Kinderfreibetrag im Wechselmodell

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Der Staat fördert Familien und alleinerziehende Elternteile, indem er für jedes Kind Kindergeld zahlt oder den steuerlichen Kinderfreibetrag gewährt. Sind die Eltern geschieden und wird das Kind überwiegend von einem Elternteil betreut, erhält jeder Elternteil den halben Kinderfreibetrag. Wird das Kind im Wechselmodell betreut, stellt sich die Frage, ob sich an der Aufteilung des Kinderfreibetrages etwas ändert.

Was ist der Kinderfreibetrag?

Erziehen Sie ein Kind, erhalten Sie vom Staat Kindergeld (§31 Einkommensteuergesetz). Erst dann, wenn Sie die Einkommensteuererklärung beim Finanzamt einreichen, prüft das Finanzamt von Amts wegen für das abgelaufene Kalenderjahr, ob es günstiger ist, den Eltern

  • das Kindergeld zu gewähren
  • oder alternativ den steuerlichen Kinderfreibetrag anzusetzen.

Dieses Verfahren ist die sogenannte „Günstigerprüfung“. Im Gegensatz zum Kindergeld kann der Kinderfreibetrag als steuerlicher Freibetrag nicht in Geld ausgezahlt werden.

Als Eltern haben Sie keine Wahlmöglichkeit zwischen Kindergeld oder Kinderfreibetrag und brauchen den Kinderfreibetrag auch nicht eigens beim Finanzamt zu beantragen. Als Elternteile profitieren Sie dann vom Kinderfreibetrag, wenn Sie ein gewisses Einkommen erreichen, so dass es für Sie günstiger ist, aus steuerlichen Gründen den Kinderfreibetrag in Anspruch zu nehmen. Ergibt sich bei der „Günstigerprüfung“ ein Steuervorteil, wird das schon ausgezahlte Kindergeld angerechnet. Das Finanzamt zahlt also im Wege der Steuererstattung allenfalls eine mögliche Differenz zwischen Steuerersparnis durch den Freibetrag und dem Kindergeld aus.

Im Gegensatz zum direkt zur Auszahlung kommenden Kindergeld ist der Kinderfreibetrag nur ein steuerlicher Freibetrag, der sich bei der Berechnung der Einkommensteuer steuermindernd auswirkt und Ihre Steuerlast reduziert. Verstehen Sie das Kindergeld daher als Vorauszahlung auf den Steuervorteil.

Tipp: Sie stellen sich besser, wenn Sie das Kindergeld beantragen. Das Kindergeld bekommen Sie sofort monatlich ausgezahlt und nicht erst dann, wenn Sie die Steuererklärung abgegeben haben.

Wie hoch ist der Kinderfreibetrag?

Der Kinderfreibetrag besteht aus dem eigentlichen Kinderfreibetrag (5.460 EUR im Jahr 2022) und dem Bildungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag (1.464 EUR seit 1.1.2021). Beide Freibeträge werden als Gesamtsumme in der Steuererklärung berücksichtigt. Dazu müssen Sie die Anlage Kind zur Einkommensteuererklärung ausfüllen.

Wie wird der Kinderfreibetrag im Regelfall auf die Eltern aufgeteilt?

Eltern erhalten für ihr Kind einen vollen Kinderfreibetrag. Der Betrag wird geteilt. Sie erhalten für jedes leibliche und adoptierte Kind sowie für ein Pflegekind den vollen Kinderfreibetrag. Je nach Ihrer familiären Situation bestehen folgende Optionen:

