Prüfungsanfechtung bei Verdacht auf Unterschleif, Täuschung oder Plagiat

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Wer bei einer Prüfung unerlaubte Hilfsmittel nutzt, fällt durch. Die Sanktionierung ist streng, die Hürden für die Widerlegung eines Verdachts sind hoch. Die Rechtsprechung lässt kaum Ausnahmen zu.

Unterschleif und Täuschung kommen wohl in jeder Prüfung vor. Schon bei den Beamtenexamina der chinesischen Kaiserzeit schrieb man sich ganze Bücher in die Kleidung. Unter unerlaubten Hilfsmitteln versteht man heute vor allem:

  • den klassischen Spickzettel
  • das Abschreiben bei anderen Prüfungsteilnehmern
  • nicht zugelassene Bücher

Immer mehr Bedeutung bekommt auch der Besitz von Mobiltelefonen und Smartwatches. Teilweise werden auch – kaum nachvollziehbar – USB-Sticks ohne mitgeführtes Lesegerät schon als verdächtig erachtet. Bei Hausarbeiten, Seminararbeiten und anderen wissenschaftlichen Werken ist auch die Problematik des Plagiats immer mehr in den Fokus gerückt.

Die meisten Prüfungsanfechtungen, die ich in meiner Kanzlei bearbeite, drehen sich um die Benotung von Arbeiten. Aber auch Fälle, in denen Unterschleif angenommen wurde, kommen immer wieder vor. Zu diesen Themenkomplexen möchte ich Ihnen daher einen kurzen Überblick über die Rechtsprechung zu typischen, aber auch ganz speziellen Urteilen geben.

Definition des unerlaubten Hilfsmittels

Bei vielen Prüfungen sind bestimmte Hilfsmittel erlaubt. Dies können Gesetztestexte, Wörterbücher, Taschenrechner oder auch Formelsammlungen sein. Meistens sind diese erlaubten Hilfsmittel ganz exakt in entsprechenden Bekanntmachungen beschrieben.

Ein unerlaubtes Hilfsmittel ist dagegen alles andere, was dem Prüfungsteilnehmer in irgendeiner Form helfen kann, die Prüfung besser zu absolvieren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er für die konkrete Aufgabe in irgendeiner Form nützlich ist. Wer sich also die Formel E=mc² aufschreibt, kann auch durchfallen, wenn es in der Aufgabe tatsächlich um etwas ganz Anderes geht (ständige Rechtsprechung sämtlicher Gerichte).

Behandlung von Zweifelsfällen

Gerade, wenn ein Prüfling nicht unmittelbar bei der Prüfung mit einem Hilfsmittel erwischt wird, sondern sich erst bei der Korrektur Auffälligkeiten ergeben, wird man genau ermitteln müssen, ob nun eine Täuschung vorliegt oder nicht. Die Maßstäbe hierfür sind aber nicht immer eindeutig.

Wenn ein Kandidat einen auswendig gelernten fremden Text in einer Klausur aus dem Gedächtnis niederschreibt, ist das kein Unterschleif. Geht das Prüfungsamt aber davon aus, dass er diesen Text nicht gelernt, sondern während der Klausur dabeihatte und abgeschrieben hat, ist es dafür beweispflichtig (VG Berlin, 17.06.2013, 12 L 678.13).

Als Beweis reicht jedoch, wenn dargelegt wird, dass erhebliche Indizien für eine Täuschung bestehen und damit ein so genannter Anscheinsbeweis geführt werden kann.

Drängt sich aufgrund feststehender Tatsachen bei verständiger Würdigung der Schluss auf, dass getäuscht wurde, geht die Beweislast auf den Prüfling über (VG Braunschweig, 09.10.2012, 6 A 194/11).

Nicht notwendig ist eine Ausräumung auch allerletzter Zweifel. Vielmehr muss sich das Gericht (nur) eine solide eigene Überzeugung bzgl. der Tatsachen bilden.

