Regressansprüche des Kfz-Versicherers gegen den Fahrer bei Unfällen (z.B. Alkohol am Steuer)

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In diesem Artikel geht es sowohl um die Kfz-Haftpflichtversicherung als auch um die Kfz-Kaskoversicherung. Für beide gelten jedoch unterschiedliche Regeln. Die typische Fallkonstellation, die hier besprochen werden soll, sieht folgendermaßen aus:

Der Versicherungsnehmer überlässt sein Fahrzeug einer anderen Person. Der Fahrer verursacht einen Unfall, bei dem sowohl Fremdschaden entsteht (Haftpflichtfall) als auch das eigene Fahrzeug beschädigt wird (Kaskoschaden).


I. Haftpflichtfall

Soweit es um Fremdschäden geht (fremde Fahrzeuge und sonstige Sachen, Personenschäden), gilt der Fahrer in der Haftpflichtversicherung selbst als versicherte Person. Es gelten daher die gleichen Regeln wie wenn der Versicherungsnehmer selbst der Fahrer ist. Dies bedeutet zunächst, dass der Versicherer gegenüber dem Geschädigten vollumfänglich zum Schadensersatz verpflichtet ist. Wenn der Versicherer den Schaden reguliert hat, stellt sich im Anschluss die Frage, ob und in welcher Höhe ein Regressanspruch gegen den Fahrer oder gegen den Versicherungsnehmer in Betracht kommt.

Soweit dem Versicherungsnehmer selbst keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, ist dieser auch nicht regresspflichtig.

Ein Regress (Rückgriff) gegen den Fahrer kommt in Betracht bei sogenannten Obliegenheitsverletzungen. Obliegenheiten sind Verhaltensvorschriften, die teilweise gesetzlich normiert sind und teilweise in den Versicherungsbedingungen aufgestellt werden. Dabei sind zwei verschiedene Kategorien zu unterscheiden, nämlich

  1. Obliegenheitsverletzungen vor dem Schadensfall und
  2. Obliegenheitsverletzungen nach dem Schadensfall.

Sofern beide Fälle gleichzeitig vorliegen, kann sich der Regressanspruch schlimmstenfalls sogar verdoppeln.

Gemäß § 5 KfzPflVV können Verstöße des Fahrers gegen folgende Obliegenheiten vor dem Schadensfall zum Regress führen:

  1. das Fahrzeug zu keinem anderen als dem im Versicherungsvertrag angegebenen Zweck zu verwenden;
  2. das Fahrzeug nicht zu behördlich nicht genehmigten Fahrveranstaltungen zu verwenden, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt;
  3. das Fahrzeug nicht unberechtigt zu gebrauchen oder wissentlich gebrauchen zu lassen;
  4. das Fahrzeug nicht auf öffentlichen Wegen und Plätzen zu benutzen oder benutzen zu lassen, wenn der Fahrer nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hat;
  5. das Fahrzeug nicht zu führen oder führen zu lassen, wenn der Fahrer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel dazu nicht sicher in der Lage ist;
  6. ein mit einem Wechselkennzeichen zugelassenes Fahrzeug nicht auf öffentlichen Wegen oder Plätzen zu benutzen oder benutzen zu lassen, wenn es das nach § 8 Absatz 1a der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vorgeschriebene Wechselkennzeichen nicht vollständig trägt.

Nun kommt es für die Höhe des Regressanspruchs auf das Ausmaß des Verschuldens an. Es wird hier unterschieden zwischen einfacher Fahrlässigkeit, grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. In diesem Fall ist der Versicherer berechtigt, die Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Jetzt wird es richtig kompliziert. Wie so oft bei rechtlichen Angelegenheiten kommt es für die genaue Höhe des Regressanspruchs auf die Umstände des Einzelfalls an und es gibt keine einheitliche Rechtsprechung. Klar ist jedoch, dass bei nur leichter Fahrlässigkeit oder einfacher (nicht grober) Fahrlässigkeit überhaupt kein Regress in Betracht kommt. Außerdem scheidet der Regress auch dann aus, wenn nachgewiesen werden kann, dass die fahrlässige Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für den Schadensumfang ursächlich geworden ist (fehlende Kausalität).

Der Regress gegen den berechtigten Fahrer ist der Höhe nach auf maximal 5000 Euro beschränkt – es sei denn der Fahrer hat vorsätzlich gehandelt.

Falls der Fahrer nach dem Schadensfall eine (weitere) Obliegenheitsverletzung begeht, droht ein (weiterer) Regress in Höhe von bis zu 5000 Euro (§ 6 KfzPflVV). Dies kommt in der Praxis besonders häufig bei Unfallflucht zum Tragen.

