IHK-Beiträge können rechtswidrig sein

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VG Stuttgart erklärt IHK-Beiträge für rechtswidrig 

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat Beitragsbescheide der IHK als rechtswidrig eingestuft. Es folgte damit der Argumentation der Kläger, dass die Industrie- und Handelskammer Stuttgart überhöhte Rücklagen und damit unzulässigerweise Vermögen gebildet habe.

Insgesamt ging es um drei Klagen einer Unternehmensberatung gegen IHK-Bescheide (Az. 4 K 6322/16, 4 K 18379/17, 4 K 8053/18). Der Prozess reiht sich ein in eine Vielzahl von Klagen in ganz Deutschland zum gleichen Thema. Allein am Verwaltungsgericht Stuttgart sind 60 Klagen anhängig. Im Einzelnen ist die Begründung der Stuttgarter Richter noch nicht bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht weitgehend der Argumentation der Kläger gefolgt ist.

Die Kläger begründen ihre Auffassung damit, dass die Rücklagen ohne eine rechtlich einwandfreie Grundlage gebildet worden seien. Es sei keine ausreichende Abschätzung des jährlichen Risikos erfolgt, die als Basis einer Absicherung dienen könne. So habe die Industrie- und Handelskammer Vermögen ohne hinreichenden Rechtsgrund gebildet. Dies gelte insbesondere für die sogenannte Ausgleichsrücklage. Die Ausgleichsrücklage wird von der Industrie- und Handelskammer als finanzielle Versicherung gegen plötzlich auftretende Risiken und Ausfälle von Beitragszahlungen gebildet. Das Gericht folgte den Klägern in der Meinung, dass diese Rücklage unangemessen hoch eingestuft wurde.

Die Rechtswidrigkeit bezieht sich nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgarts auf die Bescheide für die Jahre 2012 bis 2016. Da die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, steht noch nicht fest, ob die Rechtswidrigkeit auch für die IHK-Beitragsbescheide für das Jahr 2017 gilt. Es wird jedoch auch erwartet, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart den Weg in die nächste Instanz freigibt, wenn es die Berufung gegen das Urteil als zulässig erklärt.

Zu diesem Thema sind bereits verschiedene Entscheidungen ergangen. So hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017 erklärt, dass IHK-Pflichtbeiträge grundsätzlich verfassungsgemäß seien (Beschluss vom 12. Juli 2017, Az. 1 BvR 2222/12 u. 1 BvR 1106/13). Im Bundesland NRW zeichnet sich keine einheitliche Rechtsprechung ab. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf erklärte frühere Beitragsbescheide der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf zwar für rechtmäßig, verlangte aber für die Bescheide der Jahre 2014 und 2015 eine Berichtigung.

Die vor dem Oberverwaltungsgericht Münster anhängige Berufung wurde von der IHK Dortmund zurückgezogen, weil sie die vom Gericht angeforderten Unterlagen nicht einreichen konnte. Auch vor dem Oberverwaltungsgericht Niedersachsen hatten Klagen gegen die Industrie- und Handelskammern Braunschweig und Lüneburg/Wolfsburg teilweise Erfolg.

Die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes, wonach der Rechtsweg jedermann offensteht, wenn er durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden der Industrie- und Handelskammern ist vor allem eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. Dezember 2015 – BVerwG 10 C 6.15). Demnach ist jede Industrie- und Handelskammer berechtigt, angemessene Rücklagen nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung zu bilden. Angemessene Rücklagen seien als Teil der Kosten der Industrie- und Handelskammern im Sinne von § 3 Abs. 2 IHKG anzusehen, für die Beiträge erhoben werden dürften. Damit folgte das BVerwG der eigenen Rechtsprechung aus dem Jahr 1990 (Urteil vom 26. Juni 1990, 1 C 45.87).

Nach § 3 Abs. 2 IHKG werden die anfallenden Kosten von Industrie- und Handelskammern nach Maßgabe eines Wirtschaftsplans von den Beiträgen der Mitglieder aufgebracht. Dieser Wirtschaftsplan muss aber „nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen“ (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG) aufgestellt werden. Die Willensbildung der Industrie- und Handelskammer erfolgt insoweit zweistufig: zunächst auf der Ebene des Aufstellens eines Wirtschaftsplans, sodann ist über die Umlage gemäß einer Beitragsordnung zu entscheiden.

Soweit bei der Festsetzung der Höhe des Haushalts ein Beurteilungsspielraum gegeben sei, dürfe ein Gericht zwar nicht seine eigene Beurteilung an die Stelle der Einschätzung der zuständigen Behörde setzen. Das Gericht könne diese behördliche Einschätzung jedoch rechtlich überprüfen – und zwar im Hinblick darauf, ob allgemein anerkannte Maßstäbe der Bewertung eingehalten wurden. Dazu gehöre zum Beispiel das Gebot der Schätzgenauigkeit. So können zum Beispiel Liquiditätsrücklagen zur Zwischenfinanzierung von Beiträgen, die verspätet eingehen, unangemessen hoch sein, wenn sie mit der Hälfte des Jahresfinanzbedarfs eingeschätzt werden (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – BVerwG 10 C 6.15). Was über die ordnungsgemäße Aufstellung eines Wirtschaftsplans hinaus festgestellt wird, führt zu einer rechtswidrigen Vermögensbildung der Industrie- und Handelskammer. Dies können auch überhöhte Rücklagen sein.

Der Streit um überhöhte Rücklagen und die Rechtswidrigkeit der Beitragsbescheide der IHK Stuttgart dürfte sich noch wohl eine längere Zeit hinziehen, sollte die Stuttgarter Industrie- und Handelskammer gegen das neue Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom November 2018 in Berufung gehen. 



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