“Powerbank” = Handyverstoß?

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“Powerbank” = Handyverstoß?  

Immer wieder ist man erstaunt, wenn man Urteile oder Reaktionen auf Urteile von Anwaltskollegen zu § 23 StVO (Handyverstoß) liest. So war mancher wirklich überrascht, dass der Touchscreen eines Fahrzeugs, im konkreten Fall ging es um einen Tesla, ein elektronisches Gerät ist, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist. Die Frage, elektronisch oder elektrisch, würden sich die meisten bei einem Tablet-PC oder dem Touchscreen-Bildschirm eines Computers automatisch mit elektronisch beantworten.  

Die zu beantwortende Frage in vorgenanntem Fall war daher auch eher wie lange muss ich meinen Blick von der Straße abwenden, um Einstellungen des Fahrzeugs über den Touchscreen zu ändern.  

Die Ausgangsfrage des sog. Handyverstoßes nach § 23 StVO – elektronisch oder elektrisch – ist zunächst einmal keine juristische, sondern eine naturwissenschaftliche.  

 Der Unterschied der beiden ist primär, dass elektrische Geräte hauptsächlich Strom in eine andere Energieform, z. B. Wärme oder Licht umwandeln. Elektronische Geräte machen vom Prinzip her das Gleiche, es wird jedoch der Strom derart manipuliert, dass er eine vorbestimmte Aufgabe erfüllt. Das nachfolgende Beispiel soll die Unterscheidung ein wenig verdeutlichen 

 So ist ein Ventilator ein einfaches elektrisches Gerät, das die eingebrachte elektrische Energie in kinetische Energie, also in Bewegung des Rotors, umwandelt. Ein Ventilator, in einfachster Bauweise, erfordert keine Manipulation des Stroms, der eingebracht wird.  

 Dem gegenüber ist der Thermostat ein klassisches Beispiel für ein elektronisches Gerät. Dieser wird verwendet, um die Temperatur einer Umgebung aufrechtzuerhalten. Der Thermostat erfasst zu diesem Zweck die Temperatur und manipuliert den Strom derart, dass er je nach Bedarf die Kühlung oder Heizung ein- oder ausschaltet.  

Leider ist in der Realität die Einordnung eines einzelnen Geräts entweder als elektrisch oder elektronisch nicht so simpel. Nimmt man zum Beispiel einen Toaster ist dieser, nach der oben dargestellten Unterscheidung beides. Er wandelt zunächst elektrische Energie in Wärme um. Er ist also ein elektrisches Gerät. Verfügt der Toaster, wie üblich über Heizstufen und Sensoren, um zu prüfen, wann der Toast auf ein optimales bzw. gewünschtes Niveau erhitzt wurde ist er ein elektronisches Gerät, denn der Strom wird zum Zwecke einer Aufgabe manipuliert. Moderne Geräte haben daher oftmals sowohl elektrische als auch elektronische Komponenten, aber es ist wichtig, den Unterschied zwischen den beiden Begriffen zu kennen. 

Vor diesem Hintergrund ergibt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz, Beschluss vom 21.12.2020, Az. 2 OWi 6 SsRs 374/20, auch Sinn. So stellt das Gericht darin fest, dass es sich bei einer sog. „Powerbank” vielmehr lediglich um einen Gegenstand handelt, der der Energieversorgung von Geräten der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik als solchen dient oder zu dienen bestimmt ist und nicht um ein solches Gerät selbst (OLG Hamm, 4 RBs 92/19 v. 28.05.2020, BeckRS 2019, 13084). Damit stellt die Nutzung einer „Powerbank an sich – auch dann nicht, wenn sie in den Händen gehalten wird – keine unerlaubte Nutzung elektronischer Geräte bei der Fahrzeugführung dar. 

 Legt man das oben Gesagte zugrunde ist dies nur folgerichtig. Auch zutreffend ist die Feststellung des Oberlandesgerichts dahingehend, dass eine reine Ladeanzeige (z.B. durch farbige LEDs) hieran nichts ändert.  