  • Sind Sie verheiratet und werden steuerlich gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt, erhalten Sie für Ihr gemeinsames Kind den vollen Kinderfreibetrag.
  • Werden Sie in Ihrer bestehenden Ehe getrennt zur Einkommensteuer veranlagt, steht jedem Elternteil jeweils der halbe Kinderfreibetrag zu.
  • Sind Sie geschieden oder nicht miteinander verheiratet, erhält jeder Elternteil den halben Kinderfreibetrag, sofern die Vaterschaft des Mannes rechtlich feststeht.
  • Sind Sie verwitwet, steht Ihnen ab dem Monat des Todes des anderen Elternteils der volle Kinderfreibetrag zu. Dies gilt auch dann, wenn Sie nicht miteinander verheiratet waren.
  • Ist der Wohnsitz eines Elternteils unbekannt oder ist der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar, haben Sie Anspruch auf den vollen Kinderfreibetrag.
  • Lebt der Elternteil im Ausland und Sie in Deutschland, können Sie für die Zeit des Auslandsaufenthaltes des Elternteils den vollen Kinderfreibetrag geltend machen.

Wie wird der Kinderfreibetrag beim Wechselmodell aufgeteilt?

Entscheiden Sie sich für das Wechselmodell, wechseln Sie sich mit Ihrem Ex-Partner in der Betreuung des Kindes fortlaufend ab. Dabei lebt das Kind beispielsweise 14 Tage bei der Mutter und danach 14 Tage beim Vater bzw. anderem Elternteil und so fort. Betreuen Sie das Kind organisatorisch und zeitlich gleichermaßen, spricht man vom echten, paritätischen Wechselmodell. Dies bedeutet, dass kein Elternteil die überwiegende Betreuung übernimmt, weil diese von beiden Elternteilen gleichermaßen wahrgenommen wird.

Da beide Elternteile das Kind gleichermaßen betreuen, ist es gerechtfertigt, sowohl den Kinderfreibetrag als auch den Betreuungsfreibetrag aufzuteilen und bei beiden Elternteilen jeweils zur Hälfte zu berücksichtigen. Für das Jahr 2022 werden also vom zu versteuernden Einkommen eines jeden Elternteils 4.194 EUR abgezogen, sofern der Vorteil der Freibeträge das Kindergeld übersteigt. Dabei wird bei jedem Elternteil im Rahmen der Günstigerprüfung bei der Einkommensteuererklärung individuell geprüft, ob das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag vorteilhafter ist.

Tipp: Der Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf wird auf Antrag dem Elternteil gewährt, bei dem das Kind mit dem Hauptwohnsitz gemeldet ist. Dazu reicht es aus, wenn Sie die Übertragung in Ihrer Steuererklärung beantragen. Das Finanzamt nimmt dann Kontakt zum Finanzamt des anderen Elternteils auf und gleicht die Erklärung ab. Die Entscheidung des Finanzamtes erhalten Sie mit dem Steuerbescheid, die in den Erläuterungen begründet wird.

Will der andere Elternteil der Übertragung widersprechen, muss er darlegen und beweisen, in welchem Umfang er sich an den Betreuungskosten des Kindes beteiligt. Betreuen Sie das Kind im Wechselmodell, empfiehlt sich, dass Sie sich verständigen und den Kinderfreibetrag gerecht untereinander aufteilen.

Welche Steuerklassen gelten beim Wechselmodell?

Nach dem Jahr Ihrer Trennung müssen Sie Ihre Steuerklassen anpassen. Derjenige Elternteil, der das Kind in seinem Haushalt betreut, wird in die Steuerklasse II eingestuft. Der andere Elternteil kommt zwangsläufig in die Steuerklasse I. Beim Wechselmodell wird das Kind aber in beiden Haushalten betreut, da es bei beiden Elternteilen wohnt. Die Betreuung im Wechselmodell ändert aber nichts daran, dass die Steuerklassen so gewählt werden müssen, wie es im Steuerrecht vorgesehen ist. Insofern hat das echte Wechselmodell im Hinblick auf die Steuerklasse noch keine Berücksichtigung gefunden.

Tipp: Anders als im Steuerrecht, hat das Wechselmodell im Sozialrecht seinen Niederschlag gefunden. So wird das Kind beispielsweise bei jedem Elternteil, der Wohngeld bezieht, berücksichtigt. Auch die Auszahlung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende wird auf beide Elternteile aufgeteilt.

