Pflichtteil in Polen

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Fast jeder Erwachsene hat das Recht, selbst zu entscheiden, an wen er sein Vermögen nach dem Tod überträgt. Er muss sich mit niemandem über seine Wahl einigen, er kann sogar seine Familie (gesetzliche Erben) ganz ausschließen und alles einer fremden Person hinterlassen. Einige Verwandte sind jedoch einigermaßen rechtlich geschützt - ihnen wird das Recht auf einen Teil am Nachlass garantiert. Dieses Recht wird im polnischen Erbrecht (gleich wie im deutschen) als Pflichtteil (poln. zachowek) bezeichnet. Der Zweck des Pflichtheils ist, die Interessen der engsten Verwandten des Erblassers zu schützen, damit sie beim Nachlass nicht leer ausgehen. Mit anderen Worten, es ist das Recht, die Auszahlung eines Teils des Nachlasses zu fordern, auch wenn wir nicht im Testament enthalten sind. Die engsten Verwandten sind in diesem Fall diejenigen, die gesetzliche Erben sind, nicht diejenigen, die in der letzten Lebensperiode des Erblassers die engste Beziehung zu ihm hatten (z.B. Lebenspartner).

Wem steht der Pflichtteil nach polnischem Erbrecht zu?

Nur die nächsten Familienangehörigen (Verwandten) des Verstorbenen, die die gesetzlichen Erben sind, können Pflichtteil verlangen. Allerdings sind nur Personen aus der ersten Erblinie, d.h. Ehepartner und Kinder des Erblassers, zum Pflichtteil berechtigt. Nur wenn der Erblasser keine Kinder oder Ehepartner hat, haben andere Familienmitglieder, wie z.B. Eltern, Anspruch auf dem Pflichtheil.

In welchem Fall ist der Familienangehörige vom Pflichtteil ausgeschlossen?

Der Erblasser kann in gesetzlich bestimmten Fällen in seinem Testament anordnen, dass er den Pflichtteilsberechtigten das Recht auf Pflichtteil entzieht (vollständige Enterbung – poln. wydziedziczenie). Nach dem polnischen Zivilgesetzbuch kann der Erblasser im Testament Abkömmlingen, seinem Ehegatten und seinen Eltern den Pflichtteil entziehen:

1) wenn der Pflichtteilsberechtigte entgegen dem Willen des Erblassers hartnäckig in einer den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens widersprechenden Weise handelt;

2) wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einem seiner nächsten Angehörigen gegenüber eine vorsätzliche Straftat gegen das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder eine grobe Verunglimpfung begangen hat;

3) wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser gegenüber hartnäckig seine familienrechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllt.

Zu beachten ist, dass enterbte Personen die Möglichkeit haben, sich gegen die oben aufgeführte vollständige Enterbung durch den Erblasser zu wehren. Sie können nämlich nach dem Tod des Erblassers die im Testament angeordneten Enterbungsgründe im gerichtlichen Verfahren anfechten und versuchen ihre Pflichtteilansprüche doch durchzusetzen.

Wie hoch ist der gesetzliche Pflichtteil nach polnischem Recht?

Grundsätzlich beläuft sich Pflichtteil auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Es gibt aber Ausnahmen. Wenn ein Minderjähriger oder eine für dauerhaft arbeitsunfähig erklärte Person Anspruch auf den Pflichtteil hat, dann beträgt dieser 2/3 des gesetzlichen Erbteils.

Der Wert des Pflichtteils besteht aus zwei Faktoren, die zusammen als der Wert des Reinnachlasses bezeichnet werden. Es ist die Summe des Nachlasswertes, d.h. des gesamten vom Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes hinterlassenen Vermögens und des Teils des Vermögens, über den er zu Lebzeiten durch Schenkungen verfügt hat. Um diesen Wert zu berechnen, müssen zudem die vom Erblasser hinterlassenen Schulden vom Nachlassvermögen abgezogen werden.

Pflichtteil und Schenkung

Wie oben erwähnt, sind grundsätzlich Schenkungen zu Lebzeiten auf das Erbe (und somit auch auf den Pflichtteil) angerechnet. Es gibt jedoch Ausnahmen davon. Bei der Berechnung des Pflichtteils sind kleinere Schenkungen, die unter den gegebenen Umständen üblich sind (z.B. Geburtstagsgeschenke ) oder die mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall zugunsten von

Personen, die nicht Erben oder Pflichtteilsberechtigte sind, gemacht wurden, dem Nachlass nicht hinzuzurechnen. Bei der Berechnung des dem Ehegatten zustehenden Pflichtteils werden auch Schenkungen, die der Erblasser vor der Eheschließung mit ihm gemacht hat, nicht berücksichtigt.

Durchsetzung des Pflichtteils in Polen 

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Pflichtteilansprüche geltend zu machen. Eine besteht darin, dass sich Pflichtteilsberechtigter und Erbe auf den Wert des Nachlassvermögens und damit auf den Wert des Pflichtteils einigen und außergerichtlichen Pflichtteilvergleich schließen. Am besten wäre es, wenn solch ein Vergleich notariell beurkundet würde. Leider ist eine solche Lösung nicht immer möglich und es kommt oft zu einer Auseinandersetzung um den Pflichtteil. In einem strittigen Fall hat der Pflichtteilberechtigte die Möglichkeit, eine Zivilklage gegen Erben bei dem zuständigen polnischen Gericht einzureichen. Die Klage auf Pflichtteil wird ausschließlich bei dem Gericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers erhoben, und wenn sein Wohnsitz in Polen nicht ermittelbar ist, bei dem Gericht des Ortes, an dem sich das Nachlassvermögen oder Teil dessen befindet.

Nach der Vorschriften des polnischen Zivilgesetzbuches kann der Pflichtteilsberechtigte nur einen konkreten Geldbetrag verlangen.

Wann verjährt der Anspruch auf den Pflichtteil nach polnischem Recht?

Der Anspruch auf einen Pflichtteil verjährt innerhalb von 5 Jahren nach Testamentseröffnung.Der Anspruch gegen den aufgrund einer vom Erblasser erhaltenen Schenkung zur Ergänzung des Pflichtteils Verpflichteten verjährt nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Erbfall.


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