OLG Stuttgart hält Aufenthaltsverbot für verfassungswidrig

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Der 1. Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat am 14.5.2021 ( - 1 Rb 24 Ss 95/21) das in Baden-Württemberg bestehende Aufenthaltsverbot für verfassungswidrig befunden.

Die in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 IfSG normierte Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen, auf der die tatbestandliche Ausgestaltung der Bußgeldbestimmung in § 9 Nr. 1, § 3 Abs. 1 CoronaVO Baden-Württemberg beruht, ist zumindest nach Auffassung des 1. Senats mit verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar.

Das Amtsgericht Stuttgart hatte den  Betroffenen in der Entscheidung, die dem Oberlandesgerichts Stuttgart  zugrunde lag, am 5. Oktober 2020 wegen „eines Verstoßes gegen ein Aufenthaltsverbot, das zum Zeitpunkt 13. April 2020 wegen der Corona-Pandemie den Aufenthalt mit mehr als 2 Personen, die nicht dem eigenen Hausstand angehören, verbot", zu einer Geldbuße von 200 € verurteilt. Der Betroffene hielt sich am 13. April 2020 gegen 17 Uhr am Max-Eyth-See in Stuttgart in einer „5-er Gruppe" aus verschiedenen  Haushalten auf. Die Gruppe ging „mehrere hundert Meter" spazieren. Die Gruppenmitglieder hielten „dabei den Abstand von 1 Meter untereinander" nicht ein.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht Christian Steffgen hat viele Verfahren im Zusammenhang mit Corona-Massnahmen geführt. Die Entscheidung ist für ihn schlüssig und nachvollziehbar. Das Oberlandesgericht sah in der Entscheidung den Gesetzgeber als zuständig an. Der Gesetzgeber übernimmt mit der Entscheidung über strafwürdiges Verhalten die demokratisch legitimierte Verantwortung für eine Form hoheitlichen Handelns, die zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit zählt; es ist eine allein ihm vorbehaltene grundlegende Entscheidung, in welchem Umfang und in welchen Bereichen ein politisches Gemeinwesen gerade das Mittel des Sanktionsrechts als Instrument sozialer Kontrolle einsetzt ( OLG Stuttgart vom 14.5.2021  - 1 Rb 24 Ss95/21). Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Sanktionen bedroht ist (st. Rspr.; BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1988 - 2 BvR 234/87, 2 BvR 1154/86).

Eine Strafe kann nach Art. 103 Abs. 2 GG ausschliesslich auf der Grundlage eines förmlichen Gesetzes verhängt werden. In einer Verordnung  müssen die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger bereits aufgrund des Gesetzes, nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Verordnung erkennbar sein. Der Gesetzgeber hat stets selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit bzw. Ordnungswidrigkeit zu bestimmen und darf diese Entscheidung nicht den Organen der vollziehenden Gewalt überlassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1988 - 2 BvR 234/87, 2 BvR 1154/86).


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