Kann man Überhang vom Nachbargrundstück beseitigen?

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Dem Amtsgericht Spandau (Berlin) lag folgender Fall zur Entscheidung vor:

Die Parteien sind Nachbarn. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, den Überhang ihrer etwa 70 Jahre alten Fichten an der Grenze zu seinem Grundstück zu beseitigen. Die Klägerin lehnte dies ab. Einige Monate später stieg ein vom Beklagten beauftragter Baumschneider mit einer Leiter von der Garage des Beklagten aus auf die Bäume der Klägerin und begann, diese zum Grundstück des Beklagten astfrei zu machen. Dabei entfernte er nicht nur den reinen Überhang, sondern schnitt die Äste stammnah ab. Er beseitigte auch Äste, die nicht in Richtung seines Grundstücks gewachsen waren. Die Polizei, die von den Nachbarn gerufen wurde, beendete schließlich die Baumarbeiten. Die Klägerin klagte u. a. auf Unterlassung zukünftiger Beeinträchtigungen und Zahlung von Schadensersatz wegen der Beschädigung der Bäume.

In seinem Urteil (Az.: 15 C 132/11) hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben.

Der Unterlassungsanspruch war begründet. Durch die Schnittmaßnahmen habe der Beklagte in den Herrschaftsbereich der Klägerin als Eigentümerin in rechtwidriger Weise eingegriffen. Insbesondere könne er sich dabei nicht auf sein Selbsthilferecht aus § 910 BGB berufen.

Zwar könne ein Eigentümer die herüberragenden Zweige aus dem Nachbargrundstück abschneiden, wenn er fruchtlos eine angemessene Frist zur Beseitigung dem Eigentümer der Bäume gesetzt hat und ihn der Überhang ihn an der Nutzung des Grundstücks beeinträchtigt. Jedoch lagen diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht vor. Denn der Baumschneider habe unstreitig nicht nur den Überhang, sondern die Äste stammnah geschnitten. Darüber hinaus hat er auch solche Zweige entfernt, die nicht in Richtung des Grundstücks des Beklagten gewachsen waren.

Damit habe der Beklagte die Grenzen seines Selbsthilferechts unstreitig überschritten. Nicht zuletzt liege auch keine Beeinträchtigung vor. Der Beklagte habe den Vortrag der Klägerin in Bezug auf die fehlende Beeinträchtigung durch den Überhang nicht substantiiert bestreiten können.

Das Gericht gab auch dem Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin statt. Der Schadenersatz umfasste einen Geldbetrag wegen der eingetretenen Eigentumsverletzung am Grundstück und die Kosten für ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Schadenshöhe.

Rechtstipp:

Überhang bzw. Überwuchs aus dem Nachbargrundstück können beseitigt werden, wenn einige Regeln beachtet werden:

1.

Ein Nachbar kann Überhang bzw. Überwuchs aus dem Nachbargrundstück gemäß § 910 Abs. 1 BGB beseitigen, wenn er zuvor den Eigentümer der Bäume fruchtlos unter Setzung einer angemessenen Frist zur Beseitigung aufgefordert hat. Dieses Selbsthilferecht ist gemäß § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Darlegungs- und beweispflichtig, dass von dem Überwuchs keine Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks ausgeht, ist der Eigentümer der Pflanzen (OLG Köln, NJW-RR 1997, 656; Feldmann/Groth/Kayser/Kleinhost, Handbuch des Nachbarrechts-Berlin, 2 Aufl., § 910 BGB, S. 119).

2.

Wenn die Voraussetzungen für die Beseitigung des Überwuchses vorliegen, ist weiterhin zu beachten, dass:

  • nur der Überhang beseitigt werden darf;
  • das Grundstück des Nachbarn nicht betreten wird;
  • die Bäume durch die Beseitigung des Überwuchses/Überhangs nicht beschädigt werden.


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