Kündigung des Handelsvertreters und Handelsvertreterausgleich – Rechtsanwalt informiert

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Wird einem Handelsvertreter die Kündigung ausgesprochen, so stellten sich zwei zentrale Fragen: Ist die Kündigung wirksam und besteht Anspruch auf Handelsvertreterausgleich? Beide Fragen hängen eng mit einander zusammen. Nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg gibt es jedoch im Falle der Kündigung eines Handelsvertreters noch weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf. So ist es beispielsweise gängige Praxis, dass der Unternehmer den Handelsvertreter nach der Kündigung bis zum Ende des Handelsvertretervertrages freistellt. Aber darf er das, wie wirkt sich diese Freistellung auf den Handelsvertreterausgleich aus und gibt es einen Anspruch auf Provisionsentschädigung?

1. Ordentliche Kündigung des Handelsvertreters oder Agenten, § 89 Abs. 1 HGB

Ist ein Handelsvertretervertrag nur auf bestimmte Zeit geschlossen, so endet er mit dem Erreichen dieses Zeitpunkts automatisch (z.B. mit dem 65. Lebensjahr). Ist der Handelsvertretervertrag dagegen auf unbestimmte Zeit geschlossen, so endet er für gewöhnlich mit einer ordentlichen Kündigung i.S.d. § 89 Abs.1 HGB. Auch eine einvernehmliche Auflösung des Handelsvertretervertrages (Aufhebungsvertrag) ist jederzeit möglich und rechtlich zulässig.

Bei einer ordentlichen Kündigung des Handelsvertretervertrags oder Agenturvertrages prüft der Anwalt zunächst, ob die Kündigungsfrist des § 89 Abs. 1 HGB eingehalten wurde. Denn ein Handelsvertretervertrag kann im ersten Vertragsjahr nur mit einer Frist von einem Monat, im zweiten Vertragsjahr mit einer Frist von zwei Monaten, im dritten bis fünften Vertragsjahr nur mit einer Frist von drei Monaten und nach dem fünften Vertragsjahr nur mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.

Die Kündigung muss jeweils zum Schluss des Kalendermonats erfolgen, soweit im Handelsvertretervertrag oder Agenturvertrag nichts anderes vereinbart ist. Eine vertragliche Verlängerung der Frist ist zulässig, solange die Frist für Handelsvertreter und Unternehmer gleich lang ist (§ 89 Abs. 2 HGB). Eine vertragliche Kürzung ist unzulässig. Sogenannte „Kettenverträge“, bei denen ein Handelsvertretervertrag ununterbrochen auf einen anderen Handelsvertretervertrag aufbaut, sind nach der Rechtsprechung als einheitliches auf unbestimmte Zeit geschlossenes Handelsvertreterverhältnis anzusehen. Die Kündigungsfrist bestimmt sich dann nach der Gesamtdauer der Handelsvertreterbeziehung.

Teilkündigungen z.B. durch Herausnahme eines bestimmten Kundenkreises oder eines Teils eines Bezirks können nach der Rechtsprechung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam sein, sofern diese Kündigungsmöglichkeit nicht im Handelsvertretervertrag ausdrücklich vereinbart wurde. Zulässig ist dagegen eine Kündigung die mit einem neuen Angebot zu geänderten Konditionen verbunden wird (Änderungskündigung). Schweigt der Handelsvertreter auf eine Änderungskündigung, so gilt dies nicht als Zustimmung.

2. Außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters, § 89 Abs. 1 HGB

Eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters setzt gem. 89a Abs. 1 HGB voraus, dass ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund liegt gemäß der Legaldefinition des § 314 Abs. 1, S. 2 BGB vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages bis zum Auslaufen der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil des BGH vom 16.02.2000, Az. VIII ZR 134/99).

Einen wichtigen Grund für die Kündigung des Handelsvertreters durch den Unternehmer kann z.B. ein Verstoß gegen ein Konkurrenzverbot darstellen (vgl. Urteil des BGH vom 26.05.1999, Az. VIII ZR 123/98). Es kann aber auch in einem Täuschungsversuch des Handelsvertreters, z.B. einer Auftragsmanipulation (vgl. Urteil des BGH vom 21.11.1980, Az. I ZR 118/78) oder einer Fälschung von Kundenunterschriften (vgl. Urteil des OLG München vom 01.07.2003) begründet sein.

Auch eine versuchte Straftat durch den Handelsvertreter oder Agenten zum Nachteil des Unternehmers kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Handelsvertretervertrages oder Agenturvertrages darstellen (vgl. Urteil des KG Berlin vom 22.01.1999, Az. 14 U 4581/97). Weiter kann auch eine Vernachlässigung des Bezirkes und des zugewiesenen potenziellen Abnehmerkreises (vgl. Urteil des OLG München vom 12.07.2002, Az. 21 U 1608/02) oder eine grobe Missachtung von Weisungen des Unternehmers einen wichtigen Grund darstellen.

