Noten und Datenschutz
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I.Noten
„Noten“ oder „ Zensuren“ ( lat. nota – Schriftzeichen -, censura) . dienen der Leistungsbeurteilung von Menschen und entscheiden über schulische, persönliche und berufliche Schicksale. Noten werden stufenweise gestaffelt ( z.B. 1 bis 6 oder sehr gut bis ungenügend) vergeben. In Schulen , Fachschulen, Hochschulen dienen sie der Bewertung von Leistungen, im Lebensalltag findet man sie in Umfragen, Produktbewertungen, Bewertungs- und Vergleichsportalen und Skalen.
In Schulen, Fachschulen und Hochschulen sollen Leistungs- und Kenntnisstände von Schüler(n)/-innen und Student(en)/-innen festgestellt werden. Im Arbeitsleben – in Zeugnissen – dienen Noten der Bewertung von Führung und Leistung(en) von Menschen.
Noten können sich positiv, wie negativ auf die Motivation der bewerteten Menschen auswirken, sie können Anreize auch für Andere sein Leistung und Motivation zu steigern. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein.
Die Kritik an Noten und Zensuren macht sich meist fest an der Art und Weise der konkreten Ermittlung des Leistungsstandes und den Parametern bei der Leistungsbewertung. Kritisiert wird weiter, dass Noten ja nur in Worte gefasste grobe Schätzwerte sind, die keine exakte Messung darstellen und kraft derer ein Leistungsstand nicht objektiviert dargestellt werden kann, da auch subjektive Elemente - aus der Sicht des Notengebers mit in die „ Notengebung“ einfließen. Klassifizierungen seien zudem nur bedingt vergleichbar. Nachfolgende Fehlinterpretationen seien sodann die notwendige Folge für ein Zerrbild von einem Menschen.
II.Noten sind personenbezogene Daten i.S.d. Art 4 Nr. DS- GVO
Noten/Zensuren sind „ personenbezogene Daten“ nach Art. 4 Nr. 1 der EU- Datenschutz-Grundverordnung (DS- GVO).
Personenbezogene Daten sind nach dieser Legaldefinition-
“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;
Die vier zentralen Elemente sind folglich:
- Information
- Personenbezug
- Natürliche Person
- Identifizierung/Identifizierbarkeit
Die Identifizierung ergibt sich meist aus dem bürgerlichen Namen des Menschen, bestehend aus dem Vor- und Nachnamen. Eine Identifizierbarkeit kann aber auch gegeben sein, wenn die Identität des Menschen anders ermittelt werden kann, beispielweise über eine Kennziffer.
III.Notenschutz nach Art. 6 Abs. 1 DS- GVO
Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur dann zulässig, wenn Sie rechtmäßig ist.
Rechtmäßig ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 6 Abs. 1 DS- GVO in folgenden Fällen:
- die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
- die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
- die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
- die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
- die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
- die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt
IV.Notenbekanntgabe in der Praxis
Bei einer Einwilligung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 DS- GVO ist die auch öffentliche Notenbekanntgabe zulässig.
Die Einwilligung ihrerseits muss wirksam sein, nämlich eine
„…freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung ( - erklärung) in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.“
Freiwilligkeit in diesem Sinne setzt „ echte“ oder/und „ freie“ Wahl voraus. Einen Zwang darf es nicht geben.
Der Einwilligende muss darüber hinaus nach bürgerlichem Recht einwilligungsfähig und geschäftsfähig sein und zudem die rechtliche Tragweite seiner Willenserklärung erfassen und verstehenden können. Anderenfalls liegt kein Rechtsbindungswille vor.
Schüler und Schülerinnen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind nicht voll geschäftsfähig. Für Sie handeln deren Erziehungsberechtigte nach §§ 1626,1629 BGB, so dass beispielsweise eine von einem nicht voll Geschäftsfähigen im Unterricht ad hoc mündlich auf Befragen des Lehrers abgegebene Einwilligung zur öffentlichen Preisgabe von dessen individueller Note als rechtlich nicht zulässig zu bewerten ist.
Dieses Problem ist zu lösen über die schriftliche Einwilligung der personensorgeberechtigten Eltern bei Schulanmeldung oder – später – durch deren Befragung.
