll ein persönlicher Gläubiger des insolventen Schuldners, der sich an dem Insolvenzverfahren beteiligen will, falls die Ermittlung seiner Forderung unerlässlich ist, seine Forderung dem Insolvenzverwalter innerhalb der im Beschluss über die Insolvenzeröffnung festgelegten First anmelden.

Die Forderungsanmeldung muss den in den Artikeln 239 und 240 des polnischen Insolvenzrechts festgelegten Erfordernissen entsprechen und im Einklang mit den Anforderungen eines Schriftsatzes stehen.

Die Anmeldung der Forderung hat schriftlich in zwei Exemplaren zu erfolgen. In der Anmeldung der Forderung hat der Gläubiger die Beweise anzugeben, die die Anmeldung rechtfertigen.

Laut Art. 240 des polnischen Insolvenzrechts ist in der Anmeldung der Forderung anzugeben:

1) der Vor- und Nachname oder die Firma des Gläubigers sowie entsprechend dessen Wohn- oder Geschäftssitz, PESEL-Nummer oder Nummer im Handelsregister, und im Falle des Fehlens – andere Daten, die eine eindeutige Identifikation ermöglichen;

2) die Bezeichnung der Forderung samt Nebenforderungen und der Wert der Sachforderung;

3) die Beweise für das Vorhandensein der Forderung. Insofern die Forderung in dem, im Rahmen des Umstrukturierungsverfahrens erstellten, Forderungsverzeichnis anerkannt wurde, genügt es, diesen Umstand anzuzeigen;

4) die Kategorie, der die Forderung zuzurechnen ist;

5) die mit der Forderung zusammenhängenden Sicherungen;

6) bei Anmeldung der Forderungen, bei denen der insolvente Schuldner kein persönlicher Schuldner ist, der Sicherungsgegenstand aus dem die Forderung zu befriedigen ist;

7) die Lage des Rechtsstreits, falls bezüglich der Forderung ein Gerichts-, Verwaltungs- oder Schlichtungsverfahren anhängig ist;

8) falls der Gläubiger Gesellschafter oder Aktionär der insolventen Gesellschaft ist - die Anzahl der gehaltenen Anteile oder Aktien sowie deren Art;

9) die Bankkontonummer des Gläubigers, falls der Gläubiger eine solche hat.

Mängel der Forderungsanmeldung

Entspricht die Forderungsanmeldung nicht den Anforderungen eines Schriftsatzes oder den Erfordernissen der Artikeln 239 und 240 des polnischen Insolvenzrechts oder hat der Gläubiger die in Artikel 235 Absatz 1 genannten Pauschalkosten nicht innerhalb der vom Insolvenzverwalter gesetzten Frist gezahlt, so ist Artikel 130 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Innerhalb einer Frist von einer Woche hat der Gläubiger unter Androhung der Rücksendung des Schreibens die Möglichkeit, das Schreiben zu korrigieren, zu ergänzen oder zu bezahlen. Erfolgt die Anmeldung der Forderung durch einen Gläubiger, der von einem Prozessbevollmächtigten in Person eines Anwalts vertreten ist, so wird die Anmeldung, die den in Art. 239 und 240 Anforderungen nicht genügt, oder andere Mängel aufweist, die die Annahme der Anmeldung verhindern, ohne Aufforderung zur Ergänzung zurückgesendet.

Eine Anordnung des Insolvenzverwalter, den Antrag zurückzugeben, ist anfechtbar. Gemäß Art. 242a Abs. 3 des polnischen Insolvenzrechts soll die Beschwerde den Anforderungen des Schriftsatzes genügen und die zurückgegebene Forderungsanmeldung spezifizieren. Die Beschwerde ist innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung des Insolvenzverwalters über die Rückgabe der Forderungsanmeldung mit einer Begründung einzureichen (Art. 242a Abs. 4 des polnischen Insolvenzrechts).

Prüfung der Forderung durch den Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter prüft, ob die angemeldete Forderung in den Handelsbüchern oder anderen Unterlagen des insolventen Schuldners oder in den Eintragungen ins Grundbuch oder ins Register zu finden ist und ruft den insolventen Schuldner auf, innerhalb einer bestimmten Frist eine Erklärung abzugeben, ob er die Forderung anerkennt (Art. 243 Abs. 1 des polnischen Insolvenzrechts).