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist jedoch nicht nur dem Unternehmer vorbehalten. Auch der Handelsvertreter kann dem Unternehmer gem. § 89a Abs. 1 HGB außerordentlich kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser kann beispielsweise im arglistigen Verschweigen von provisionspflichtigen Geschäften, in wiederholt schleppenden Provisionszahlungen in einer Ausspannung von Untervertretern (vgl. Urteil des BGH vom 11.12.1981, Az. I ZR 139/79) oder einer Provisionszahlungen unter Vorbehalt (vgl. Urteil des BGH vom 11.12.1981, Az. I ZR 139/79) zu sehen sein.

Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg warnt jedoch vor einem voreiligen Ausspruch einer Kündigung. Denn nach der Rechtsprechung kann die Aussprache einer unberechtigte Kündigung ihrerseits einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen, insbesondere dann, wenn sie bereits Dritten gegenüber kundgetan wurde (vgl. Urteil des BGH vom 25.11.1998, Az. VIII ZR 221/97). Ein unüberlegtes Vorgehen kann hier nach der Erfahrung des Anwalts ohne Weiteres den Anspruch auf Handelsvertreterausgleich kosten.

Liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Handelsvertreters oder des Agenten vor, so muss die Kündigung gem. § 314 Abs. 3 BGB innerhalb einer gewissen Zeit („angemessenen Frist“) erfolgen. Wartet der Handelsvertreter oder der Unternehmer zu lange ab, so ist das Recht auf Kündigung verwirkt. Nach der Rechtsprechung darf diese Zeitspanne zwischen dem Ereignis und dem Ausspruch der Kündigung zwei Monate nicht überschreiten (vgl. Urteil des BGH vom 26.06.1999, Az. VIII ZR 123/98).

Weiter ist nach der Rechtsprechung bei Leistungsstörungen und Vertragsverstößen vor der außerordentlichen Kündigung regelmäßig eine Abmahnung erforderlich. Aus Sicht des Rechtsanwalts sollte die Abmahnung des Handelsvertreters oder Agenten aus Dokumentationsgründen immer schriftlich erfolgen. Ausnahmsweise kann eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters aber auch ohne Abmahnung wirksam sein, etwa bei Vertrauensverstößen, die die Vertragsbasis so erschüttern, dass diese auch durch die Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann.

3. Freistellung des Handelsvertreters und Entschädigung

Ob der Unternehmer den Handelsvertreter oder Agenten in der Zeit zwischen Kündigung und Beendigung freistellen darf, hängt davon ab, ob dies im Handelsvertretervertrag oder Agenturvertrag so vereinbart ist. Denn grundsätzlich ist eine Freistellungsklausel in einem frei verhandelten Handelsvertretervertrag zulässig. Stellt die Klausel eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar (AGB), so ist nach der Rechtsprechung eine Kompensationsklausel erforderlich, die den Handelsvertreter in vollem Umfang absichert.

Der Handelsvertreter verliert in Folge der Freistellung nicht seine Ansprüche auf Bezirksprovision gem. § 87 Abs. 2 HGB und auch keine Ansprüche aus Nachbestellungen solcher Kunden, die er für Geschäfte gleicher Art geworben hat. Ob dem Handelsvertreter oder Agent trotz Freistellung auch andere Ansprüche zustehen, die er bei weiterer Tätigkeit gehabt hätte, ist umstritten. Der Handelsvertreter muss sich für gewöhnlich auch keine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, jedoch u.U. Bezüge, die ihm durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft zufallen (Urteil des LAG Düsseldorf vom 05.03.1970). Dabei sind wiederum die Aufwendungen für den Erwerb abzuziehen.

Ist eine Freistellung des Handelsvertreters vertraglich nicht vereinbart, so ist der Unternehmer zu dieser auch nicht berechtigt. In der Folge kann der Handelsvertreter oder Agent verlangen hinsichtlich seiner Ansprüche auf Provisionen und Handelsvertreterausgleich so gestellt zu werden, wie er ohne die unzulässige Freistellung stünde. Eine unberechtigte Freistellung kann sogar einen Grund für eine fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages darstellen. Die Freistellung des Handelsvertreters kann aber im Einzelfall auch ohne vertragliche Regelung gerechtfertigt sein, wenn dieser erkennbar die Absicht hat im Anschluss für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden.