Praktiker (Lehrer) indes vertreten die Ansicht, dass beschränkt geschäftsfähige Schüler sich rechtswirksam im Unterricht ui öffentlichen Notenbekanntgabe erklären könnten. Dafür gibt es nach hiesiger Sicht keine Rechtsgrundlage, auch nicht aus § 110 BGB ( Taschengeldparagraph) oder einer Zusammenschau der maßgeblichen Bestimmungen zur Geschäftsfähigkeit des BGB.
Auch die bisweilen anzutreffende schulische Praxis der öffentlichen Notenbekanntgabe mit einem „ STOPP – SIGNAL des betroffenen Schülers/der betroffenen Schülerin“ führt zu keiner anderen – rechtlich zulässigen – Sichtweise.
Schließlich überhaupt nicht weiter hilft das auch anzutreffend Argument „ Früher hat das keinen gestört“, denn auch „ früher“ unter dem Bundesdatenschutzgesetz
( BDSG) war die Rechtslage nicht anders.
Nach hiesiger Sicht spielt es auch keine Rolle, ob es sich um Noten für mündliche Prüfungen oder schriftliche Prüfungen handelt.
Natürlich kann das „zulässigerweise“ geregelt werden durch eine gesonderte Rechtslage, beispielsweise im Schulgesetz.
Öffentliches Notenverlesen – ohne Einwilligung – der betroffenen Person, bzw. der personensorgeberechtigten Eltern kann zu Diffamierung, Mobbing, Bloßstellung, Diskriminierung und Verletzung der betroffenen Person führen.
In der Schulpraxis wird weiter vielfach die Ansicht vertreten, dass es aber auch zulässig Gründe gebe, kraft derer öffentlich Noten bekanntgegeben werden dürfen. Als da wären:
- öffentliche Leistungsbewertung bei öffentlicher Leistungsabfrage an der Tafel, an Whiteboard oder FlipChart oder bei Wiederholungen,
- öffentliche Leistungseinschätzung durch den Schüler und mit ihm,
- kollektives Darlegen der Parameter der Notenvergabe mit nachfolgender individueller Maßstabeinschätzung,
- öffentliche Überprüfung der Notenvergabe und der Notenparameter der Lehrkraft in der Klassengemeinschaft mit Möglichkeit der Lehrkraftkritik,
- Transparenz, Gleichberechtigung und Fairness gegenüber dem Klassenverband
Die Grenzen der Zulässigkeit / Unzulässigkeit dürften in der Praxis auch hier „ schwimmend“ sein und müssen nach hiesiger Sicht jeweils im Einzelfall individuell geprüft und von der Lehrkraft entschieden und später – bei Kritik – von dieser auch dargelegt werden.
Das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“ ist der oberste Maßstab und kann daher nicht zur Disposition des „pädagogischen Pragmatismus der Lehrkraft“ gestellt werden.
V.Beschwerde gegen unzulässige Notenbekanntgabe
Natürlich kann jeder Mensch gegen ein eine dargelegte und bewiesene unzulässige Notenbekanntgabe im Rahmen der Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche vorgehen, oder sich bei den zuständigen Stellen, insbesondere den Behörde der Datenaufsicht beschweren.
Für den schulischen Bereich, der auf der Grundlage der gesetzlichen Schulpflicht geprägt ist durch das besondere Gewaltverhältnis von Schüler/in zur Schule empfiehlt sich in jedem Fall zunächst ein klarstellendes Schreiben an die Schulleitung. Danach muss dann unter anwaltlicher Beratung und Hilfe ( u.a. RA Uffeln, www.maltejoerguffeln.de; mjuffeln@t-online.de) über das weitere Verfahren gesprochen und diskutiert werden.
Hier als Orientierung und Arbeitshilfe das MUSTER eines „höflichen“ Beschwerdeschreibens an eine Schulleitung:
Maria Muster
Straße
PLZ und Ort
EINWURF- EINSCHREIBEN
Musterschule
Musterstraße
00099 Musterdorf
Datum
Ihr(e)Schüler(in)
Vorname,Name
Klasse…
Vorfall vom ……………Veröffentlichung von Noten und Datenschutz
Sehr geehrte Damen und Herren der Schulleitung!
