Gesellschaftsrecht: Was tun bei Tod eines GmbH-Gesellschafters?

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von Dr. Marc Laukemann*


Eine Kapitalgesellschaft (GmbH, AktG) ist zwar eine eigenständige Rechtsform wird aber führungslos, wenn der Geschäftsführer/Vorstand verstirbt. Während bei der Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat einen Nachfolger bestellen kann und damit die Handlungsfähigkeit auch für den Fall sichergestellt ist, dass der einzige Aktionär und Vorstand verstirbt, ist die Rechtslage bei einer GmbH schwieriger.


Wie ist die Rechtslage beim Tod eines GmbH-Gesellschafters?

Sofern die Satzung der GmbH keine anderweitige Regelung enthält, fällt der Geschäftsanteil grundsätzlich in den Nachlass und geht mit dem Tod des Gesellschafters automatisch auf den oder die Erben über. Der Erbe erwirbt mit dem Erbfall den Geschäftsanteil und wird damit tatsächlich unmittelbar Gesellschafter. Mehrere Erben können nur einvernehmlich handeln.

  • Empfehlung: Aus Gesellschaftssicht sollte eine Regelung in die Satzung aufgenommen werden, wonach die Erben verpflichtet sind, einen einzigen gemeinsamen Vertreter zu benennen, andernfalls sind sie von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen. Aus Sicht des Erblassers ist es zusätzlich empfehlenswert, bei mehreren (oder minderjährigen) Erben Testamentsvollstreckung anzuordnen.

Eine große rechtliche Herausforderung stellt aber § 16 Abs. 1 GmbHG dar. Danach gilt der Erbe gegenüber der Gesellschaft gem. §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 40 GmbHG erst mit seiner Eintragung in die Gesellschafterliste als Inhaber des Geschäftsanteils. Bis dahin wird weiterhin der in der Liste eingetragene verstorbene Erblasser unwiderleglich als relativer Gesellschafter vermutet!


Muss ich einen toten Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung laden?

Gemäß § 51 Abs. 1 GmbHG erfolgt die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebenen Briefs. Diese Einladung ist an alle in der Gesellschafterliste (§§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 40 Abs. 1, 16 Abs. 1 GmbHG) eingetragenen Gesellschafter unter ihrer zuletzt mitgeteilten Adresse zu richten.

Ist ein Gesellschafter verstorben, aber noch weiterhin in der Gesellschafterliste eingetragen, gilt die verstorbene Person für die Gesellschaft noch als Gesellschafter (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 01.09.2016 – 2 U 95/15). Es genügt damit der Versand einer Einladung an seine letzte Adresse, gleich ob das Versterben bekannt ist oder nicht. Eine daraufhin ordnungsgemäß adressierte Ladung ist auch dann wirksam, wenn sie als unzustellbar zurückkommt.


Was passiert, wenn die Gesellschaft Kenntnis vom Tod des Gesellschafters hat?

Solange der Gesellschaft der Tod des Gesellschafters nicht bekannt ist, ist dieser weiterhin zu laden. Die Einladung ist gesellschaftsrechtlich nach überwiegender Auffassung wirksam.

Umstritten ist, ob die Gesellschaft hingegen bei Kenntnis vom Tod des Gesellschafters und der Person des Erben, diesen zu laden hat. Nach richtiger Auffassung kommt es auf die Kenntnis der Gesellschaft von der Veränderung insoweit nicht an als § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mit der Folge greift, dass die Gesellschaft weiterhin ausschließlich den verstorbenen Eingetragenen als Gesellschafter anerkennen muss. Selbst bei Vorlage eines Erbscheins ist der Erbe (als Gesellschafter und Nachfolger des Verstorbenen) erst als zu laden, wenn er in die Gesellschafterliste eingetragen ist.

Allerdings gilt die im gesamten Gesellschaftsrecht geltende gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auch hier und verpflichtet die verbleibenden Gesellschafter (und damit mittelbar auch den Geschäftsführer) zur Rücksichtnahme, d. h. konkret

Pflicht 1: Die Geschäftsführung muss bei der Ladung zur Gesellschafterversammlung im Rahmen der Terminierung, so weit wie möglich, auf eine bekannte Verhinderung eines Gesellschafters Rücksicht nehmen, um ihm eine Teilnahme zu ermöglichen. Sofern kein dringender Fall vorliegt, hat der Erbe mindestens einen Monat Zeit für die Erlangung eines Erbscheins und einen Anspruch darauf, seine Eintragung in die Gesellschafterliste eingeräumt zu erhalten (Rechtsgedanke des § 18 Abs. 3 GmbH).