Freibetrag für Alleinerziehende im Wechselmodell

Das Steuerrecht gewährt einem alleinerziehenden Elternteil einen steuerlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 4.008 EUR jährlich. Betreuen Sie Ihr gemeinsames Kind im echten Wechselmodell, gibt es infolgedessen keinen allein betreuenden Elternteil. Dennoch kann nur ein Elternteil die Steuerklasse II beantragen, bei der der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt wird. Eine Aufteilung des Freibetrages zwischen den Eltern ist im Steuerrecht nicht vorgesehen. Da beide Elternteile gleichberechtigt sind, müssen Sie sich untereinander verständigen, wer das Kindergeld und die Steuerklasse II hält und wie Sie die Kinderbetreuungskosten unter sich aufteilen.

Unterhaltsfreibetrag bei Wechselmodell

Beantragen in einem familiengerichtlichen Verfahren beide Ehepartner Verfahrenskostenhilfe und betreuen ihr Kind im echten (paritätischen) Wechselmodell, steht nach einer Entscheidung des OLG Dresden (Urteil vom 5.8.2015, Az. 20 WF 294/15) jedem Elternteil der Kinderfreibetrag als Unterhaltsfreibetrag zu, der sich im Verfahrenskostenrecht ergibt (§ 115 Abs. S. 3 Nr. 2b ZPO). Dieser Kinderfreibetrag (Unterhaltsfreibetrag) ist nicht mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag zu verwechseln. Grund ist, dass beide Elternteile anteilig das Kind betreuen und deshalb auch beide barunterhaltspflichtig sind und es daher gerechtfertigt erscheint, beiden den vollen Freibetrag zukommen zu lassen. Der Unterhaltsfreibetrag für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres beträgt im Bund 289 EUR und speziell im Landkreis München 328 EUR.

Kindergeld im Wechselmodell

Das Kindergeld steht grundsätzlich beiden Elternteilen jeweils zur Hälfte zu. Es wird aber immer nur an einen Elternteil ausgezahlt. Leben die Eltern getrennt, wird das Kindergeld an denjenigen Elternteil ausgezahlt, bei dem die Kinder überwiegend leben. Betreuen die Eltern das Kind im Wechselmodell, hat das Kind nur eine Hauptmeldeanschrift. Meist es ist die vorherige eheliche Wohnung. In der Regel wird daher an den Elternteil, der in der Hauptmeldeanschrift verblieben ist, auch das Kindergeld ausgezahlt.

Wo ist der Hauptwohnsitz des Kindes beim Wechselmodell?

Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 30.9.2015, Az. 6 C 38/14) hat klargestellt, dass nach den Meldegesetzen nur ein Hauptwohnsitz möglich ist. Dies gelte insbesondere auch für minderjährige Kinder, deren getrenntlebende Eltern das Sorgerecht im paritätischen Wechselmodell ausüben. Zwangsläufig müssen sich die Eltern auf eine Hauptwohnung einigen. Können sich die Eltern wegen des Hauptwohnsitzes des Kindes nicht einigen, ist die Hauptwohnung die Wohnung des Elternteils, dessen Wohnung bisher Hauptwohnung oder alleinige Wohnung des Kindes war.

Das Melderecht hat seinen Grund darin, dass nur die Unterscheidung in Haupt- und Nebenwohnung einen eindeutigen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit zahlreicher Behörden ermöglicht und dazu dient, Rechte und Pflichten festzulegen, welche an die Wohnung einer Person gebunden sind.

Fazit

Lassen Sie sich im Zweifel unbedingt steuerlich oder anwaltlich beraten. Nur so ist gewährleistet, dass Sie beim Kinderfreibetrag, bei der Wahl der Steuerklasse oder beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende alles Wichtige beachten und Ihre Familie so gut wie möglich abgesichert ist.

Foto(s): iurFRIEND

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