Falls der Unfall vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt wurde, ist gemäß § 103 VVG der Versicherer leistungsfrei. Sofern nur dem Fahrer und nicht dem Versicherungsnehmer Vorsatz zur Last gelegt werden kann, haftet der Versicherer dennoch gegenüber dem Geschädigten und kann nur vollumfänglichen Regress beim Fahrer nehmen.

II. Kaskoschaden

Soweit Schäden am eigenen Fahrzeug entstanden sind, greift die Kaskoversicherung ein, sofern eine solche besteht. Wenn der Versicherungsnehmer, der gleichzeitig Eigentümer des Fahrzeugs ist, einer anderen Person (Fahrer) das Fahrzeug überlassen hat, muss zunächst der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Schaden vollständig regulieren, es sei denn der Fahrer ist als Repräsentant des Versicherungsnehmers im Sinne der Rechtsprechung anzusehen. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbetrieb, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf Grund eines Vertretungsverhältnisses oder eines ähnlichen Rechtsverhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Erforderlich ist, dass der Repräsentant befugt ist, selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und dabei auch dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrzunehmen. Das spielt insbesondere bei Geschäfts- und Betriebsversicherungen eine Rolle. Die nur vorübergehende Überlassung des Fahrzeugs reicht nicht aus. Ebenso wenig genügt die Eigenschaft als Ehegatte oder Lebensgefährte. Im Regelfall ist der Fahrer nicht als Repräsentant des Versicherungsnehmers anzusehen, sodass der Versicherer uneingeschränkt zur Schadensregulierung gegenüber dem Geschädigten verpflichtet ist. Dabei kommt es nicht auf das Verschulden des Fahrers an, da dieses dem Versicherungsnehmer nicht entgegengehalten werden kann.

Möglicherweise kann der Versicherer jedoch Regress bei dem Fahrer nehmen und von diesem (teilweise) Schadensersatz verlangen. Gesetzliche Grundlage ist dabei die Vorschrift des § 86 Abs. 1 VVG, die regelt, dass bei der Schadensversicherung ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer übergeht, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Voraussetzung für den Regress ist also ein Schadensersatzanspruch gegen den Dritten, also in unserem Fall gegen den Fahrer. Ein solcher ergibt sich in der Regel aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer schuldhaften Eigentumsbeschädigung am Fahrzeug.

Der Regressanspruch gegen den Fahrer unterliegt jedoch verschiedenen Beschränkungen. Gemäß § 86 Abs. 3 BGB kann der Versicherer gegen Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer leben, Regress nur verlangen, wenn der Schaden vorsätzlich verursacht wurde. Bei einem Fahrer, der in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer lebt, müsste der Versicherer den Beweis führen, dass der Fahrer den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat.

Eine weitere Beschränkung ergibt sich aus den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB). Die Bedingungen unterscheiden sich zwar, jedoch enthalten diese meist eine Regelung, wonach gegenüber einem berechtigten Fahrer ein Regressanspruch nur geltend gemacht wird, wenn der Schaden grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigefügt wurde. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sind jeweils von dem Versicherer zu beweisen. Bei Alkoholfahrten ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen, wenn eine absolute Fahruntüchtigkeit (ab 1,1 Promille) vorliegt. Bei Vorsatz gilt, dass der Fahrer in voller Höhe auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Bei grober Fahrlässigkeit ist je nach den individuellen Bedingungen der Regressanspruch der Höhe nach beschränkt, in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis. Teilweise wird auch bei grober Fahrlässigkeit vollständig auf den Regress verzichtet. Insoweit kommt es also auf die konkreten Regelungen der jeweiligen Bedingungen des Versicherungsvertrags an.

Eine zusätzliche Besonderheit gibt es, wenn der Fahrer Arbeitnehmer des Versicherungsnehmers ist. Dann greifen die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ein. Arbeitnehmer haften nicht bei leichter Fahrlässigkeit. Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt es zu einer Quotelung. Wenn grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegt, gibt es grundsätzlich keine arbeitsrechtlichen Beschränkungen. Allerdings kann sich auch bei grob fahrlässiger Schadensverursachung das Betriebsrisiko des Arbeitgebers mit realisieren, so dass eine Quotelung des Schadens in Betracht zu ziehen ist. Insbesondere in Fällen, in denen das Schadensrisiko in einem deutlichen Missverhältnis zu dem zu erzielenden Einkommen steht, kommt auf Grund der existenzgefährdenden Wirkung der Haftung eine Schadensteilung in Betracht.

Für Ihre Fragen im Zusammenhang mit der Kfz-Versicherung und zu sonstigen versicherungsrechtlichen Themen stehen wir Ihnen jederzeit gerne telefonisch oder per E-Mail im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung zur Verfügung. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Internetseite https://www.trewius.de/rechtsgebiete/versicherungsrecht/.


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