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) gehört ins Strafverfahren und ist bei der Feststellung von Unterschleif nicht anwendbar. Das Gericht muss vielmehr aufgrund eigener Prüfung und Würdigung des Sachverhalts entscheiden (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.06.1980, 7 B 108.80).

Völlig unplausible Erklärungen reichen demnach aber gerade nicht.

Führt ein Kandidat bei einer Prüfung umfangreiche selbstgeschriebene Konzeptblätter mit sich, die keinen Bezug zur konkreten Aufgabe haben, ist dies ein starkes Indiz, dass er diese zu Hause angefertigt und mitgebracht hat. Die Behauptung, sie seien als Konzentrationsübung während der Arbeitszeit geschrieben worden, ist kaum glaubhaft, wenn das Niveau der Konzeptblätter viel höher ist als das der Klausur (VG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2014, 12 K 3675/14).

(Keine) Ausnahmen

Bei fast jedem nachgewiesenen Unterschleif wird danach naheliegender Weise versucht, diesen wegzudiskutieren. Die Hürden dafür sind aber extrem hoch und nur in den seltensten Fällen wirklich zu schaffen. Dass man nicht wirklich betrogen hat und auch nicht betrügen wollte, reicht gerade nicht aus.

Der Besitz eines unerlaubten Hilfsmittels ist nur dann entschuldigt, wenn der Prüfling nachweist, dass der Besitz nicht auf Fahrlässigkeit beruht. Dafür reicht nicht aus, zu beteuern, man habe seine Materialien gewissenhaft geprüft und könne sich nicht erklären, wie die unerlaubten Hilfsmittel „hineingerutscht“ sind (VG München, Urteil vom 22.01.2008, M 4 K 07.5074).

Was aber nun, wenn man während der Prüfung auf einmal feststellt, dass man etwas dabeihat, was man nicht besitzen dürfte? Auch hier ist die Rechtsprechung rigoros.

Das freiwillige Abliefern unerlaubter Hilfsmittel nach Prüfungsbeginn ändert nichts an der Sanktion des Durchfallens. Ansonsten könnte man zu sehr taktieren und sich dann durch rechtzeitige Abgabe nicht benötigter Hilfsmittel entlasten (VG München, Urteil vom 22.01.2008, M 4 K 07.5074).

Ob man solche Merkzettel nun behalten und auf die Nichtentdeckung hoffen sollte, ob man sie vielleicht besser aufisst oder bei einem (erlaubten) Toilettengang entsorgt, musste das Gericht freilich nicht entscheiden.

Und wenn das Hilfsmittel nur „ein bisschen unzulässig“ ist?

Das ändert in der Regel nichts. In einem Fall hatte ein Kandidat im ersten juristischen Staatsexamen nicht die erlaubte Sammlung europarechtlicher Vorschriften des Nomos-Verlags, sondern die des Beck-Verlags dabei. Weil letztere zwar die gleichen Texte, aber ein ausführlicheres Vorwort mit Erläuterungen hatte, wurde dies als Unterschleif gewertet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dies bestätigt.

Ein Nichtbestehen wegen eines unzulässigen Hilfsmittels ist nur unverhältnismäßig, wenn das Hilfsmittel überhaupt nicht geeignet ist, dem Benutzer irgendeinen theoretischen Vorteil zu verschaffen. Ein solcher Vorteil kann aber schon in minimalen Zusatzinformationen liegen (VGH München, Urteil vom 21.01.2016, 7 BV 15.1233).

Die Plage der Plagiate

Plagiatsfälle bekannter Persönlichkeiten sind in den letzten Jahren immer wieder ans Licht der Öffentlichkeit gekommen. Meistens handelte es sich dabei um Doktorarbeiten, aber auch im vorhergehenden universitären und schulischen Bereich kommen solche Fälle immer wieder vor.

