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Mein Mitarbeiter – ein Wirtschaftsspion?

  • 5 Minuten Lesezeit
Monique Michel anwalt.de-Redaktion

Wer erinnert sich nicht daran – die groß angelegte Nachahmungswelle im technischen Bereich in den aufstrebenden ostasiatischen Ländern während der siebziger und achtziger Jahre. Und wer hat nicht angesichts der jüngst auf der IAA in Frankfurt vorgestellten Kopien von chinesischen Automobilherstellern über deren offensichtliche und dreiste Rechtsverletzung von Patentrechten, Markenrechten und anderem Knowhow gestaunt.

Und was dort im großen Stil geschehen ist, droht täglich auch im kleineren direkt vor Ort im eigenen Betrieb: Das ungewollte Bekanntwerden von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.


Wo lauern konkrete Gefahren?

Der seltenere Fall dürfte die gezielte Spionage durch Eindringlinge von außen sein. Viel häufiger verlassen sensible Informationen ein Unternehmen von innen über die modernen Kommunikationsmittel und -techniken. So etwa auf den vielfach eingesetzten mobilen Datenträgern wie USB-Sticks, die sich schnell und unauffällig mitnehmen und vervielfältigen lassen. Oder im E-Mail-Verkehr, sei es durch ungeschützte Kommunikationswege oder die versehentliche Eingabe einer falschen Empfängeradresse. Dabei ist nicht jedem Mitarbeiter vorsätzliches Handeln vorzuwerfen, oft geschieht die unbefugte Informationsweitergabe aus Fahrlässigkeit oder Bequemlichkeit. 

Auch vor Chat-Rooms insbesondere zu fachlichen Themen sei gewarnt – die Teilnahme mag zwar auch zum Prestige des Unternehmens beitragen, doch die Gefahr, dass zuviel internes Wissen ausgeplaudert wird ist enorm.

Nicht zu vergessen sind auch die klassischen Methoden der Weitergabe durch das Anfertigen von Kopien und Ausdrucken wichtiger Unterlagen. Und auch alte Firmenrechner sollten stets fachgerecht entsorgt werden, damit nicht die Festplatte in falsche Hände gerät. .


Was fällt unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse?

Jede Tatsache, die sich auf Geschäft oder den Betrieb bezieht, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und die die Geschäftsleitung erkennbar geheim halten will, stellt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis dar. Nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 14.03.2006 (Az.: 1 BvR 2087/03; 1 BvR 2087/03) sind Geschäftsgeheimnisse eher dem kaufmännischen, wirtschaftlichen Bereich eines Unternehmens zuzurechnen, z.B. Kunden- oder Preislisten. Informationen aus dem Betriebsablauf und der Technik gelten eher als Betriebsgeheimnisse, z.B. Konstruktionsverfahren oder technisches Knowhow. Angaben zum eigenen Beschäftigungsverhältnis wie beispielsweise das Gehalt darf der Arbeitnehmer grundsätzlich offenbaren,  weil sie sich zunächst auf seine Person beziehen, allerdings kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter durch gesonderte Vereinbarung auch hierfür zum Schweigen verpflichten.

Die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers ist durch die vertrauliche Behandlung von Unternehmensgeheimnissen nicht beeinträchtigt, denn ihm obliegt eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht. 


Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten des Arbeitnehmers

Den Arbeitnehmer treffen sowohl gesetzliche Pflichten zur Verschwiegenheit als auch vertragliche. So ist er zur Bewahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 17 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verpflichtet. Auszubildende dürfen darüber hinaus auch nach § 9 des Berufsbildungsgesetzes keine Betriebsinterna ausplaudern ebenso wenig wie Betriebsratsmitglieder nach § 79 des Betriebsverfassungsgesetzes.

Selbst die eigenen Erfindungen des Arbeitnehmers sind von ihm gegenüber Dritten geheim zuhalten, nach § 24 ArbErfG (Arbeitnehmererfindungsgesetz), solange sie noch nicht "frei" sind z.B. indem der Arbeitgeber sie schriftlich "freigibt" oder sie "beschränkt in Anspruch nimmt" (§ 8 ArbErfG).

Sind Mitarbeiter im Betrieb mit der Datenverarbeitung befasst, so müssen sie das gesetzliche Datengeheimnis nach § 5 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) einhalten. 


Arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflichten

Der Arbeitnehmer ist zudem auch aus dem Arbeitsvertrag heraus zum Stillschweigen über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verpflichtet wegen des besonderen Treue- und Fürsorgeverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese arbeitsvertragliche Nebenpflicht erstreckt sich ferner auch auf solche Tatsachen und Umstände, die dem Arbeitgeber schaden, ihn benachteiligen oder gar öffentlich herabwürdigen könnten. Negative Äußerungen, z.B. über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens, sind selbst dann untersagt, wenn sie nachweislich stimmen.

