Rechtswidrige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

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Einige Strafprozesse werden nicht als Strafverfahren bezeichnet, sondern als Unterbringungsverfahren. Hintergrund ist, dass der jeweils Betroffene nach Ansicht eines medizinischen Gutachters an einer krankhaften seelischen Störung leidet und dass eine sogenannte Gefährlichkeitsprognose ergibt, dass vom Angeklagten in Folge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Wenn also der Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet und nach Ansicht des Gutachters gemeingefährlich ist, kann er in der Psychiatrie untergebracht werden.

In einem sehr interessanten Beschluss hat nun der Bundesgerichtshof entschieden, dass nach der Gefährlichkeitsprognose mindestens Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität zu erwarten sein müssen.

Zudem sei eine länger andauernde Straffreiheit ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, 07.06.2016, AZ: 4 StR 207/16).

In dem vom BGH entschiedenen Fall war der Betroffene eindeutig psychisch krank: Er hörte Stimmen, fühlte sich durch die Bundeswehr bedroht und gelenkt und ging davon aus, dass die Bundeswehr ihn bei seiner Musterung Chips in Kopf und Ohr implantiert habe, über welche er fremdgesteuert werde. Der Angeklagte war mehrfach vorbestraft wegen Diebstahls, Unterschlagung und Schwarzfahrens. Im Jahr 2013 hatte er der Geschädigten mit einer Gehstütze auf den Kopf geschlagen. Er ging dabei wieder davon aus, dass sein Arm über implantierte Chips ferngesteuert werde.

Der BGH stellte zunächst fest, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Betroffenen außerordentlich stark belastet und deshalb nur dann angeordnet werden darf, wenn vom Angeklagten in Folge seiner Erkrankung erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, die mindestens in den Bereich der mittleren Kriminalität gehören (Nicht: Beleidigung, Körperverletzung, Diebstahl, etc.).

Interessant ist die Entscheidung wegen folgender Feststellung:

Das Landgericht hatte den Angeklagten für gemeingefährlich gehalten und war davon ausgegangen, dass aufgrund einer Psychose weitere Delikte sehr wahrscheinlich seien.

Der BGH korrigierte das Landgericht an dieser Stelle: Das Landgericht habe sich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Angeklagte bereits seit 2008, also seit mindestens 5 Jahren, an einer psychischen Erkrankung leidet, jedoch seitdem lediglich zwei Mal wegen Aggressionsdelikten auffällig wurde, im Übrigen jedoch lediglich wegen Bagatelltaten. Nach Ansicht des BGH war daher zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich in einem Zeitraum von etwa 20 Monaten nicht in staatlichem Gewahrsam befand und trotz seines krankhaften Zustandes keine weiteren Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität mehr begangen hatte.

Fazit

Im Unterbringungsverfahren muss das Gericht daher stets prüfen, welche Taten künftig von Angeklagten zu erwarten sind. Die Feststellung, dass „allgemein“ weitere Delikte zu erwarten seien, reicht nicht aus. Sofern der Betroffene längere Zeit in Freiheit gelebt hat und während dieser Zeit keine erheblichen Delikte begangen hat, ist dies zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.


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