Wann kann die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden?

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Unterbringung gemäß § 63 StGB

Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie kommt daher nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht.

Die Anordnung einer Unterbringung durch das Gericht kommt dann in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben.

Die Unterbringung darf nur angeordnet werden, wenn:

  • der Unterzubringende eine rechtswidrige Tat zweifelsfrei im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht sowie
  • die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Diese notwendige Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln. Sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt.

Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt zudem voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Wenn sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst ergibt, wie etwa einem Verbrechen, so kommt der zu befürchtenden konkreten Ausgestaltung der Taten maßgebliche Bedeutung zu.

Berücksichtigung strafffreier Zeiten

Der Bundesgerichtshof muss sich immer wieder zu den Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 63 StGB äußern, so auch in seiner Entscheidung vom 26. Mai 2020 (1 StR 151/20).

In dem vorliegenden Fall leidet die Beschuldigte seit dem Jahr 1994 an einer paranoiden Schizophrenie, weshalb sie bis zum Jahr 2007 daher vielfach stationär in psychiatrischen Kliniken behandelt wurde. Zwischen 2007 und 2017 stabilisierte sich ihr Zustand, da sie die ihr verschriebenen Medikamente zuverlässig einnahm.

Im Sommer 2017 setzte die Beschuldigte die Medikamente jedoch eigenmächtig ab, weshalb es zu einem Wiederaufleben ihrer Schizophrenie und am 24. März 2018 zu verschiedenen strafrechtlich relevanten Vorfällen kam. Die Beschuldigte schlug einer Person im Vorbeilaufen in Verletzungsabsicht mit der Hand in die rechte Seite, wodurch dieser jedoch keine erheblichen Schmerze oder Verletzungen erlitt. Im Folgenden trat sie außerdem auf die Fahrbahn und zwang einen Fahrer mit dessen Fahrzeug zum Halten. Die Beschuldigte stieg dann auf die Motorhaube des Pkw und schlug mit den Fäusten mehrfach auf Motorhaube und Windschutzscheibe des Fahrzeugs und zerkratzte den Lack, wodurch ein Sachschaden in Höhe von 1.500 Euro entstand. Anschließend begab sich die Beschuldigte in den Hof einer weiteren Person und schlug dieser unvermittelt mit der Faust auf die Nase, wodurch die Person starke Schmerzen erlitt. Gegen Maßnahmen der Polizei und der Rettungsbeamten wehrte sie sich mit Tritten, Schlägen und Beleidigungen wie beispielsweise „Bullenschwein“ oder „Drecksau“.

Aufgrund dieser Taten wurde die Beschuldigte vom 24. bis 28. März stationär behandelt. In der Folgezeit kam es immer wieder zu kurzzeitigen Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken, dessen Hintergrund weitere öffentliche Vorfälle waren, die allesamt jedoch keine Straftaten beinhalteten.

Das Landgericht München hat die am 24. März 2018 begangenen Anlasstaten als versuchte Körperverletzung, Sachbeschädigung, Körperverletzung in Tatmehrheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung sowie tätlichem Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung gewertet.

Jedoch ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten aufgrund der bestehenden paranoiden Schizophrenie aufgehoben und die Beschuldigte im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig gewesen ist. Das Landgericht hat deshalb die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist eine Unterbringungsentscheidung rechtlich nicht gerechtfertigt.

Eine Unterbringung sei vorliegend nicht ausreichend erörtert worden. Das Landgericht habe nicht rechtsfehlerfrei begründet, dass von der Beschuldigten in Zukunft mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Insbesondere der Umstand, dass die Beschuldigte trotz bestehenden Defekts seit dem 24. März 2018 keine erheblichen Straftaten mehr begangen hat, sei ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger solcher Straftaten.

Die Anordnung der Unterbringung könne folglich nicht bestehen bleiben. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung und unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. 


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