Pauschales „Kopftuchverbot“ für Beamtinnen durch die Hintertür?

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Der Bundesrat erteilte jüngst seine Zustimmung zum "Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten" (BT Drs 19/26839). Nach der Gegenzeichnung des Bundespräsidenten wird das Gesetz in Kraft treten. Viele Betroffene, die aus religiösen Gründen ein sog. islamisches Kopftuch tragen, befürchten pauschale "Kopftuchverbote" und sind besorgt, ihre (angestrebten) Berufswünsche nicht ausüben zu dürfen. In diesem Beitrag soll die Rechtslage für (verbeamtete) Lehrerinnen und Lehramtsreferendarinnen erläutert werden.


Ausgangslage

Das Bundesverfassungsgericht hat nach jahrelangem hin und her in seinem Kopftuchurteil II (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10) das pauschale, abstrakte Kopftuchverbot für Lehrkräfte für verfassungswidrig erklärt.

 „Der Schutz des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gewährleistet auch Lehrkräften in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die Freiheit, einem aus religiösen Gründen als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen, wie dies etwa durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs der Fall sein kann.“ (Leitsatz, ebd.)

Ein Verbot aufgrund aktiver, religiöser Beeinflussung durch die Lehrkräfte muss am Verhalten bemessen werden, mithin ist eine konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität erforderlich. Was darunter zu verstehen ist, wurde bislang nicht richterlich entschieden. Falls der Schulfrieden an einer Schule bereits konkret gefährdet ist, kann das Verbot des Tragens eines Kopftuches für Lehrerinnen ebenfalls möglich sein.  Ein solcher Fall war bisher noch nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. 


Bisherige Praxis

Das Bundesverfassungsgericht entschied also bereits 2015, dass ein abstraktes Kopftuchverbot für Lehrerinnen verfassungswidrig sei, was die Berliner Regierung jedoch nicht hinderte, an ihrem Neutralitätsgesetz festzuhalten und Lehrkräften das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. Berliner Lehrkräfte mussten also noch einmal den Rechtsweg gegen das "Kopftuchverbot" bestreiten... 

Das Bundesarbeitsgericht, das höchste deutsche Arbeitsgericht, entschied dann in seinem Beschluss vom 27.8.2020, Az. 8 AZR 62/19, dass ein abstraktes Kopftuchverbot nicht der Verfassung entspräche und das Berliner Neutralitätsgesetz verfassungsgemäß ausgelegt werden müsste.  Die Entscheidung ist rechtskräftig, sodass auch Lehrerinnen in Berlin ein Kopftuch im Dienst tragen dürfen.

Auch hier der eindeutliche Leitsatz:

"Die Regelung in § 2 Berliner NeutrG, wonach es Lehrkräften und anderen Beschäftigten mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen ohne weiteres ua. verboten ist, innerhalb des Dienstes auffallende religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidungsstücke, mithin auch ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist, sofern das Tragen dieses Kleidungsstücks nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist, verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie das Tragen des Kopftuchs innerhalb des Dienstes nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität verbietet."

In vielen anderen Bundesländern können Lehrerinnen mit Kopftuch problemlos unterrichten.

Einzelfälle

Diese Entscheidungen hindern einige Schulleiter jedoch nicht, an ihren Schulen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs zu verbieten bzw. diese nicht einzustellen. Diese Praxis ist bundesweit verbreitet und stellt keine Seltenheit dar. Auch, wenn das höchste deutsche Gericht das pauschale Verbot gekippt hat, halten sich einzelne Schulen nicht an geltendes Recht und üben frohlockend eine willkürliche und rechtswidrige Praxis aus

In anderen Bundesländern bestehen noch Kopftuchverbote, werden aber nicht angewandt. Lehramtsreferendarinnen und Lehrerinnen mit Kopftuch müssen also noch damit rechnen, dass sie aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden, obwohl die Rechtslage durch die vorgenannten Entscheidungen eindeutig sein müsste.


Änderungen durch das neue Beamtengesetz?

Durch die Änderungen des Bundesbeamtengesetzes (§ 61 BBG n. F.) als auch des Beamtenstatusgesetzes  (§ 34 BeamtStG n. F.) kann das Tragen von religiös oder weltanschaulich konnotierten Merkmalen des Erscheinungsbilds dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen

Der Wortlaut ähnelt anderen sog. Neutralitätsgesetzen, die das Tragen eines Kopftuches verbieten, sodass die derzeitige Sorge eines pauschalen "Kopftuchverbotes" begründet ist. 

In der Gesetzesbegründung (ebd. S. 43) soll sich das Gesetz nicht an die bekenntnisoffene Gemeinschaftsschule richten. Dies stellt eine konsequente Weiterführung der rechtlichen Ausgangssituation dar, sodass sich Lehrerinnen  also eigentlich keine Sorgen machen müssten.


Folgen

Zwar sind auch verbeamtete Lehrerinnen mit Kopftuch vom Wortlaut des Gesetzes umfasst, die Gesetzesbegründung lässt eine Ausnahme für Lehrkräfte an bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschulen zu. Es ist aber zu befürchten, dass ein so allgemein und pauschal gehaltenes Gesetz bei einigen Arbeitgebern im Schulwesen ein anderes Verständnis erweckt, sodass einzelne (angehende) Lehrerinnen Verboten und Diskriminierungen ausgesetzt werden können. Da die Rechtslage mittlerweile eindeutig geklärt sein müsste, könnten Missverständnisse schon im Vorfeld durch Gespräche, unterstützt von einem Rechtsbeistand oder einer Antidiskriminierungsberatung für Abhilfe sorgen. Der Rechtsweg bleibt auch hier natürlich noch offen.

Foto(s): Rendy Novantino/ Unsplash

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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