HAFTUNG DES WIRTSCHAFTSPRÜFERS wegen verwerflichem Handeln i.S. Prüfung Geschäftsmodell

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Die Haftung des Wirtschaftsprüfers nach § 826 BGB ist besonders.
Es ist eine vorsätzlich unerlaubte Handlung.  Die Haftpflichtversicherung greift in der Regel nicht. Die Vollstreckung ist auch unterhalb der Pfändungsgrenze möglich.

Verständlich, dass diese Anspruchsgrundlage besonders betrachtet werden muss.
 

I. Muss der Wirtschaftsprüfer den Fortbestand der Gesellschaft prüfen?

Gemäß § 317 Abs. 4 HGB unterliegen Jahresabschlüsse von mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften (wie GmbHs und AGs) einer Prüfungspflicht durch einen Wirtschaftsprüfer: Diese Prüfung erstreckt sich jedoch nicht darauf, ob der Fortbestand des geprüft-en Unternehmens oder die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung zugesichert werden kann⁸⁹.

Die Neufassung des Prüfungsstandards 340 (IDW PS 340) im Mai 2020 hat die Prüfung des Ri-sikofrüherkennungssystems zum Gegenstand. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob der Vor-stand geeignete Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung gefährdender Entwicklungen getroffen hat. Der Abschlussprüfer prüft, ob das Überwachungssystem des Unternehmens diese Aufgabe erfüllen kann und ob ggf. Verbesserungsmaßnahmen erforderlich sind⁶.

II. Was änderte § 317(4a) HGB ? 

Die Änderung des § 317(4a) HGB erfolgte durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/815 zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren steuerlichen Vorschriften. Diese Änderung trat am 1. Juli 2021 in Kraft¹.

Die Begründung für diese Neufassung liegt in der Modernisierung der berufsständischen Regelungen zur Prüfung. Mit der Einführung von § 317(4a) HGB wurde klargestellt, dass die Prüfung des Jahresabschlusses nicht auf die Zusage des Fortbestands des Unternehmens oder die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung  ausgedehnt werden muss¹. Dies ermöglicht eine gezieltere Prüfung, die sich auf wesentliche Aspekte konzentriert.

Insgesamt zielen diese Änderungen darauf ab, die Qualität der Abschlussprüfung zu gewährleisten  und die Anforderungen an die Prüfung von Unternehmensabschlüssen an aktuelle Entwicklungen anzupassen¹.

Vor der Änderung war die Situation anders. Vor der Einführung von § 317(4a) HGB musste die Prüfung des Jahresabschlusses auch die Zusage des Fortbestands des Unternehmens und die Wirksamkeit sowie Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung umfassen. Diese Erweiterung führte zu einem breiteren Prüfungsumfang. Mit der Neufassung wurde jedoch klargestellt, dass diese Aspekte nicht mehr zwingend Teil der Prüfung sein müssen. Dadurch kann sich der Abschlussprüfer gezielter auf wesentliche Prüfungsbereiche konzentrieren.

III. Prüfung des Fortbestands des Unternehmens =  Prüfung des Geschäftsmodells?  

1. Fortbestand des Unternehmens:
Bei der Prüfung des Fortbestands des Unternehmens bewertet der Wirtschaftsprüfer, ob das Unternehmen in der Lage ist, seine Geschäftstätigkeit fortzusetzen. Dies umfasst die Analyse von Finanzkennzahlen, Liquiditätspositionen, Schulden, Cashflow und anderen relevanten Faktoren.
Wenn das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht mehr tragfähig ist (z. B. aufgrund von Marktveränderungen, technologischem Wandel oder anderen Faktoren), kann dies den Fortbestand gefährden.

2. Geschäftsmodell und Änderungen:
Das Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unternehmen Wert schafft, Produkte oder Dienstleistungen anbietet und Einnahmen generiert. Änderungen im Geschäftsmodell können erhebliche Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität haben. Beispielsweise kann eine Umstellung von einem traditionellen Vertriebsmodell auf ein digitales Geschäftsmodell Risiken und Chancen mit sich bringen. Der Wirtschaftsprüfer berücksichtigt diese Aspekte, um den Fortbestand des Unternehmens zu beurteilen.