 Vorliegend war jedoch die Frage zu beantworten, wie eine „Powerbank“ zu beurteilen ist, welche über einen Touchscreen verfügt. Das Gericht hat dazu folgendes festgestellt:  „bei der hier benutzten „Powerbank” zugleich um einen Berührungsbildschirm im Sinne des § 23 Abs. 1 a Satz 2 StVO, worauf auch das Amtsgericht selbst in seiner rechtlichen Würdigung zusätzlich abstellt. so dass die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Der in der IT-Fachsprache heute kaum mehr verwendete Begriff Berührungsbildschirm” meint Touchscreens. Aus der Systematik der Geräteliste des § 23 Abs. 1 a Satz 2 StVO fällt er markant heraus, enthält diese doch ansonsten Gerätegruppen, die jeweils bestimmte Nutzungsarten ermöglichen (zum Beispiel Kommunizieren oder Navigieren). Ein Berührungsbildschirm ist hingegen lediglich eine spezielle Art von Interface, das als kombiniertes Ein- und Ausgabegerät grundsätzlich in unterschiedlichen funktionalen Kontexten eingesetzt werden kann (Will. Nutzung elektronischer Geräte bei der Fahrzeugführung. NJW 2019, 1633). Indem der Betroffene nach den Feststellungen des Urteils die „Power-bank-. die mit einem Touchscreen versehen war, mit der rechten Hand neben dem Lenkrad hielt. auf den Bildschirm blickte und erkennbar mit dem Daumen auf dem Touchscreen wischte, um den Ladezustand abzufragen, hat er einen Berührungsbildschirm im Sinne des § 23 Abs. 1 a Satz 2 StVO genutzt.“ 

 Darüber hinaus stellt das Oberlandesgericht fest, dass dies  

„auch dem Sinn und Zweck der Norm. Der Verordnungsgeber wollte mit dem „technikoffenen Ansatz- der technischen Entwicklung der Geräte der (Unterhaltungs-)Elektronik und der damit einhergehenden immer vielfältiger werdenden Nutzungsmöglichkeiten Rechnung tragen, jedoch kein vollständiges Verbot der Nutzung von elektronischen Geräten während der Fahrt normieren. Dabei hat er in § 23 Abs. 1 a Satz 2 StVO Gerätearten aufgezählt bei denen er ein besonders großes Risiko der Ablenkung für den Fahrer eines Kraftfahrzeuges gesehen hat. wie es beispielsweise bei dem hier einschlägigen Berührungsbildschirm der Fall ist. Demgegenüber hat der Verordnungsgeber aber berücksichtigt, dass es eine Vielzahl von die Verkehrssicherheit gefährdenden fahrfremden Tätigkeiten mit Ablenkungswirkung gibt (z.B. Rauchen. Essen, Trinken, Radio-. CD-Hören und Unterhaltung mit anderen Fahrzeuginsassen). die aber vor dem Hintergrund des Übermaßverbots weiter erlaubt bleiben, soweit sie derart ausgeübt werden, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Insoweit soll es daher dabei bleiben. dass für diese Verhaltensweisen weiter die Grundregel des § 1 StVO zur Anwendung kommt und auch unter Verkehrssicherheitsaspekten als ausreichend angesehen wird (OLG Hamm aaO. vgl. BR-Drs. 556/17, S. 1, 4 f., 12).” 

 Das kann man so sehen, man muss es aber nicht, denn der Berührungsbildschirm in § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO wird nach dem Wortlaut der Verordnung nur sanktioniert, wenn es sich um Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung handelt. Das Oberlandesgericht stellt sich hier nicht die Frage, ob eine „Powerbank“ Unterhaltungselektronik ist, sondern geht einfach davon aus. Meiner Ansicht nach macht es sich das Gericht hier zu einfach, denn laut Duden ist Unterhaltungselektronik die Gesamtheit der elektronischen Geräte, die Musik oder gesprochenes Wort (aus dem Bereich der Unterhaltung) reproduzieren. Eine „Powerbank“ macht dies jedoch gerade nicht. Das Gericht macht aus Unterhaltungselektronik vielmehr einfach ein elektronisches Gerät. Dieses wäre jedoch dann folgerichtig nach § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO zu sanktionieren gewesen. Der Touchscreen macht aus dem elektrischen Gerät ein auch elektronisches Gerät, genauso wie in dem Beispiel mit dem Toaster, jedoch keine Unterhaltungselektronik. 


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