Geschäftsführersperre bei Verurteilung wegen sog. Bankrottdelikte

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Ein Beitrag von Rechtsanwältin | Steuerberaterin Elisa Roggendorff (roggendorff@lfr-law.de)


Das Insolvenzstrafrecht ist mit ca. 23% die zweitgrößte Deliktsgruppe innerhalb der Gruppe der Wirtschaftskriminalität. Das Insolvenzstrafrecht im Sinne der Kriminalstatistik umfasst die Bankrottdelikte §§ 283 ff. StGB sowie die Insolvenzverschleppung 15 a InsO. Die Zuordnung entspricht damit den Insolvenzdelikten im engeren Sinne. Insolvenzstraftaten im weiteren Sinne wie § 370 AO, § 266 a StGB, § 263 StGB werden daher in der Kriminalstatistik nicht erfasst. Der durch Insolvenzdelikte im engeren Sinne verursachte Schaden beläuft sich auf ca. 1.785 Mio. Euro von 6.647,4 Mio. Euro und damit auf gut 27 % des Gesamtschadens. Da die Insolvenzgerichte nach der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen der Staatsanwaltschaft die Beschlüsse über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und des Vergleichsverfahrens sowie über die Abweisung des Antrags mangels Masse mitzuteilen haben, ergibt sich ein Anfangsverdacht für die Staatsanwaltschaft regelmäßig auch ohne Strafantrag von Gläubigern. Je nach Bundesland kommt es daher in etwa der Hälfte der Insolvenzfälle zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Insolvenzdelikte werden damit zu Masseverfahren. Diese sollen entsprechend schnell abgeurteilt werden. Häufig durch Strafbefehl.


§ 6 GmbHG regelt, dass Geschäftsführer nicht sein kann, wer [ ]

3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten

a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung),

b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), [ ]

e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils.

Für viele Betroffene stellt diese Rechtsfolge die eigentliche Härte dar.


Hierzu im Einzelnen:


1. Insolvenzverschleppung § 15 a InsO Vorsatz und Fahrlässigkeit


Grundsätzlich droht bei vorsätzlicher Insolvenzverschleppung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren; bei fahrlässigem Verhalten ist der Strafrahmen auf 1 Jahr begrenzt, § 15 a Abs. 4, 5 InsO. Das rechtzeitige Bemühen um Befriedigung der Gläubiger eröffnet den Anwendungsbereich der §§ 153 ff StPO. Häufig bleibt das Strafmaß bei Ersttätern und ausreichender (anwaltlicher) Verteidigung im Ermittlungsverfahren unter 91 Tagessätzen. Für die Geschäftsführersperre kommt es jedoch auf die Höhe der Tagessätze nicht an. Die Verurteilung wegen Vorsätzlichkeit reicht aus.

Dabei sind die Anforderungen an die Verwirklichung einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung hoch: Im Rahmen des § 15a InsO muss der Täter es zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass die wirtschaftliche Lage des betroffenen Unternehmens durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zur Stellung eines Eröffnungsantrags zwingt. Die Fälligkeit einer Forderung reicht spiegelbildlich für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht aus, da diese nicht zwingend mit dem Ausbleiben des Zuflusses liquider Mittel oder der Fälligkeit von Forderungen einhergeht, sondern sich erst aus einer Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva ergibt. Die Notwendigkeit, als Geschäftsführer Kenntnis von der Liquiditätslage zu haben, dient allenfalls als Beleg für einen Fahrlässigkeitsvorwurf. Eine vorsätzliche Begehung ist im Hinblick auf die Liquiditätslage nicht ersichtlich, zumal zwar die Forderung beziffert ist, nicht aber die vorhandenen liquiden Mittel. Diese liquiden Mittel bestehen nicht nur aus den verfügbaren Bankguthaben, sondern auch aus der Summe der kurzfristig zu beschaffenden Vermögensgegenstände. Dazu gehören neben den liquiden Mitteln aus dem Kassenbestand auch Forderungen, die selbstständige Verwertung des Firmenwertes und kurzfristig zu beschaffende Kredite sowie der Veräußerungswert von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens. Dass der Geschäftsführer Kenntnis von der Liquiditätslage haben muss, begründet allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf.