4. Handelsvertreterausgleich gem. § 89b HGB

Wird ein Handelsvertretervertrag oder Agenturvertrag vom Unternehmer ordentlich gekündigt, so hat der Handelsvertreter oder Agent Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gem. § 89b HGB. Geht die ordentliche Kündigung allerdings vom Handelsvertreter oder Agenten aus, so entfällt der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gem. § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers zur Kündigung begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter die Fortführung des Vertrages wegen seines Alters oder einer Krankheit nicht zugemutete werden kann.

Wird der Handelsvertretervertrag dagegen vom Unternehmer aus wichtigen Grund außerordentlich gekündigt, so entfällt gem. § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich. Dabei führt nach der Rechtsprechung nicht jede berechtigte außerordentliche Kündigung auch zum Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs. Die Kündigung muss vielmehr auch auf einem Verschulden des Handelsvertreters beruhen, wobei dem Handelsvertreter das Verschulden von Hilfspersonen zugerechnet wird (Urteil des BGH vom 18.07.2007, Az. VIII ZR 26/05). Kündigt der Handelsvertreter oder Agent aus wichtigem Grund, so gilt das Gleiche wie bei der ordentlichen Kündigung.

Der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich kann im Einzelfall auch aus anderen Gründen ausgeschlossen sein. Dies ist gem. § 92b Abs. 1, S. 1 HGB bei Handelsvertretern im Nebenberuf der Fall. Ob ein Handelsvertreter hauptberuflich oder nebenberuflich tätig geworden ist, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung und kann nicht vertraglich festgelegt werden (Urteil des BGH vom 04.11.1998, Az. VIII 248/97). Gem. § 89b Abs. 4 HGB ist der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich auch dann ausgeschlossen, wenn er nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht wird.

Die Berechnung der Höhe des Handelsvertreterausgleichsanspruchs erfolgt anhand der von  der Rechtsprechung entwickelten sog. „Rohertragsmethode“ (§ 89b Abs. 1 HGB, „angemessener Ausgleich“). Grundüberlegung dieser Berechnung ist die Frage, welche Provisionen der Handelsvertreter oder Agent in den Jahren nach Beendigung des Handelsvertretervertrages mit den von ihm während der Vertragslaufzeit selber akquirierten Mehrfachkunden noch erzielt hätte. Der sich daraus ergebende Betrag wird jedoch gedeckelt auf einen Betrag, der anhand der sog. Höchstbetragsmethode (§ 89b Abs. 2 HGB, „Ausgleich beträgt höchstens“) zu ermitteln ist. Zur Ermittlung der Anspruchshöhe sind somit beide Berechnungsmethoden durchzuführen, wobei das niedrigere Ergebnis das entscheidende ist.

Um die Berechnung der Höhe des Handelsvertreterausgleichsanspruchs durchführen zu können, benötigt der Rechtsanwalt zunächst Geschäftsunterlagen, aus denen sich alle Provisionen und weiten notwendigen Informationen ergeben. Liegen dem Handelsvertreter oder Agenten diese Informationen nicht vor, so kann er vom Unternehmer gem. § 87c Abs. 2 HGB einen Buchauszug verlangen. Dieser Buchauszug muss nach der Rechtsprechung eine aus sich selbst heraus verständliche Übersicht sein, die in übersichtlicher Weise alle Fragen zu möglichen Provisionsansprüchen so klärt, dass der Handelsvertreter seine Ansprüche richtig beziffern kann (Urteil des OLG Bamberg vom 27.05.2008 u.a.).

5. Fazit

Wird ein Handelsvertretervertrag oder Agenturvertrag gekündigt oder steht eine Kündigung bevor, so sollte von einem Anwalt geprüft werden, ob die Voraussetzung für die Kündigung gegeben sind. Andernfalls kann ein Verlust des Handelsvertreterausgleichsanspruchs drohen oder der Kündigungsversuch kann seinerseits einen wichtigen Grund für eine Kündigung durch die Gegenseite darstellen. Weiter sollte der Anwalt prüfen, ob und in welcher Höhe ggf. Handelsvertreterausgleich verlangt werden kann. Vor Durchführung der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs wird der Anwalt ggf. vom Unternehmer einen detaillierten Buchauszug fordern. Bei alledem sind vom Rechtsanwalt anhand der aktuellen Rechtsprechung Abwägungen zu treffen; denn ob ein „wichtiger Grund“ für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, wie hoch im konkreten Fall die „Abwanderungsquote“ ist oder ob „Billigkeitsgründe“ vorliegen, kann nie Schematisch ermittelt werden, sondern ist eine Frage des Einzelfalls.

Für unverbindliche Rückfragen zum Handelsvertreterrecht oder allgemeinen Handelsrecht steht Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg von der Kanzlei SLB Kloepper Rechtsanwälte gerne zur Verfügung.

Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg

SLB Kloepper Rechtsanwälte


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