Punkte in Flensburg vermeiden bei einem Verstoß der Behörde?

  • 4 Minuten Lesezeit

 In Ordnungswidrigkeitenverfahren stellt sich immer häufiger die Frage, ob die Bußgeldbehörde vor Erlass des Bußgeldbescheids das Personalausweisfoto beim Einwohnermeldeamt anfordern darf. Vielfach wird dabei gefordert, dass mit der Herausgabe des Passfotos gegen das Gesetz verstoßen werde, weshalb das Verfahren einzustellen sei. Im Ergebnis geht es um die Frage, ob das Handeln der Behörde mit § 24 Abs. 2 und 3 Personalausweisgesetz (PAuswG) oder seinem Pendant § 22 im Passgesetz in Einklang zu bringen ist.  Wir prüfen es in jedem Verfahren selbstverständlich mit. 

 

Zu dieser Frage hat sich nunmehr das Oberlandesgericht Koblenz in seinem Beschluss vom 02.10.2020, Az. 3 OWi 6 SsBs 258/20 geäußert und der teilweise vertreten Rechtsaufassung eine Absage erteilt. Dazu führt das Oberlandesgericht folgendes aus: 

 

„Gemäß § 24 Abs. 2 PAuswG, der § 22 Abs. 2 Passgesetz entspricht, dürfen Personalausweisbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn 1. die ersuchende Behörde aufgrund von Gesetz oder Rechtsverordnung berechtigt ist, solche Daten zu erhalten, 2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen und 3. die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann oder wenn nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 PAuswG trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung dafür, dass die Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen. 

 Die Voraussetzung des § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PAuswG ist vorliegend erfüllt, da die Bußgeldbehörde gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO iVm. §§ 46 Abs. 1 und 2 OWiG berechtigt ist, von allen Behörden zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Auskünfte zu verlangen (OLG Stuttgart, Beschl. 1 Ss 230/2002 v. 26.08.2002 – NStZ 2003, 93; OLG Rostock, Beschl. 2 Ss OWi 302/04 v. 28.11.2004 – juris; OLG Bamberg, Beschl. 2 Ss OWi 147/05 v. 02.08.2005 – DAR 2006, 336). Darüber hinaus ist in § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG ausdrücklich normiert, dass die Übermittlung von Lichtbildern an die Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im automatisierten Verfahren erfolgen kann. 

 Des Weiteren ist auch die Voraussetzung des § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG erfüllt, da die Daten bei dem Betroffenen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand hätten erhoben werden können. Es hätte zwar zur Klärung der Fahrereigenschaft die Möglichkeit bestanden, den Betroffenen durch Behördenbedienstete oder durch die Polizei in seiner Wohnung oder an seinem Arbeitsplatz aufzusuchen und ihn zum Vergleich mit dem Messfoto in Augenschein zu nehmen oder insoweit sogar eine Nachbarschaftsbefragung durchzuführen; jedoch wären solche Ermittlungshandlungen sowohl für die Behörden als auch für den Betroffenen unverhältnismäßig; selbst aus Sicht des Betroffenen dürften sie wesentlich stärker in seine Persönlichkeitssphäre eingreifen als die Erhebung seines Lichtbildes beim Pass- oder Personalausweisregister (OLG Stuttgart, aaO.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. 1 Ss 54 B/02 v. 19.04.2002 – VRS 105, 221; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschl. 2 OB OWi 727/97 v. 20.02.1998 – NJW 1998, 3656; OLG Hamm, Beschl. 3 Ss OWi 416/09 v. 30.06.2009 – ZfSch 2010, 111). 

 

Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAuswG ist weitere Voraussetzung, dass die ersuchende Behörde, hier die Bußgeldstelle, ohne Kenntnis der Daten, vorliegend des Personalausweisfotos, nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen. Da die Bußgeldbehörde aber die Fahrereigenschaft fast ausnahmslos auch durch Ermittlungen am Wohn- oder Arbeitsort des Betroffenen, gegebenenfalls auch durch Befragung von Nachbarn und Arbeitskollegen, erforderlichenfalls nach mehrmaligen Aufsuchen klären kann, würde dies bedeuten, dass die Übermittlung von Lichtbildern durch die Personalausweis- oder Passbehörde an die Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten fast ausnahmslos unzulässig wäre. Dies würde aber zu einem nicht auflösbaren Wertungswiderspruch im Hinblick auf § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG führen und ist im Übrigen mit der spezielleren Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG nicht vereinbar. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG dürfen die Ordnungsbehörden Lichtbilder zum Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (sogar) im automatisierten Verfahren abrufen. Der Gesetzgeber hat, in dem er sogar das automatisierte Verfahren zugelassen hat, mit dieser spezielleren Norm zum Ausdruck bringen wollen, dass die Übermittlung von Lichtbildern durch die Passbehörden an die Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zulässig sein soll. Dies lässt sich den Gesetzesmaterialien zu § 25 PAuswG in der Fassung vom 18. Juni 2009 entnehmen, in denen die Bundesregierung darauf hinweist, dass ein Abruf des Lichtbildes im automatisierten Verfahren nur bei Verkehrsordnungswidrigkeiten und nicht bei Ordnungswidrigkeiten insgesamt zulässig sei (BT-Drucksache 16/10489 v. 07.10.2008), folglich dies privilegiert werden soll. Die Einschränkung in § 24 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG, wonach eine Übermittlung nur zu erfolgen habe, wenn die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann, wäre im Hinblick auf die Übersendung von Lichtbildern nicht mehr verständlich, wenn man aus § 24 Abs. 2 Nr. 2 PAuswG bereits ein generelles Verbot dafür entnehmen würde.“ 

 

Darüber hinaus hat sich das Gericht auch dazu geäußert, ob bei einem Verstoß gegen die genannten Vorschriften ein Verfahrenshindernis oder gar ein Beweisverwertungsverbot in Betracht kommt. Beides ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz nicht der Fall. Verfahrenshindernisse kommen bei Verfahrensmängeln nach der oben genannten Entscheidung nur dann in Betracht, wenn sie nach dem aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzgebers so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen abhängig gemacht werden muss. Einen derartig schwerwiegenden Verfahrensmangel sieht das Oberlandesgericht Koblenz bei möglichen Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit dem Übersenden eines Ausweisfotos von der Meldebehörde zum Bildabgleich nicht, insbesondere im Hinblick auf § 25 PAuswG könne dies nicht bejaht werden.  


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Alexander Held

Beiträge zum Thema