In der Zwischenzeit dürfen keine Beschlüsse gefasst werden.

  • Hinweis: Dennoch gefasste Beschlüsse sind nach richtiger Auffassung von Anfang an als nicht existent zu betrachten (also nichtig und nicht nur innerhalb der Anfechtungsfrist von einem Monat anfechtbar).

Pflicht 2: Die Geschäftsführung/Mitgesellschafter sollten, soweit möglich und bekannt, den noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragenen Erben von einer anstehenden Gesellschafterversammlung formlos informieren.


Wie wird die Gesellschafterliste nach dem Tod eines Gesellschafter-Geschäftsführers geändert?

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, eine, um den Erben korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, vgl. § 40 Abs. 1 GmbHG. Unterlässt er dies kann er sich persönlich schadensersatzpflichtig machen, vgl. § 40 Abs. 3 GmbHG.

Schwierig und rechtlich umstritten ist die Rechtslage, wenn der verstorbene Gesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer war.

Denn die neue Gesellschafterliste kann in der Regel nur der Geschäftsführer zum Handelsregister einreichen. Ohne Einreichung erhält der Erbe aber keine formale Gesellschafterstellung; ohne formale Gesellschafterstellung kann und darf er keinen neuen GmbH-Geschäftsführer bestellen und zum Handelsregister anmelden.

Hat die Gesellschaft keinen Geschäftsführer mehr, muss ein neuer bestellt werden. Dies ist Aufgabe der Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 5 GmbHG. Zu dieser lädt an sich der Geschäftsführer ein, § 49 Abs. 1 GmbHG. Daneben können Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens zehn Prozent des Stammkapitals ausmachen, sofern kein anderer Geschäftsführer mehr vorhanden ist, eine Versammlung ausnahmsweise unmittelbar einberufen, vgl. § 50 Abs. 3 1 2. Fall GmbHG.


Was aber tun, wenn kein anderer Gesellschafter existiert?

Der in der Liste eingetragene Verstorbene wird weiterhin unwiderleglich als Gesellschafter vermutet, auch wenn er nicht mehr existiert und seine Rechte selbst nicht mehr wahrnehmen kann.

In diesem Fall bieten sich folgende Möglichkeiten an, um einen neuen Geschäftsführer zu bestellen, der dann auch die geänderte Gesellschafterliste einreichen kann:

  • Die Erben können sich an das zuständige Registergericht wenden und die Bestellung eines Notgeschäftsführers beantragen OLG Karlsruhe 27.4.2022 – 1 W 71/21 (Wx).


Was tun, wenn die Erben des toten Gesellschafters nicht bekannt sind?

Sind der oder die Erben nicht bekannt, sollten die verbleibenden Gesellschafter/Geschäftsführer beim zuständigen Nachlassgericht (vgl. unter https://www.justizadressen.nrw.de/de/justiz/suche) anregen, einen Nachlasspfleger gem. § 1960 BGB zu bestellen, wenn der Erbe unbekannt ist.

Fazit

Der Tod eines Gesellschafters hat nicht nur eine persönliche Dimension für das Umfeld des Verstorbenen, sondern führt auch zu gesellschaftsrechtlichen Herausforderungen, die aber alle lösbar sind. Grundsätzlich empfiehlt sich zügiges Handeln, im Zweifelsfall sollte zuvor Rechtsrat eingeholt werden.


* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Der Beitrag spiegelt auch seine persönlichen Erfahrungen als Sonderprüfer in Gesellschafterkonflikten wider.


Über #LFR Wirtschaftsanwälte

LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner bei Wirtschaftskonflikten aller Art, insbesondere im Gesellschaftsrecht. Wir verfügen seit über 20 Jahren über umfangreiche Expertise in allen typischen Formen der Gesellschafterkonflikte, insbesondere Auseinandersetzungen in Familien- und Freiberuflergesellschaften, bei Startups und VC-finanzierten Gesellschaften, bei Personengesellschaften, AGs, Vereinen, Stiftungen, bei Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen (M&A-Dispute) oder Unternehmensnachfolge, bei der Verteidigung von (ehemaligen) Gesellschaftern, Geschäftsführern, Vorständen, Aufsichts- und Beiräten gegen Ansprüchen von Insolvenzverwaltern oder Firmenkäufern, bei der Abberufung, Bestellung und Durchsetzung von Geschäftsführern, Vorständen und geschäftsführenden Gesellschaftern.

Foto(s): https://unsplash.com/photos/OQMZwNd3ThU

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