Kindesunterhalt, wenn Kind bei Dritten lebt

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Trennen sich die Eltern eines Kindes, verbleibt das Kind meist bei einem Elternteil, der es betreut, während der andere Elternteil baren Kindesunterhalt zahlt. Lebt das Kind hingegen bei einer dritten Person, beispielsweise bei den Großeltern oder Onkel und Tante, kommt es auf viele Dinge an bei der Frage, ob immer noch die Eltern oder die tatsächlich betreuenden Personen den Kindesunterhalt zahlen müssen.

Kind ist minderjährig

Im Regelfall lebt das Kind beim betreuenden Elternteil. Der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht, indem er/sie dem Kind Kost und Logis gewährt. Der nicht betreuende Elternteil ist dem Kind barunterhaltspflichtig.

Wird das Kind aber von keinem der Elternteile betreut, bestimmt das Gesetz, dass beide Elternteile anteilig nach Ihren Einkommensverhältnissen für den Unterhalt des Kindes aufkommen müssen (§ 1606 Abs. III BGB). Derjenige Elternteil, der mehr verdient, zahlt verhältnismäßig höheren Kindesunterhalt als derjenige Elternteil, der weniger verdient.

Dabei ist die Frage zu beantworten, wann genau davon auszugehen ist, dass ein Elternteil das Kind nicht betreut, insbesondere dann, wenn das Kind beispielsweise bei den Großeltern lebt. Selbst wenn das Kind bei einem Dritten lebt, könnte sich ein Elternteil darauf berufen, dass er das Kind nach wie vor, wenn auch im geringen Umfang, betreut und mit dieser Betreuung seine Unterhaltsverpflichtung erfüllt.

Drittbetreuung nur tagsüber

Dafür dürfte es jedenfalls nicht ausreichend sein, wenn das Kind tagsüber von Dritten (Oma, Tante) betreut wird, während der eigentlich betreuende Elternteil einer Erwerbstätigkeit nachgeht und das Kind im Übrigen nach wie vor betreut, indem das Kind bei dem Elternteil nächtigt und dort teils auch verpflegt wird. Dann wird sich vertreten lassen, dass der Elternteil nach wie vor der betreuende Elternteil ist und mit der Betreuungstätigkeit die Unterhaltspflicht abgegolten ist.

Vollbetreuung durch Dritte

Wird die Pflege, Erziehung und Betreuung aber vollständig einem Dritten anvertraut, wird es so sein, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistungen nicht mehr in einem solchen Umfang erbracht werden, der mit der üblichen Erbringung von Naturalleistungen gleichgestellt werden kann. Es fehlt dann an der Betreuung des Elternteils. Lebt das Kind also so gut wie vollständig bei den Großeltern, kann sich kein Elternteil mehr darauf berufen, dass er oder sie das Kind betreut und mit der Betreuung die Unterhaltspflicht abgegolten wäre (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 29.4.2003, Az. 10 UF 195/02). Dann sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig.

Im Einzelfall wird die Frage zu beantworten sein, wann ein Elternteil keine angemessenen Betreuungsleistungen erbringt und wann genau die Betreuung durch einen Dritten erfolgt und sich daraus Konsequenzen für die Unterhaltspflicht ergeben. Wann ein Obhutsverhältnis besteht, richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall. Hier spielt eine Rolle,

  • wer das Kind verpflegt und verköstigt,
  • wo das Kind nächtigt,
  • wer den Tagesablauf des Kindes gestaltet,
  • wer bei Problemen des Kindes der Ansprechpartner ist und
  • wo das Kind die meiste emotionale Zuwendung erfährt.

Lebt das minderjährige Kind aufgrund des Obhutsverhältnisses vollständig bei den Großeltern, sind und bleiben beide Elternteile dem Kind barunterhaltspflichtig. Insoweit ist auf § 1601 BGB zu verweisen. Danach sind Verwandte in gerader Linie, also Eltern gegenüber ihren Kindern, verpflichtet, einander Unterhalt zu zahlen. Dies versteht sich auch insoweit, als die Großeltern durch die Betreuung des Kindes Kosten haben, für die die Eltern in der Verantwortung stehen. An dieser Verpflichtung ändert sich auch nichts, wenn die Großeltern den Kostenaufwand für das Kind teils oder vollständig aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Eltern des Kindes bleiben in der Verantwortung.

