Gutscheinlösung verfassungswidrig?

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Um die Folgen der Corona Pandemie für Veranstalter einzudämmen, hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 20.05.2020 die sogenannte Gutscheinlösung eingeführt.

Ihre rechtliche Grundlage findet die Gutscheinlösung Art 240 § 5 EGBGB.  Dort ist geregelt, dass, wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann,  der Veranstalter berechtigt ist, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben.

Intention dieser Regelung war es, dem Veranstalter eine gewisse Liquidität zu bewahren, indem er nicht, was eigentlich nach der bis zum Eingreifen der Gutscheinlösung geltenden Rechtslage der Fall wäre, bei abgesagten Veranstaltungen den Ticketpreis sofort zu ersetzen hat.

Was ein Vorteil für den Veranstalter ist, ist aber gleichzeitig auch ein Nachteil für den Kunden. Er hat keinen Anspruch auf sofortige Erstattung des Ticketpreises und bekommt sein Geld erst zurück, wenn er bis zum Ende des Jahres 2021 den Gutschein nicht eingelöst hat. Der Gutschein führt zu einer Stundung des Rückzahlungsanspruches des Kunden Der Versuch, die Liquidität der Veranstalter zu schonen, führt also auf der anderen Seite ggf. zu Liquiditätsproblemen bei den Kunden. Zwar gibt es eine Härtefallregelung, die besagt, dass eben in Härtefällen der Kunde sich nicht auf den Gutschein verweisen lassen muss. Aber ein solcher Härtefall dürfte nur in Ausnahmefällen vorliegen.

Und was ist, wenn der Veranstalter vor dem 01.01.2022 in die Insolvenz geht? Dann bleibt der Kunde auf dem Gutschein sitzen und wird seinen Auszahlungsanspruch nicht mehr realisieren können.

Letztlich verlagert die Gutscheinlösung das Insolvenzrisiko also auf den Kunden. Eine Insolvenzsicherung der Gutscheine, wie man sie aus dem Reiserecht kennt,  ist von der gesetzlichen Regelung nämlich gerade nicht vorgesehen.

Unter anderem wegen dieser Fragen ist das Amtsgericht Frankfurt der Auffassung, dass die Gutscheinlösung verfassungswidrig ist.

Hintergrund ist die Klage eines Rechtsanwalts vor dem AG Frankfurt. Dieser hatte zwei Karten für ein Konzert einer deutschen HipHop Gruppe erworben und bekam, weil diese Konzert wegen der Pandemie abgesagt werden musste, vom Veranstalter einen Gutschein. Hiermit war der Anwalt nicht einverstanden und klagte vor dem AG Frankfurt auf Rückerstattung des Ticketpreises.

Das Amtsgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Prozess nur entschieden werden könne, wenn feststeht, ob die Gutscheinlösung verfassungsgemäß sei.  Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass die Regelungen nicht verfassungsgemäß ist.

Im Wesentlichen stützt das Amtsgericht seine Auffassung auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG Abs. 1 S. 1 GG.

Durch die Regelung der sogenannten Gutscheinlösung wird nach Meinung des Gerichts in die privatautonome Verfügungsbefugnis eines Forderungsinhabers über seine Forderung eingegriffen. Mit anderen Worten: Die Eigentumsgarantie schützt den Inhaber einer Forderung insoweit, dass er über diese Forderung verfügen kann, sie also z.B. einfordern oder einklagen kann. Durch den Gutschein wird dies – zumindest für eine gewisse Zeit  verhindert. Der Eigentümer der Forderung ist in seiner Verfügung über die Forderung beschränkt, da er durch den Gutschein nur die Wahl hat, diesen für eine andere Veranstaltung einzulösen oder bis zum 01.01.2022 zu warten, um den Wert dann erstattet zu bekommen. Dieser Eingriff ist laut Auffassung des AG Frankfurt nicht gerechtfertigt. Die Gutscheinlösung ist nicht verhältnismäßig, weil sie nicht erforderlich ist, um das Ziel, das mit dieser Regelung erreicht werden soll zu realisieren. Der Zweck, den Veranstaltern Liquidität zu erhalten, kann auch ohne Aufbürdung des Insolvenzrisikos auf den Kunden geschehen. Zum Beispiel durch eine Insolvenzsicherung der Gutscheine oder durch staatliche Hilfen für die Veranstalter.

Weiter beanstandet das Amtsgericht, dass die Gutscheinlösung rückwirkend in einen bereits geschlossenen Vertrag eingreift. Es werden durch die Gutscheinlösung also Regeln aufgestellt, die es bei Vertragsschluss noch nicht gab, die aber nun trotzdem gelten sollen. Dies greift nach Auffassung des Gerichts in das Prinzip des verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensschutzes ein, welches durch Art. 20 Abs. GG gewährleistet wird.

Da das Amtsgericht die Gutscheinlösung für verfassungswidrig hält und die Beantwortung dieser Frage entscheidend für den Rechtsstreit ist, der Anwalt gewinnt seinen Rückzahlungsprozess, wenn die Gutscheinlösung als verfassungswidrig bestätigt wird und er verliert, wenn dies nicht geschieht,  hat es das Verfahrens ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht angerufen, damit dieses eine Entscheidung über die Verfassungsgemäßheit  der Gutscheinlösung treffen kann.

Sollte das Bundesverfassungsgericht sich der Rechtsauffassung des AG Frankfurt anschließen, würde dies bedeuten, dass Kunden von abgesagten Veranstaltungen sich nicht mehr auf einen Gutschein verweisen lassen müssen und die Ticketpreise wieder sofort erstattet werden müssen.

Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache entscheiden wird.

Haben Sie Fragen zu der geltenden Gutscheinlösung? Kontaktieren Sie mich gerne.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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