Insolvenzrecht und Urlaubsanspruch

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Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Inanspruchnahme der Arbeitsleistung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom25. November 2021, Aktenzeichen  6 AZR 94/19, entschieden, dass in der Insolvenz des Arbeitgebers der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung vollständig als Masseverbindlichkeit zu berichtigen ist, falls der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter) die Arbeitsleistung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch in Anspruch genommen hat.

Hintergrund ist, dass der sogenannte starke vorläufige Insolvenzverwalter bereits zum Zeitpunkt seiner Bestellung in die Position des Arbeitgebers rückt und somit durch seine Handlungen auch sogenannte Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) begründen kann, die vorrangig vor den einfachen Insolvenzforderungen (§ 35 InsO) bei einer Verteilung berücksichtigt werden müssen.

In einem Insolvenzverfahren werden zunächst immer die Verfahrenskosten (Verwaltergebühren und Gerichtskosten) gezahlt. Danach die sogenannten Masseverbindlichkeiten, die erst im Laufe des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter begründet wurden. Und zuletzt (sofern dann noch Beträge zur Verteilung zur Verfügung stehen) erfolgte eine Zahlung an die einfachen Insolvenzgläubiger und dann gegebenenfalls nur anteilig.

Sofern darüber hinaus noch Vermögen zur Verfügung steht, werden Zinsen der Gläubiger etc. ausgeglichen und für den unwahrscheinlichen Fall, dass dann noch etwas übrig ist, der Rest an die Eigentümer/Gesellschafter ausgezahlt.

Die Frage war insbesondere auch deshalb interessant, da in der Vergangenheit der neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts von einer nur anteiligen Zuordnung von Urlaubsabgeltungsansprüchen als Masseforderung bzw. als Insolvenzforderung ausgegangen war (BAG 21. November 2006 9 AZR 97/06). 

Insoweit wurde in der Vergangenheit zwischen bereits vor der Insolvenz erarbeiteten Urlaubsansprüchen und nach dem Stichtag der Insolvenzeröffnung verdienten Urlaubsansprüchen/Urlaubsabgeltungsansprüchen unterschieden.

Der Kläger wurde von der starken vorläufigen Insolvenzverwalterin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Arbeit herangezogen. Mit seiner Klage hat er für die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht genommenen Urlaubstage die Zahlung einer Abgeltung als Masseverbindlichkeit verlangt.

Die Beklagte hat dies als spätere Insolvenzverwalterin abgelehnt, weil es sich nur um eine zur Insolvenztabelle anzumeldende Insolvenzforderung (§ 35 InsO) handele.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Die streitbefangene Urlaubsabgeltung ist nach dem aktuellen Urteil in voller Höhe als Masseverbindlichkeit zu berichtigen und somit im Rahmen einer Verteilung vorrangig zu berücksichtigen.

§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sieht die Begründung von Masseverbindlichkeiten vor, „soweit“ der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Entscheidet sich der starke vorläufige Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers, hat er alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. 

Hiervon umfasst sind nicht nur Ansprüche, welche unmittelbar auf einer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung beruhen, sondern auch solche, denen keine unmittelbare Wertschöpfung für die Masse gegenübersteht (vgl. bereits BAG 10. September 2020 6 AZR 94/19 (A) ). Auf Anfrage des erkennenden Senats hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts vorab erklärt, an seiner bisherigen Auffassung nicht festzuhalten (BAG 16. Februar 2021 9 AS 1/21 ). 

Im Ergebnis bedeutet dies, dass entgegen der im Insolvenzverfahren üblichen lediglich quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen der Kläger voraussichtlich nun eine vollständige Zahlung auf seine Forderung erhalten wird.

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