Als Plagiat bezeichnet man dabei jede wörtliche oder sinngemäße Übernahme fremder Texte ohne entsprechende Kennzeichnung (Anführungszeichen, Fußnote), damit die Texte so erscheinen, als hätte der Autor der Arbeit sie selbst geschrieben.

Eine bloße Nennung des zitierten Werks im Literaturverzeichnis ändert nichts am Vorliegen eines Plagiats. Vielmehr muss jede einzelne Übernahme von Zitaten unmissverständlich gekennzeichnet sein (VG Düsseldorf, 31.03.2015, 2 K 289/14).

Dies ist Teil des wissenschaftlichen Arbeitsstils und Teil der wissenschaftlichen Ehrlichkeit.

Die Kennzeichnung von Zitaten und fremden Ideen hat „im wissenschaftlichen Diskurs den Sinn, Aussagen, Fakten und Daten überprüfbar zu machen und dem Leser die Möglichkeit zu geben, selbst weiter zu forschen“. In einem Plagiat liegt regelmäßig eine schwerwiegende Täuschung, die entsprechend sanktioniert werden kann (VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2014, 15 K 2271/13).

Diese Sanktionierung ist praktisch unweigerlich das Nichtbestehen der Arbeit, kann aber auch über die konkrete Leistung hinaus die gesamte Prüfung beeinflussen.

Ein Plagiat kann auch dazu führen, dass die deswegen nicht bestandene Arbeit nicht wiederholt werden darf, sofern die Prüfungsordnung diese Möglichkeit vorsieht (VG Berlin, 26.09.2014, 12 K 978.13).

Eine derart harte Folge ermöglichen zahlreiche Prüfungsordnungen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass entweder das Studienfach oder die Universität gewechselt werden muss.

Schwere Folgen drohen aber nicht erst im wissenschaftlichen Betrieb einer Universität, sondern auch schon bei Arbeiten im Rahmen der Hinführung zum Abitur.

Wird bei einer Seminararbeit in der gymnasialen Oberstufe ein Plagiat verübt, rechtfertigt dies eine Bewertung mit null Punkten. Dass die Folge davon auch noch die Nichtzulassung zur Abiturprüfung im laufenden Jahr ist, ist nicht zu beanstanden (VG München, 21.07.2015, M 3 K 15.1366).

Dass nicht ein wissenschaftliches Werk, sondern eine fremde Arbeit als die eigene abgegeben wird, mag selten sein. Es kommt aber gelegentlich vor und wird dann ebenso als Plagiat mit allen Konsequenzen angesehen.

Gibt ein Prüfling nicht seine eigene Arbeit, sondern die eines anderen Prüflings ab, so liegt darin regelmäßig ein schwerwiegender Verstoß gegen die Prüfungsordnung. Dies rechtfertigt grundsätzlich auch den Ausschluss von der gesamten Prüfung (VG Augsburg, 19.05.2015, Au 3 K 15.162).

Und wenn es einen selbst erwischt?

Zunächst sollte man das natürlich verhindern. Das bedeutet eine eingehende Beschäftigung mit der Hilfsmittelbekanntmachung, eine gewissenhafte Kontrolle der eigenen Materialien und schließlich auch ein Nachfragen beim Prüfungsamt hinsichtlich eventueller Restzweifel.

Sollten Sie trotzdem unter Täuschungsverdacht geraten, ist eine umgehende rechtliche Beratung unerlässlich. Vorher sollten Sie sich in keiner Weise zur Angelegenheit äußern. Denn jede ungeschickte Formulierung und jede vermeintliche Ausrede kann sich zu Ihren Lasten auswirken.

Mit einem erfahrenen Anwalt an Ihrer Seite können Sie jedoch möglicherweise den Verdacht widerlegen oder zumindest die Folgen im Rahmen der jeweiligen Prüfungsordnung abmildern. Das darf man keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen oder – wie dies leider oft geschieht – passiv darauf vertrauen, es würde schon irgendwie „gut ausgehen“. Schließlich geht es um Ihre berufliche Zukunft.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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