Ich schreibe Ihnen zu einem Vorfall, meine Tochter/meinen Sohn …………….. betreffend, am ……………….. in der Klasse ……
Sachverhalt:
Mein(e ) Sohn/Tochter kam am gestrigen Tage ziemlich aufgelöst/erregt/konsterniert…. aus der Schule und schilderte mir folgendes :
Die Lehrerin /der Lehrer ………………. (Vorname, Name) hat in der Klasse und vor der Klasse die Noten aller Schüler in Ihrem Fach ohne Einwilligung vorgelesen.
Mein(e ) Sohn/ Tochter, war darüber sehr aufgebracht, und das sehr unangenehm. Er/Sie erklärte mir, dass dies nicht richtig und gerecht, auch gerade gegenüber den lernschwachen Schülern/- schülerinnen sei.
Weitere Argumente….
Als Mutter habe ich mir da sehr große Gedanken gemacht.
Die Lehrerin/der Lehrer ………… hätte das vermeiden können, indem Sie/er die Noten den Schülerinnen und Schülern individuell in einem persönlichen Gespräch sagt, aber nicht in der gesamten Gruppe.
Ich habe mich – weil mich das Ereignis nicht losgelassen hat und ich natürlich zu Hause meinem Kind dauernd Rede und Antwort stehen muss ob dieses Ereignisses- anwaltlich beraten lassen.
Mir wurde folgendes im Rahmen einer Erstberatung mitgeteilt:
Rechtslage
Schulnoten, egal ob Einzelnoten, oder Jahrgangsnoten, wie auch Noten in Zeugnissen sind personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DS- GVO. Ich gehe davon aus, dass Sie das wissen, da Sie sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) - hier meine Tochter /meinen Sohn beziehen .
Schulnoten sind damit auch im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DS- GVO Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität einer natürlichen Person .
Ich verweise hier auf die datenschutzrechtlichen Bestimmungen und Empfehlungen der Landessschulbehörde, beispielhaft sei hier Niedersachsen erwähnt, download unter :
FAQ DSGVO der Landesschulbehörde | Datenschutz und Nutzungsrecht in Schulen (nibis.de)
Dort steht klipp und klar – ich zitiere- :
„…11. Dürfen die mündlichen Noten oder Zeugnisnoten der einzelnen Schülerinnen und Schüler im Klassenverband bzw. vor der gesamten Klasse genannt oder besprochen werden?
In der Regel sollten die Noten vertraulich besprochen werden.
Eine Besprechung vor der Klasse kann zulässig sein, wenn dies aus pädagogischen Gründen notwendig erscheint. Eine solche Besprechung darf allerdings nicht dazu führen, dass sich Schülerinnen oder Schüler gedemütigt fühlen…..“
Ich interpretiere Art. 4 Nr. 1 DS- GVO sowie wie in diesem Schreiben dargelegt und vertrete die Ansicht, dass auch aus „ pädagogischen Gründen“ Noten vor der Klasse durch eine Lehrerein nicht besprochen werden dürfen.
Ich bitte darum, künftig so zu verfahren.
Ich sehe keinerlei Gründe, weder in der Person meiner Tochter/meines Sohnes, noch der anderen Schülerinnen und Schüler im Klassenverbund, noch pädagogischer Natur, kraft dessen Noten in der Klasse vor den Augen und Ohren der Kinder veröffentlicht werde sollten bzw. müssten.
Mir geht es hier auch nicht um das „ Recht haben“.
Ich erwarte als personensorgeberechtigte Mutter nach §§ 1626, 1629 BGB aber, dass das Grundrecht und Menschenrecht auf informationelle Selbstbestimmung meiner Tochter/meines Sohnes geachtet und uneingeschränkt respektiert wird und evtl. Bloßstellungen und mögliche Verletzungen unterbleiben.
Auch andere Formen der Notenübermittlung, bspw. in einem geschlossenen Kommunikationskanal oder über Threema, Signal, Wire oder per Telefon statt e-mail oder mündlich vor der Klasse bieten sich an.
Bitte instruieren Sie Ihre Lehrkräfte, dass künftig entsprechen verfahren wird.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Muster
RÜCKFRAGEN:
Rechtsanwalt Malte Jörg Uffeln
Tel. 06051/6195029
e-mail: mjuffeln@t-online.de
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