Diese Verschwiegenheitspflicht ergibt sich auch ohne gesonderte Vereinbarung bereits aus dem Arbeitsverhältnis selbst. In besonders sensiblen Bereichen empfiehlt es sich aber zur Klarheit oder Konkretisierung durchaus, eine entsprechende Zusatzvereinbarung zu treffen.

Die Verschwiegenheitspflicht setzt sich auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort, wenn der Arbeitgeber ein erkennbares besonderes Interesse daran hat, jedoch nur soweit sie den Arbeitnehmer nicht unzulässig in seiner Berufsfreiheit einschränkt. Möglich ist auch die Vereinbarung einer nachvertraglichen Geheimnisklausel – diese ist auch ohne eine gesonderte Entschädigung wirksam, so das Bundesarbeitsgericht.


Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse durch den Arbeitgeber

Doch auch der Arbeitgeber selbst sollte geeignete Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden seiner Geheimnisse treffen. Dazu gehört die Absicherung von Datenmaterial, Internet-  und E-Mail-Verkehr durch entsprechende IT-Technik (z.B. Verbot von USB-Sticks, Sperrung von USB-Anschlüssen, PC-Einrichtung nur durch befugten Administrator) oder auch die räumliche Schaffung von Sicherheitsbereichen, zu denen nur bestimmte Personen Zutritt haben (z.B. für die Finanz- und Buchhaltung, das Controlling, Forschungsbereiche).

Die Überwachung der einzelnen Mitarbeiter ist dagegen heikel: So darf der Arbeitgeber keine lückenlose Videoüberwachung vornehmen oder Telefongespräche abhören. Private E-Mails unterfallen, wenn sie grundsätzlich erlaubt sind, ebenfalls dem Fernmeldegeheimnis. Und auch beim gestatteten Internet-Surfen darf der Arbeitgeber nur die Menge der privaten Nutzung ermitteln, nicht die einzelnen Seitenaufrufe. Ausnahmen gelten im Einzelfall bei konkretem Verdacht auf vertragswidriges Verhaltens wie es auch die Weitergabe von Betriebsgeheimnissen wäre.

Gegen zu tiefe Einblicke von Dritten schützen sich Unternehmen zunehmend auch durch das Verbot von Foto-Handys auf dem Firmengelände.


Rechtsfolgen bei Verletzung der Verschwiegenheitspflichten

Die Rechtsfolgen für die einzelnen Verletzungshandlungen reichen von strafrechtlichen Sanktionen über Schadensersatzpflichten bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Strafbar macht sich ein Arbeitnehmer wegen des "Ausspähens von Daten" nach § 202 StGB (Strafgesetzbuch), wenn er sich oder einem Dritten unbefugt den Zugang zu Daten des Arbeitgebers verschafft, die nicht für ihn bestimmt waren und gegen unbefugten Zugriff besonders gesichert waren.

Wenn der Arbeitnehmer die ihm zugänglichen oder anvertrauten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verrät und dabei aus Eigennutz, zugunsten Dritter, aus Wettbewerbsgründen oder in der Absicht den Unternehmensinhaber zu schädigen handelt, so liegt ein Geheimnisverrat nach § 17 UWG vor, der ihn zum Schadensersatz gegenüber dem Unternehmen verpflichtet (§ 9 UWG in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB).

Liegt "nur" eine vorsätzliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflichten vor, so kann dies wegen des besonderen Vertrauensbruchs eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen. Nicht immer ist jedoch gleich die fristlose Entlassung zulässig, so das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. Eine Verkäuferin hatte sich bei der Betriebsabrechnung von ihrem Verlobten helfen lassen. Angesichts ihrer Unerfahrenheit und des jungen Alters sah das Arbeitsgericht keine derart gravierende Pflichtverletzung. Der Arbeitgeber hätte hier vor einer Kündigung zunächst abmahnen müssen. (Arbeitsgericht Frankfurt a.M, Az.: 9 Ca 4676/00).

Bei vorsätzlicher Pflichtverletzung sieht sich der Arbeitnehmer zudem Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers ausgesetzt. Bei lediglich leichter Fahrlässigkeit bleibt er aufgrund des besonderen arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegs davon verschont.


Ausblick

Welche Bedeutung dem innerbetrieblichen Knowhow in unserer zunehmend auf Wissen und Hightech basierenden Wirtschaftswelt zukommt, zeigt sich jüngst wieder im Kampf der Politik gegen Produkt und Markenpiraterie, wie zuletzt die Kritik der Bundeskanzlerin Merkel an China zeigte. Es bleibt abzuwarten welche Maßnahmen der Zusammenschluss von EU, USA und Japan in dieser Hinsicht bewirkt und welchen Erfolg solche Maßnahmen haben. Wesentliche Erfolge lassen sich aber bereits vor Ort im Betrieb selbst durch Sicherheitsmaßnahmen und konsequente Beachtung der Verschwiegenheitspflichten erzielen.

(MIC)


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