Insgesamt sind der Fortbestand des Unternehmens und das Geschäftsmodell eng miteinander verknüpft. Die Prüfung des Fortbestands ermöglicht es dem Wirtschaftsprüfer, potenzielle Risiken und Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell zu identifizieren und angemessen zu berücksichtigen.

3. Muss der WP die Änderung des Geschäftsmodells prüfen?
Ein Wirtschaftsprüfer muss eine Änderung des Geschäftsmodells prüfen und diese gegebenenfalls in seinem  Prüfungsurteil (Testat) berücksichtigen. Hier sind die relevanten Aspekte:

a. Prüfung des Geschäftsmodells:
Wenn eine Gesellschaft ihr Geschäftsmodell ändert (z. B. durch Diversifikation, Digitalisierung, Umstrukturierung oder strategische Neuausrichtung), hat dies erhebliche Auswirkungen auf ihre finanzielle Lage und zukünftige Performance. Der Wirtschaftsprüfer muss die Angemessenheit und Plausibilität der Geschäftsmodelländerung prüfen. Dies umfasst die Analyse von Unterneh-mensdokumenten, Managemententscheidungen und Markttrends.

b. Auswirkungen auf das Testat:
Wenn der Wirtschaftsprüfer die Änderung des Geschäftsmodells für relevant hält, muss er dies in seinem Prüfungsbericht (Testat) erwähnen. Das Testat sollte klarstellen, ob die Änderung des Geschäftsmodells die Fortführung des Unternehmens gefährdet  oder ob sie im Einklang mit den Unternehmenszielen steht.

c. Offenlegung im Prüfungsbericht:
Der Wirtschaftsprüfer sollte die Änderung des Geschäftsmodells im Anhang zum Jahresabschluss oder in einem separaten Abschnitt des Prüfungsberichts erläutern. Dies ermöglicht es den Stakeholdern, die finanziellen Auswirkungen der Geschäftsmodelländerung zu verstehen.

Insgesamt ist die Prüfung des Geschäftsmodells ein wichtiger Teil der Abschlussprüfung, um die Transparenz und Verlässlichkeit der finanziellen Informationen sicherzustellen.

4. Kann ein Testat eines WP´s verwerflich sein und zu Schadensersatz führen ?

Eine Prüfung oder die Erteilung eines Testats durch einen Wirtschaftsprüfer kann als besonders verwerflich angesehen werden, wenn bestimmte Umstände vorliegen. Hier sind die relevanten Aspekte:

a. Verwerflichkeit:
Verwerflichkeit bezieht sich auf Handlungen, die besonders verabscheuungswürdig oder unmoralisch sind. Ein Wirtschaftsprüfer handelt verwerflich, wenn er in besonders gewissenloser Weise gegen die guten Sitten verstößt. Solche Verstöße können beispielsweise betrügerische Handlungen, bewusste Falschdarstellungen oder die Vernachlässigung seiner Pflichten sein.

b. Haftung nach § 826 BGB:
Der Anspruch auf Schadensersatz kann auf § 826 BGB gestützt werden, wenn ein Wirtschafts-prüfer in besonders verwerflicher Weise handelt. Dieser Paragraph regelt die Haftung für sittenwidriges Verhalten und ermöglicht es, Ansprüche geltend zu machen.

c. Beispiele für verwerfliches Verhalten:
-Unterdrückung von Informationen: Wenn der Wirtschaftsprüfer bewusst relevante Informationen verschweigt, um das Testat zu beeinflussen.
-Manipulation von Unterlagen: Wenn er Bilanzen oder andere Dokumente absichtlich manipuliert, um ein positives Testat zu ermöglichen.
-Interessenkonflikte: Wenn der Wirtschaftsprüfer persönliche Interessen über die objektive Prüfung stellt.

Insgesamt ist die Verwerflichkeit eine ernsthafte Angelegenheit, die die Integrität und Verantwortung eines Wirtschaftsprüfers betrifft. Die mögliche Haftung nach § 826 BGB ist ein scharfes Schwert und die Rechtsprechung hierzu noch nicht gefestigt. Manche Begründungen sind noch nicht ausgereift. Das Risiko- und Haftungspotenzial für Wirtschaftsprüfer ist daher erheblich. Je nachdem auf welcher Seite man steht, gibt es hier besondere Chancen und Risiken. 


Der Unterzeichnete bearbeitet seit Jahren Fälle der Haftung des Wirtschaftsprüfers.


Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht


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