Freistellung nach Kündigung: Überstunden sind häufig trotzdem abzugelten

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Viele Arbeitnehmer dürfen ihre Überstunden „abfeiern“. Im Falle einer Kündigung wird dann häufig die Dauer der Kündigungsfrist genutzt, um die offenen Überstunden in Freizeit auszugleichen.

In einigen Fällen wird der Arbeitnehmer nach seiner Kündigung freigestellt. Er muss dann ohnehin nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Damit sind allerdings nicht automatisch die offenen Überstunden in Freizeit ausgeglichen. Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Abgeltung in Geld.

So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 20. November 2019 entschieden.

Was passiert mit Überstunden nach der Kündigung?

Wer Überstunden macht, hat einen Anspruch auf Überstundenausgleich. Ob dies in Freizeit oder Geld geschieht, ist im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt.

Auch nach einer Kündigung findet dieser Ausgleich statt. Bei einer ordentlichen fristgemäßen Kündigung arbeitet der Arbeitnehmer nach Zugang des Kündigungsschreibens in der Regel für die Dauer der Kündigungsfrist weiter. Die Überstunden werden dann meistens nach einem der folgenden Modelle ausgeglichen:

  • Es findet ein Freizeitausgleich statt. Der Arbeitnehmer erhält für die restlichen Überstunden freie Tage und darf noch vor Ende der Kündigungsfrist die Arbeit niederlegen.
  • Die Arbeitgeberin zahlt die Überstunden aus. Normalerweise gilt der reguläre Stundensatz. Es kann aber abweichende Vereinbarungen in Arbeits- oder Tarifverträgen geben.

Anders sieht es aus, wenn eine Seite außerordentlich fristlos kündigt. In diesem Fall arbeitet der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung nicht mehr weiter. Deshalb kann auch kein Freizeitausgleich mehr stattfinden. Also bleibt nur die Möglichkeit, die Überstunden auszubezahlen.

Sollte es zu einem Gerichtsprozess über die Bezahlung der Überstunden kommen, muss der Arbeitnehmer folgende Umstände Beweisen:

  • Der Arbeitnehmer hat tatsächlich mehr als vereinbart gearbeitet.
  • Die Überstunden wurden von der Arbeitgeberin angeordnet oder zumindest gebilligt.

Aus diesem Grund ist es für den Arbeitnehmer ratsam, Belege über die geleisteten Überstunden aufzubewahren.

Freistellung nach der Kündigung 

Im entschiedenen Fall war die Arbeitnehmerin bei der Arbeitgeberin als Sekretärin beschäftigt. Die Arbeitgeberin sprach eine fristlose Kündigung aus, woraufhin die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage erhob. Vor Gericht schlossen die Parteien einen Vergleich und einigten sich auf eine ordentliche Kündigung zum 31.01.2017. Die Arbeitgeberin stellte die Arbeitnehmerin außerdem für die Dauer der Kündigungsfrist von der Arbeit frei. Die Parteien vereinbarten aber nicht, was mit den verbliebenen Überstunden passieren sollte.

Nun verlangte die Arbeitnehmerin finanziellen Ausgleich für 67,10 Überstunden. Es ging um einen Betrag von € 1.317,28 nebst Zinsen. Die Klage hatte Erfolg vor dem Arbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage in der zweiten Instanz jedoch zurück. Die Revision der Arbeitnehmerin vor dem BAG hatte hingegen Erfolg.

Kein automatischer Überstundenausgleich durch Freistellung

Das BAG entschied im Sinne der Arbeitnehmerin. Es erkannte einen Anspruch auf Auszahlung der Überstunden an.

Für Überstunden, die nicht während des Arbeitsverhältnisses ausgeglichen worden seien, müsse die Arbeitgeberin nach Wirksamwerden der Kündigung einen Ausgleich in Geld bezahlen. In diesem Fall habe vor Ende des Arbeitsverhältnisses gerade kein Ausgleich stattgefunden. Auch die Freistellung für die Dauer der Kündigungsfrist sei kein Freizeitausgleich. Ein Überstundenabbau durch eine vereinbarte Freistellung finde nur statt, wenn für den Arbeitnehmer deutlich erkennbar sei, dass die Freistellung Überstunden ausgleichen solle. Hier folge dies weder ausdrücklich noch stillschweigend aus dem Vergleich.

Fazit

Auch nach einer Kündigung müssen verbliebene Überstunden ausgeglichen werden. Die Überstunden werden außerdem durch eine Freistellung nicht automatisch abgebaut. Der Arbeitnehmer muss für einen Überstundenabbau deutlich erkennen müssen, dass die Freistellung zu diesem Zweck erfolgt. Geht dies aus den Vereinbarungen nicht ausdrücklich hervor, besteht ein Anspruch auf Ausgleich in Geld.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 20.11.2019, Az. AZR 578/18)


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