„Nach deinem Handeln will ich dich beurteilen“

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Seit ihrer Kindheit leidet Isabella R. unter ihren kleinen und obendrein auch noch schiefen Frontzähnen. Lange hat sie gespart, nun will sie endlich Abhilfe. Im Netz sucht sie nach einem Zahnarzt, und entscheidet sich für den, mit den besten Bewertungen. Der teilt ihr dann bei der Untersuchung mit, dass ihre Kiefergelenke funktionsgestört sind und zunächst mit einer Aufbiss-Schiene korrigiert werden müssen. (Isabella weiß das bereits.) Das könne dauern, deshalb wolle er die Frontzahnbehandlung vorziehen, sagt der Zahnarzt laut Isabella R. Wenig später stellt sich bei ihr dann als Folge der Behandlung eine zu niedrige Bisshöhe und eine Kompression der Kiefergelenke ein.

Jedes Kauen ist mit Schmerzen verbunden. Enttäuscht verklagt sie den Arzt auf 25.000 Euro Schmerzensgeld, 17.300 Euro Haushaltsführungsschäden sowie auf Rückzahlung der Behandlungskosten in Höhe von 3.750 Euro.

Rainer B. versteht die Welt nicht mehr. Ausdrücklich hatte er seine junge Patientin doch darauf hingewiesen, dass vor der gewünschten Zahnsanierung zunächst eine, leider langwierige Behandlung der Kiefergelenke erfolgen müsse. Zweimal beriet er sie, eindringlich und honorarfrei. Das ungeduldige Mädel hatte jedoch zunehmend patziger reagiert, so seine Darstellung, sie gehe zu einem andern Arzt und werde ihn überall schlecht bewerten, sollen ihre Worte gewesen sein. Also führte er die Frontzahnsanierung aus, im Glauben, sich unmittelbar danach der Kiefer annehmen zu dürfen.

Ein schwerwiegender Fehler, denn der Klage von Isabella R. wurde im Grunde nach stattgegeben, auch seine Berufung vorm Oberlandesgericht änderte daran nichts. Laut Sachverständigem hätte der Arzt die Frontzahn-Behandlung aufgrund der zu erwartenden Folgeschäden am Kiefer ablehnen müssen, egal, was die Patientin dazu sagt. Besonders interessant an der Geschichte: Vor Gericht wurden zwei völlig unterschiedliche Darstellungen von ein und demselben Fall präsentiert! Isabella R. stritt ab, jemals ausführlich vor möglichen Folgeschäden gewarnt worden zu sein, sie will dem Arzt auch nie mit einer schlechten Bewertung gedroht haben. Und Rainer B. sagte, er habe zu keiner Zeit zu einer Frontzahnsanierung geraten, immer sei es ihm um die Behandlung der Kiefergelenke gegangen. Jedoch, und darin besteht nun seine Schuld, eben die hat er nicht durchgeführt. Allein das war fürs Gericht entscheidend.

Ob die Patientin ihn zu irgendwas gedrängt hat oder nicht spielt gar keine Rolle. Er ist schadensersatzpflichtig, weil er falsch behandelt hat. Punkt. In einem Prozess zählen nachweisbare Fakten. Zusammengefasst lässt sich aus diesem interessanten Fall deshalb schlussfolgern:

• Zickigkeit ist ein schlechter Grund, um nachzugeben, denn
• Das Abliefern einer korrekten Arbeit steht über allem, besonders natürlich bei Ärzten.
• Gut gemeint ist unwichtig, am Ende zählt nur gut gemacht.

Dass es sich für Kläger oder Beklagte lohnt vor Gericht zu lügen, ist übrigens ein weit verbreiteter Irrglaube, Richter entscheiden aufgrund von belastbaren Beweisen. Bei Urteilsverkündung ist deshalb schon so mach einem der Kiefer offen stehen geblieben.

Herzlichst,
Ihre Kanzlei Gerhard Rahn, Anwalt für Arbeitsrecht

(Nach einem Fall des OLG Hamm, AZ 26 U 116/14)



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