Besteht die Unterhaltspflicht der Eltern trotz der Drittbetreuung fort?

Lebt das Kind bei Dritten, besteht die Unterhaltspflicht der Eltern fort. Ob die Eltern dann tatsächlich in der Lage sind, aufgrund ihrer finanziellen Gegebenheiten überhaupt Unterhalt für das Kind zu leisten, steht auf einem anderen Blatt. Liegt das Einkommen der Eltern unter deren Selbstbehalten, geht die Unterhaltspflicht ins Leere und das Kind bleibt in letzter Konsequenz darauf angewiesen, dass es von dem Dritten, bei dem es lebt, ersatzweise unterhalten wird.

Unterscheidung: Wer muss Unterhalt zahlen, wenn das Kind bei der Oma lebt?

Lebt das Kind bei den Großeltern, sind die Großeltern dem Kind gleichfalls unterhaltspflichtig. Großeltern sind wie die Eltern Verwandte in gerader Linie und stehen in der Unterhaltspflicht (§ 1601 BGB). Soweit die Großeltern ersatzweise dem Kind Unterhalt leisten, könnten sie, zumindest theoretisch, die Eltern für die Unterhaltsleistungen in Regress nehmen. Soweit die Eltern in Anspruch genommen werden, steht oft deren Leistungsfähigkeit zur Debatte (vgl. BGH, Beschluss v. 27.10.2021, Az. XII ZB 123/21).

Ff. Unterscheidung: Wer muss Unterhalt zahlen, wenn das Kind bei Onkel oder Tante lebt?

Lebt das Kind hingegen bei Onkel oder Tante oder in einer Pflegefamilie, besteht keine Verwandtschaft in gerader Linie. Demgemäß besteht auch keine gesetzlich begründete Unterhaltspflicht. Mit Onkel und Tanten ist das Kind nur in der Seitenlinie verwandt. Lebt es in einer Pflegefamilie, besteht überhaupt kein Verwandtschaftsverhältnis und damit auch keine gesetzlich begründete Unterhaltspflicht.

Wie kann das Kind den Unterhaltsanspruch gegen die Eltern geltend machen?

Stehen die Eltern des Kindes trotz der Betreuung des Kindes durch eine dritte Person in der Unterhaltspflicht, kann das Kind darauf angewiesen sein, den Unterhalt gegen die Elternteile gerichtlich geltend zu machen. Konsequenz ist, dass das Kind wegen der Interessenkollision nicht mehr durch einen Elternteil vertreten werden kann (§ 1629 Abs. II BGB). In diesem Fall muss für das Kind vom Vormundschaftsgericht ein Ergänzungspfleger bestellt werden, der das Kind im gerichtlichen Unterhaltsverfahren als dessen gesetzlicher Vertreter gegen beide Elternteile vertritt.

Haben Dritte Anspruch auf Unterhaltsvorschuss?

Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz kommen in Betracht, wenn ein Kind bei einem allein erziehenden Elternteil lebt und von dem anderen Elternteil keinen Kindesunterhalt bekommt. Lebt das Kind bei den Großeltern oder sonstigen Dritten, fehlt es an dieser Voraussetzung (§ 1 UVG). Dritte haben keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss.

Kann der Betreuende den Unterhalt für das Kind nicht leisten, kann beim Jugendamt Hilfe zur Erziehung (§§ 27, 33 SGB VIII) und Hilfe zum Unterhalt (§ 39 SGB VII beantragt werden.

Kind ist ein (privilegiert) volljähriges Kind

Lebt ein volljähriges Kind bei den Großeltern, kann es als privilegiert volljähriges Kind bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres wie ein minderjähriges Kind Anspruch auf Kindesunterhalt haben. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss es sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden und im Haushalt eines Elternteils leben (§ 1603 Abs. II BGB). In diesem Fall bleibt der nicht betreuende Elternteil dem volljährigen Kind barunterhaltspflichtig. Lebt das Kind aber bei einer dritten Person, stellt sich die Frage, ob angesichts des Wortlauts des Gesetzes auch in diesem Fall die Unterhaltspflicht der Eltern besteht.

