Gaffer – Wenn die Sensationsgier die Oberhand gewinnt, drohen verschärfte Strafen und Schmerzensgeld

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Sind wir mal ehrlich: Wenn uns irgendwo Blaulichter auf Gefahr hinweisen, funkt das eine Gehirnareal an das andere die Frage: Was ist denn da passiert?

Während aber die meisten Menschen diese Neugier in vertretbarem Maße kanalisieren, allenfalls einen kurzen Blick auf das situative Gepräge werfen und sich umgehend vom Unglücksort entfernen, gibt es auch eine Spezies Mensch, auf die eine Unfallstelle scheinbar eine magnetische Anziehungskraft entfaltet: Den Gaffer.

Manch Schaulustiger sieht gar seine Chance gekommen, einmal Roland Emmerich – für ganz, ganz Arme – zu „spielen“. Es werden Videos gedreht, Bilder geknipst und leider auch oftmals in den Sozialen Medien geteilt.

Warum das Gaffen nicht nur menschlich unterste Schublade ist und wie sich Unglücksopfer und deren Hinterbliebene gegen Gaffer zur Wehr setzen können, soll im Folgenden beleuchtet werden.

Homo sapiens oder Homo gaffericus?

Die Neugier ist in der Natur des Menschen angelegt. Und gegen den natürlichen Instinkt kommt man bekanntlich nur schwer an. Gleichwohl hat der liebe Herrgott dem Menschen – dem einen mehr, dem anderen weniger – auch etwas mit in die Wiege gelegt, was gemeinhin als der gesunde Menschenverstand bezeichnet wird. Pathetisch könnte man auch noch anführen, dass er uns ein Herz eingepflanzt hat, das nicht nur zum Erhalt der Vitalfunktionen dient.

Sei es, wie es sei: Es gibt ihn nun mal auch: Den Homo gaffericus. Bei ihm obsiegt die Sensationsgier im Kräftemessen mit Herz und Verstand. Dafür muss er dann aber natürlich die rechtlichen Konsequenzen tragen…

Von pädagogischen Ansätzen bis zum verschärften Gesetz

Schlagzeilen machte im Mai 2021 ein tödlicher Unfall auf der A3 bzw. das, was im Anschluss geschah. Ein gaffender und filmender PKW-Fahrer verärgerte die am Unfallort befindlichen Polizeibeamten mit seiner Penetranz so sehr, dass die Polizisten kurzerhand den Gaffer aus seinem PKW geleiteten. Allerdings nicht in den nächsten Streifenwagen, sondern hin zum Leichnam des verunglückten PKW-Fahrers.

Hier sollte der Gaffer scheinbar einer Vorort-Schocktherapie unterzogen werden. Erzieherischer Gedanke: Schau ganz genau her, mit welch entsetzlichem Elend du Gaffer deine paar Sekunden „Fame“ oder ein paar Taler erhaschen wolltest.

Entfaltet ein solcher grobpädagogischer Ansatz vielleicht mehr erwünschte Wirkung als eine jede Geldbuße, so dürfte das polizeiliche Vorgehen dennoch kaum Schule machen. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten dürfte die Schocktherapie nämlich – so menschlich nachvollziehbar sie auch gewesen sein mag – nicht allzu lupenrein gewesen sein.

Da kommt es umso gelegener, dass sich der Gesetzgeber der Thematik Gaffer noch einmal strafschärfend angenommen hat. So steht seit 01.01.2021 auch das Anfertigen von Bildaufnahmen von verstorbenen Personen gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB unter Strafe. Davor war eine Strafbarkeit nur bei der Ablichtung lebender Personen gegeben.

Wenn Gaffer Rettungskräfte behindern, kommen gar Straftaten wie (fahrlässige) Körperverletzung oder auch Tötung in Betracht. Betätigt sich der Gaffer lieber als Sensationsreporter anstatt notwendige und zumutbare Hilfe zu leisten, ist überdies eine Belangung wegen unterlassener Hilfeleistung möglich.

In concreto werden Gaffer realistisch in den meisten Fällen eine Geldstrafe zu erwarten haben. Eine Geldbuße kommt auch nach dem OWiG in Betracht.

Der Gesetzgeber dürfte mit seiner Verschärfung aber auch ein Signal in Richtung Rechtsprechung gegeben haben, wonach grundsätzlich eine härtere Gangart gegen Gaffer jedenfalls nicht unerwünscht ist. Und auch vor der Gesetzesverschärfung gab es schon Fälle, bei denen Gaffer zu Gefängnisstrafen verurteilt worden sind.

Schmerzensgeld für Gafferopfer?

Werden Unfallopfer gefilmt und diese Bildnisse auch noch Dritten zugänglich gemacht, sind aufgrund der damit einhergehenden Persönlichkeitsrechtverletzung durchaus zivilrechtliche Schmerzensgeldansprüche für das unfreiwillig bebilderte Unfallopfer oder auch dessen Hinterbliebene nicht mehr fernliegend.

Zum Schluss ein Schmankerl der Genugtuung

Den Beweis dahingehend, dass ein Gaffer Bilder angefertigt hat, dürfte man häufig erstaunlich leicht führen können. Denn dafür wird im Zweifel schon ein anderer Gaffer gesorgt haben, der Bilder an der Unglücksstelle angefertigt hat.

So könnte es zur paradoxen Situation kommen, dass sich die filmenden Gaffer gegenseitig ihrer Straftaten überführen. So kann’s kommen…

Mehr Infos auch im Video.

Über die Kanzlei Mutschke
Frau Rechtsanwältin Nicole Mutschke ist gefragte Rechtsexpertin und deutschlandweit bekannt aus den Medien (RTL, ntv, ZDF, sternTV, WDR etc.). 

Die Kanzlei Mutschke berät ihre Mandanten bundesweit engagiert und kompetent in allen Fragen des Social Media-, Medien-, Urheberrecht-, Unternehmens- und Verbraucherrechts.
Auf TikTok hat die Kanzlei den ersten Anwaltskanal in Deutschland gegründet und berät dort ihre wachsende Followerschaft in allen rechtlichen Belangen. Die Kanzlei unterhält ebenfalls Kanäle auf Instagram, YouTube, Twitch etc.

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