Wird die angemeldete Forderung in den Handelsbüchern oder anderen Unterlagen des insolventen Schuldners oder in den Eintragungen ins Grundbuch oder ins Register nicht gefunden, fordert der Insolvenzverwalter den Gläubiger unter Androhung der Verweigerung der Anerkennung der Forderung auf, die in der Forderungsmeldung angegebenen Unterlagen innerhalb einer Woche vorzulegen. Diese Frist wird weder verlängert noch wiedereingesetzt. Der Insolvenzverwalter kann jedoch nach Ablauf der Frist eingereichte Unterlagen berücksichtigen, wenn dadurch keine Verzögerung bei der Übermittlung der Liste an den Insolvenzrichter verursacht wurde (Artikel 243 Absatz 2 des polnischen Insolvenzrechts).

Anfechtung der Forderungstabelle

Der Insolvenzverwalter übermittelt die Forderungstabelle dem Insolvenzrichter. Die Information über ihrer Übermittlung wird durch eine Bekanntmachung und Verkündung im Gerichts- und Wirtschaftsanzeiger (Monitor Sądowy i Gospodarczy) veröffentlicht (Art. 255 Abs. 2 des polnischen Insolvenzrechts).

Gemäß Art. 256 Abs. 1 des polnischen Insolvenzrechts kann innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntmachung und Verkündung der Übermittlung der Forderungstabelle an den Insolvenzrichter im Gerichts- und Wirtschaftsanzeiger jeder Gläubiger, der in der Tabelle aufgeführt ist, bei dem Insolvenzrichter Widerspruch gegen die Anerkennung einer Forderung erheben, und derjenige, dessen Forderung nicht anerkannt wurde, gegen die Verweigerung der Anerkennung der Forderung.

Der Widerspruch hat den formellen Anforderungen eines Schriftsatzes zu genügen. Darüber hinaus muss die angefochtene Forderung benannt werden und der Antrag auf die Anerkennung oder Verweigerung der Anerkennung der Forderung samt Begründung und Vorbringung der Beweise zur Bestätigung des Antrags  muss enthalten sein (Art. 257 Abs. 1 des polnischen Insolvenzrechts).

Die obige Lösung erlegt dem Gläubiger erneut die Verpflichtung auf, den Ankündigungen in Monitor Sądowy i Gospodarczy zu folgen. Zum Vergleich: Die im deutschen Insolvenzrecht gewählte Lösung ist wesentlich gläubigerfreundlicher. Nur die Gläubiger, deren Forderungen im Insolvenzverfahren nicht anerkannt wurden, werden über das Ergebnis der Forderungsprüfung durch den Insolvenzverwalter informiert.

Zusammenfassung

Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage der Forderungsanmeldung im polnischen Insolvenzverfahren. Die obigen Fragen und Vorschriften sind nicht erschöpfend und stellen keine Rechtsberatung dar. Die Analyse der Bestimmungen über die Anmeldung von Forderungen führt zu der Schlussfolgerung, dass diese Tätigkeit von Anfang an einem professionellen Bevollmächtigten anvertraut werden sollte. Solche Fälle sollten von Anwälten und Rechtsberatern bearbeitet werden, die die Besonderheiten des Insolvenzrechts verstehen und entsprechende Erfahrung haben. Das polnische Insolvenzrecht sieht relativ kurze Fristen für die Gläubiger vor, innerhalb derer sie bestimmte Maßnahmen ergreifen müssen, und erlegt ihnen viele formale Anforderungen auf. Die Nichteinhaltung dieser Anforderungen kann dazu führen, dass bestimmte ursprüngliche Mängel zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr behoben werden können.

Besonders Gläubiger, die im Ausland ansässig sind, müssen auf die unverhältnismäßig kurzen Fristen für das Tätigwerden im Insolvenzverfahren achten. Wenn ein Gläubiger eine Forderung selbst anmeldet, die sich später als mangelhaft herausstellt, kann es für ihn äußerst schwierig sein, einen Anwalt zu finden, der seine Muttersprache spricht, über ausreichende Erfahrung verfügt und fristgemäß befugt wird, in dem Fall zu handeln.

Berlin, den 01.12.2020

Pawel Majewski, LL.M.

Polnischer Anwalt


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