Unterscheidung: Kind lebte schon als Minderjähriger bei Dritten

Nach einer Entscheidung des OLG Dresden (Beschluss vom 12.9.2001, Az. 20 WF 592/01) besteht der Anspruch des Kindes fort, allerdings nur deshalb, weil das Kind seit der frühesten Kindheit im Haushalt der Großeltern gelebt hatte. Dadurch, dass es volljährig wurde, habe sich seine Situation ebenso wenig verändert, als wenn es im Haushalt eines Elternteils gelebt hätte.

Ff. Unterscheidung: Kind wechselte erst mit 18 Jahren zu Dritten

Anders war die Situation, die das OLG Hamm (Beschluss vom 16.2.2005, Az. 11 WF 43/05) zu entscheiden hatte. In diesem Fall lebte das betreffende Kind zunächst im Haushalt der Mutter. Als es 18 Jahre alt wurde, lebte es bei der Großmutter. Das Kind verlangte von seinem Vater Unterhalt und argumentierte, dass es ein privilegiert volljähriges Kind sei und im Haushalt der Großmutter in gleicher Art und Weise versorgt werde wie zuvor im Haushalt der Mutter. Demgemäß habe es wie ein privilegiert volljähriges Kind Anspruch auf Kindesunterhalt

Der Unterhaltsanspruch an den Vater erwies sich in diesem Fall als nicht begründet, weil das Kind nicht mehr im Haushalt eines Elternteils lebte. Der Wortlaut des Gesetzes erlaube es nicht, die Vorschrift analog auch auf diesen Sachverhalt anzuwenden und dem Kind einen Unterhaltsanspruch zuzugestehen. Der Gesetzgeber habe eine klare Regelung getroffen. Wollte man die Regelung auf solche Fälle erstrecken, müsste der Gesetzgeber handeln und den Wortlaut des Gesetzes erweitern. Der Entstehungsgeschichte des Gesetzes sei zu entnehmen, dass eine Erweiterung auf solche Fälle zwar erwogen wurde, letztendlich aber abgelehnt worden ist.

Kindesunterhalt bei besonderen Umständen mit iurFRIEND berechnen lassen

Verwandte in gerader Linie sind einander unterhaltspflichtig. Dennoch gibt es Grenzbereiche, in denen die Unterhaltspflicht infrage steht. Soweit das Gesetz Regelungen trifft, ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Unterhaltspflicht tatsächlich begründet oder im Einzelfall abzulehnen ist. Neben der Unterhaltsberechnung an sich kommt es dabei auf die richtige Argumentation an - beides können Sie bei der iurFRIEND-Kanzlei bekommen. Wie geht das vor sich? Es ist ganz einfach!

Wir halten auf unserer Webseite ein Formular vor, das Ihnen die Eingabe der für die Berechnung des Kindesunterhalts wichtigsten Angaben ermöglicht. Damit ist es natürlich noch nicht getan - Sie können zwar alle Informationen, z.B. wo das Kind oder die Kinder leben, dort eintragen, aber die genauen Umstände, wie lange und seit wann, teilen Sie am besten im Telefonat mit iurFRIEND mit. Wir rufen Sie nach dem Erhalt Ihrer Informationen sowieso an, um offene Fragen zu klären.

Guter Hinweis für Sie: Deswegen zahlen Sie auch mit Versand Ihrer Eingaben noch nichts, sondern hören im anschließenden Anruf erst einmal den Preis an, den Sie bezahlen müssten. Erst wenn Sie mit den Kosten einverstanden sind, kommt es zur Beauftragung.

Sie finden das Formular zur Beantragung einer Unterhaltsberechnung hier:

Unsere Berechnungen sind rechtssicher, zeugen von mehr als 10 Jahren Erfahrung im Unterhaltsrecht und enthalten keine versteckten Kosten - wie auch? Sie erhalten alles in Schwarz auf Weiß.

Wir freuen uns bereits jetzt auf IHRE Nachricht. 

Foto(s): iurFRIEND

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