Zumindest in Amtsgerichten findet dies wenig bis keine Beachtung. Weder fiskalische Interessen noch Mindestanforderungen an den Amtsermittlungsgrundsatz finden ihren Niederschlag gegen das unbedingte Bedürfnis eine Geschäftsführersperre durch vorsätzliche Verurteilung herbeiführen zu können.




2.         Bankrottdelikt Rechtzeitigkeit der Aufstellung eines Jahresabschlusses

Vor die Klammer wird bei allen Bankrottdelikten der Eintritt der objektiven Bedingung gesetzt, dass der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist. Häufig wird die nicht oder nicht rechtzeitige Erstellung von Jahresabschlüssen von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen. Dies führt insoweit zu einer Erhöhung des Strafrahmens und zu einer Geschäftsführersperre.

Gemäß § 283 b StGB macht sich der Verletzung der Buchführungspflicht schuldig, wer es unterlässt, innerhalb der vorgeschriebenen Frist ein Vermögensverzeichnis oder ein Inventar aufzustellen. Nach § 264 Abs. 1 Satz 3, 4 HGB ist der Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften innerhalb von drei Monaten aufzustellen. Kleinstkapitalgesellschaften, die die Größenmerkmale des § 267 a HGB nicht überschreiten, haben den Jahresabschluss innerhalb von sechs Monaten aufzustellen.

Aufstellung der Bilanz bedeutet die Aufstellung der Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva, auf die Feststellung nach §§ 172, 173 AktG kommt es nicht an. Eine geordnete Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva innerhalb der gesetzlichen Frist ist somit bereits durch die ordnungsgemäße Verbuchung und die Vollständigkeit der Unterlagen gegeben.


Das Delikt ist für die Staatsanwaltschaften schnell „ausermittelt“. Es erfordert lediglich den Abruf des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger und einen Blick auf das Datum der Aufstellung bzw. Veröffentlichung.


Wird die Aufstellung der Bilanz an einen Dritten, zumeist Steuerberater delegiert, kann die Strafbarkeit bereits dann nicht gegeben sein, wenn der Bilanzierungspflichtige dem Dritten die notwendigen Unterlagen rechtzeitig überlassen hat. Dies ist folgerichtig: Der Norm liegt die Erwägung zugrunde, dass die Erfüllung der Pflichten den Jahresabschluss rechtzeitig aufzustellen Klarheit über die wirtschaftliche Situation schafft und damit vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen und dem Eintritt bzw. der Verschärfung der Krise schützt.


Die Anwendung der objektiven Strafbarkeitsbedingung erfordert jedoch eine restriktive Interpretation.


Danach muss zumindest „irgendeine Auswirkung“ vorliegen, die sich als gefahrerhöhende Folge der Pflichtverletzung darstellt, z.B. Zeitverlust durch Nachholung der Bilanzierung zu Dokumentationszwecken gegenüber Insolvenzverwaltern und Gläubigern oder mangelhafte rechtzeitige Erkennbarkeit der bedrohlichen Lage des Unternehmens infolge der Pflichtverletzung. Insbesondere in den Fällen, in denen die unterlassene Bilanzierung vor Eintritt der objektiven Bedingung nachgeholt wird, entfällt der erforderliche Kausalzusammenhang und damit das Strafbedürfnis.


Betroffene sollten auf ein Anhörungsschreiben der Staatsanwaltschaft hin tunlichst anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen. Akteneinsicht ist notwendig, um eine effektive Verteidigung vorbereiten zu können. Spontane Äußerungen können sich nachteilig auf das spätere Verfahren auswirken. Auch sollten Möglichkeiten der Schadenswiedergutmachung geprüft werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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