Mehrarbeitsvergütung auch ohne Kenntnis des Arbeitgebers?

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ArbG Emden, Urteil vom 24.09.2020 – 2 Ca 144/20

Kann sich der Arbeitgeber durch die Einsichtnahme in die Arbeitszeiterfassung, zu deren Einführung, Überwachung und Kontrolle er verpflichtet ist, die Kenntnis über Mehrarbeit (also Überstunden) verschaffen, dann besteht eine Vergütungspflicht auch ohne seine positive Kenntnis der geleisteten Überstunden.

Dies entschied das Arbeitsgericht Emden, dass bereits mit Urteil vom 20.02.2020 (hier als Rechtstipp bereits besprochen https://www.anwalt.de/rechtstipps/arbeitszeiterfassung-pflicht-fuer-alle-arbeitgeber-arbeitsgericht-emden-ca_179519.html) eine viel beachtete Entscheidung getroffen hatte. In der nun vorliegenden Entscheidung bekräftigte das Arbeitsgericht Emden erneut die arbeitgeberseitige Pflicht zur Messung, Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer.

Die Vereinbarung sogenannter „Vertrauensarbeitszeit" schließe außerdem die arbeitgeberseitige Veranlassung in Form einer Duldung von Überstunden ebenso wenig aus, wie die vertraglich vorgesehene Abgeltung von Überstunden.

In dem entschiedenen Fall stritten die Parteien um die Vergütung von Mehrarbeit. In dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag war vereinbart, dass geleistete Mehrarbeit grundsätzlich mit dem Gehalt abgegolten sei (diese Klausel ist unwirksam). Die Klägerin begehrte nun nach einer Eigenkündigung die Abgeltung von Überstunden im Umfang von rund 1.000 Stunden, was einer Klagforderung in Höhe von ca. 20.235 € entsprach.

Die Beklagte Arbeitgeberin trug unter anderem vor, dass es an einer Anordnung der Überstunden gefehlt habe, da die Klägerin in Vertrauensarbeit tätig war und es versäumt habe, die angefallene Mehrarbeit selbst auszugleichen oder bei der Arbeitgeberin anzuzeigen.

Das Arbeitsgericht Emden hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und der Klägerin 20.213 € zugesprochen. Nach der abgestuften Darlegungs- und Beweislast des Bundesarbeitsgerichts hatte die Klägerin vorgetragen, von wann bis wann sie Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt habe. Auf der zweiten Stufe war zu prüfen, ob arbeitnehmerseitig geltend gemachte Überstunden von der Arbeitgeberin zu vergüten sind. Dies ist dann der Fall, wenn dem Arbeitgeber die Überstunden zurechenbar bzw. von ihm veranlasst worden sind. Dafür reicht aus, dass der Arbeitgeber die Überstunden duldet und damit abnimmt. Im Zusammenhang mit der vorherigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden vom 20.02.2020 ist für eine solche Duldung und damit die Zurechenbarkeit bzw. arbeitgeberseitige Veranlassung eine positive Kenntnis des Arbeitgebers nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis der Arbeitszeiten durch Einsichtnahme in die Arbeitszeiterfassung – zu der er verpflichtet ist – hätte verschaffen können. Dies war hier der Fall.

Für die Praxis bedeutet das, dass die anzunehmende arbeitgeberseitige Pflicht zur Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung dazu führt, dass sich Arbeitgeber im Hinblick auf Überstunden nicht mehr darauf berufen können, sie hätten von den Überstunden ja nichts gewusst. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die Arbeitnehmer – nicht nur in Vertrauensarbeit – schützt. Arbeitgeber müssen eine Arbeitszeiterfassung einführen und diese auch kontrollieren und sind demnach deshalb auch verantwortlich für geleistete Überstunden. Die Entscheidung ist zu begrüßen, allerdings ist zu beachten, dass es sich hier um eine Einzelfallentscheidung eines Arbeitsgerichts handelt, die noch nicht durch die Landesarbeitsgerichte oder durch das Bundesarbeitsgericht bestätigt wurden. Ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ist außerdem nicht in Sicht, weshalb abzuwarten bleibt, wie sich die Frage nach der Arbeitszeiterfassungspflicht entwickeln wird.


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